Wirtschaftspolitische Weitsicht ist wichtiger denn je
Der Wirtschaftsdachverband economiesuisse erwartet von der Politik mehr strategische Weitsicht und konkrete Lösungsvorschläge statt andauernder Problembewirtschaftung. Der harte internationale Wettbewerb und die aktuellen Krisen fordern Wirtschaft und Gesellschaft massiv heraus. Diese Herausforderungen sind meist vielschichtig und komplex und erfordern mehr konstruktive Zusammenarbeit statt reines Polit-Marketing – erst recht im Wahljahr.
In der Ukraine ist noch immer Krieg, die Nachwehen der Corona-Pandemie beim Staat und bei den Unternehmen halten an, die Weltwirtschaft kühlt sich ab, internationale Lieferketten sind unterbrochen, die Alterung der Gesellschaft schreitet voran und die Wirtschaft kämpft mit akutem Arbeitskräftemangel und einer latent drohenden Energieknappheit.
«Ist die Welt vollkommen aus den Fugen?», fragte Monika Rühl, Vorsitzende der Geschäftsleitung von economiesuisse, an der heutigen Jahresmedienkonferenz des Wirtschaftsdachverbands. Nicht alle genannten Entwicklungen seien völlig neu oder überraschend. Neu sei aber, dass diese gleichzeitig auftreten und sich teilweise verstärken. Aus Sicht der Unternehmen seien Katastrophenstimmung und Kulturpessimismus nicht hilfreich, sagte Rühl. Ratsam seien hingegen ein durchdachtes Krisenmanagement und ein nüchterner Blick auf den eigenen Umgang mit den Krisen der jüngeren Vergangenheit.
Das Krisenmanagement des Bundes brauche dringend eine Auffrischungskur und die Wirtschaftspolitik der Schweiz eine Strategie, wie sie langfristig mit den grossen Herausforderungen umgehen wolle. «Augen zu und durch ist keine Strategie», sagte Rühl. Die Unternehmen müssten auch langfristig und strategisch agieren, wenn sie nachhaltig erfolgreich sein wollen. Und: «Vom Unternehmergeist, der Innovationskraft und der Dynamik vieler Schweizer Unternehmen könnte sich die Politik inspirieren lassen. Und ich bin der Meinung, sie sollte es unbedingt auch tun.»
«Die allermeisten grossen Herausforderungen unserer Zeit sind vielschichtig und komplex, sie müssen ganzheitlich gedacht und interdisziplinär angegangen werden», schloss economiesuisse-Präsident Christoph Mäder an. Für kluge Lösungen und weitsichtige Strategien brauche es häufig die Expertise und die Perspektive aus verschiedenen Fachrichtungen, Blickwinkeln und Verwaltungseinheiten. Es gebe heute kaum mehr ein Dossier, das wirklich nur ein einziges Departement betreffe. «Der Gesamtbundesrat als Kollegium muss seine Verantwortung wahrnehmen, sich zwingend als Team offensiv und konstruktiv um die wichtigen Themen mit grosser Tragweite kümmern und gemeinsam, departementsübergreifend die strategischen Prioritäten für die Weiterentwicklung unseres Landes setzen», mahnte Mäder. Kompetenzgerangel, parteipolitisches Taktieren und politisches Marketing hingegen würden keines der relevanten Probleme wirklich lösen.
Wie falsch oder gar gefährlich ein verengter Blick aus dem eigenen Gärtchen sein kann, illustrierte Christoph Mäder anhand der Energiepolitik, der Sicherheitspolitik und der Europapolitik. Auch in der Altersvorsorge stehen Wirtschaft und Gesellschaft vor grossen Herausforderungen.
Mit Bezug auf die eidgenössischen Wahlen im kommenden Herbst sagte Christoph Mäder: «Die Parteien von links bis rechts sollten nicht in einer Endlosschlaufe von Problembewirtschaftungen verharren, sondern konstruktiv mitarbeiten an Lösungen zum Wohle unseres Wirtschaftsstandorts, der Arbeitsplätze und der Menschen in unserem Land. Nur mit einer lösungsorientierten Zusammenarbeit aller Stakeholder schaffen wir Wohlstand und soziale Sicherheit.»