Kreislaufwirtschaft: Die Position der Wirtschaft
Politische Diskussionen im Bereich Kreislaufwirtschaft
Entwicklungen weltweit und in der Europäischen Union
Kreislaufwirtschaft steht nicht nur in der Schweizer Politik immer höher auf der Agenda, global wird sie ebenfalls auf hoher Ebene thematisiert. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) etwa betreibt eine Zirkularitätsplattform zur Förderung nachhaltiger Konsum- und Produktionsmuster. Auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) betreibt ein eigenes RE-CIRCLE-Projekt, das darauf abzielt, die Auswirkungen von Kreislaufmassnahmen zu quantifizieren, um damit OECD-Mitgliedsländer sowie Schwellenländer zu unterstützen.
Die Europäische Kommission hatte 2015 einen Aktionsplan lanciert, der dazu beitragen sollte, den Übergang Europas zu einer Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen. Der Aktionsplan beinhaltete Massnahmen in diversen Bereichen (z. B. Konsum, Produktion, Abfallwirtschaft oder Märkte für Sekundärrohstoffe), die jedoch zumeist dem klassischen Abfallmanagement zuzuschreiben waren. Im 1. Quartal 2020 wurde ein neuer Aktionsplan vorgestellt, der Teil des European Green Deals sein wird. Aufbauend auf dem Aktionsplan von 2015 wird im neuen Plan eine Reihe von Initiativen vorgeschlagen, die sich auf den gesamten «Lebenszyklus von Produkten» konzentrieren. So liegt der Fokus auf dem Design der Produkte, der Art und Weise, wie diese entworfen werden, der Förderung zirkulärer Wirtschaftsprozesse und der Förderung nachhaltigen Konsums. Das Ziel dabei ist sicherzustellen, dass die eingesetzten Ressourcen so lange wie möglich in der EU-Wirtschaft verbleiben. Die EU-Kommission bezeichnet den Aktionsplan deshalb als einen der wichtigsten Bausteine des europäischen Green Deals. Der europäische Green Deal ist ein von der EU-Kommission Ende 2019 vorgestelltes Konzept mit dem Ziel, bis 2050 in der EU die Nettoemissionen von Treibhausgasen auf null zu reduzieren und somit als erster Kontinent klimaneutral zu werden. Gleichzeitig soll der Green Deal die Wirtschaft ankurbeln.
Entwicklungen in der Schweiz
Das Prinzip der Kreislaufwirtschaft ist nicht neu für das Schweizer Grundverständnis. Der Artikel 73 der Bundesverfassung hält fest: «Bund und Kantone streben ein auf Dauer ausgewogenes Verhältnis zwischen der Natur und ihrer Erneuerungsfähigkeit einerseits und ihrer Beanspruchung durch den Menschen anderseits an.» Das Potenzial im Bereich Recycling wurde in der Vergangenheit auch bereits gut genutzt, wie weiter oben aufgezeichnet ist. Trotzdem hat der Bundesrat an seiner Sitzung vom 19. Juni 2020 entschieden, künftig einen grösseren Fokus auf die Verbesserung der Ressourceneffizienz und die Förderung der Kreislaufwirtschaft allgemein zu legen. Er hat das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) beauftragt, bis Ende 2022 Vorschläge für ein entsprechendes Massnahmenpaket zu unterbreiten. Bereits heute ist das Bundesamt für Umwelt (BAFU) daran, eine «Abfallvermeidungsstrategie» auszuarbeiten, die Ende 2020 verabschiedet werden soll. Abfallvermeidung wird in diesem Zusammenhang als «das Resultat der effizienten und effektiven Nutzung von Rohstoffen entlang der gesamten Wertschöpfungskette» definiert. Es sollen die zentralen Ansatzpunkte für Massnahmen staatlichen und privaten Handelns identifiziert werden, wobei das Prinzip der Subsidiarität gilt. Der konkrete Einsatz der Strategie ist noch nicht geklärt.
Parallel dazu wird im Parlament intensiv zum Thema Kreislaufwirtschaft debattiert. Im September 2020 waren über 40 parlamentarische Vorstösse hängig. Die Forderungen betreffen das Handling einzelner Produkteklassen wie Plastik (siehe Box unten), Schlachtabfälle oder Zigarettenfilter. Es bestehen aber auch systemische Forderungen wie längere Gerätelebensdauer durch längere Garantiefristen, bessere Verfügbarkeit von Ersatzteilen für Produkte, Kennzeichnung der Mindestnutzungsdauer von Produkten oder die Einführung der Beweislastumkehr im Bereich der Kreislaufwirtschaft.
Verschiedene Anliegen aus mehreren parlamentarischen Initiativen zum Thema hat die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrats (UREK-N) am 20. Mai 2020 zu einer Kommissionsinitiative gebündelt. Damit verfolgt die UREK-N das übergeordnete Ziel, den Konsum ökologischer zu gestalten, Stoffkreisläufe zu schliessen und dadurch die Umweltbelastung massgeblich zu reduzieren. Änderungen im Umweltschutzgesetz sollen die Rahmenbedingungen schaffen, um eine dauerhafte Verbesserung der Ressourceneffizienz zu erreichen. Die Umweltkommission des Ständerats (UREK-S) unterstützt die Initiative ihrer Schwesterkommission zur Stärkung der Kreislaufwirtschaft. Darum wurde beschlossen, für die weiteren Beratungen eine Subkommission einzusetzen. Diese soll die verschiedenen Anliegen der Initiative vertieft prüfen und mit dem Einbezug von betroffenen Branchen einen Vorentwurf zuhanden der Plenarkommission ausarbeiten.
Fallbeispiel Plastik
In der Schweiz werden grosse Mengen an Kunststoffen verwendet – rund eine Million Tonnen pro Jahr –, was in den letzten Jahren zu hitzigen Debatten in der Gesellschaft führte. Im Fokus standen Themen wie die Verwendung von Plastiksäckli im Detailhandel, der Eintrag von Mikroplastik in die Umwelt oder die Forderung nach einem umfassenden Plastikrecycling. Doch die Plastiksituation in der Schweiz bedarf einer differenzierten Betrachtung, wie folgende Analyse zeigt.
Ausgangssituation
Jährlich entstehen in der Schweiz rund 780‘000 Tonnen Kunststoffabfälle. Da die Schweiz im Gegensatz zu vielen anderen Ländern seit dem Jahr 2000 keine brennbaren Abfälle mehr deponiert, werden Kunststoffabfälle stofflich oder energetisch verwertet. Derzeit werden über 80 Prozent dieser Abfälle in Kehrichtverbrennungsanlagen thermisch und gut sechs Prozent in Zementwerken stofflich-thermisch verwertet. Rund 80‘000 Tonnen Kunststoff werden pro Jahr in der Schweiz rezykliert. Nach Schätzung des BAFU verbleiben rund 14'000 Tonnen, die in Böden und Gewässer gelangen – unter anderem in Form von Mikroplastik (Partikel kleiner als fünf Millimeter).
Mikroplastik
Die Befürchtung besteht, dass Mikroplastik nachteilige Wirkungen auf Gesundheit und Umwelt haben könnte. Die grössten Quellen für Mikroplastik sind der Abrieb und die Zersetzung von Kunststoffprodukten, vor allem von Autoreifen, Kunststofffolien und weiteren Produkten aus der Bau- und Landwirtschaft. Eine Untersuchung zeigt jedoch, dass in der Schweiz (wie auch in ganz Europa) zumindest für die Umwelt momentan keine Gefahr besteht, da die tatsächlich gemessenen Konzentrationen an Mikroplastik in den bis jetzt untersuchten Gewässern deutlich unter den von Forschenden ermittelten Schwellenwerten liegen.
Separate Sammlung von gemischten Kunststoffabfällen
Es gibt regelmässig parlamentarische Vorstösse, welche die Separatsammlung in der ganzen Schweiz verpflichtend einführen wollen. Zudem lancieren immer mehr Gemeinden und Unternehmen eigene Projekte und verkaufen Gemischt-Kunststoffsammelsäcke. Darin kann der Konsument zusätzliche Kunststoffverpackungen sammeln. Die Erwartung der Nutzer, dass der so gesammelte, gemischte Plastik wiederverwertet wird und sich somit der Umweltschaden minimieren lasse, ist jedoch meist falsch. Oft handelt es sich beim Sammelgut um minderwertige Verpackungen aus Verbundstoffen, sodass nur ein kleinerer Teil der Plastikabfälle effektiv stofflich rezykliert werden kann. [1][2] Der grössere Teil könnte nach der Sortierung stofflich-thermisch in Zementwerken verwertet werden, womit die CO2-Emissionen der Schweiz reduziert werden könnten. Oft werden sie aber lediglich der reinen Verbrennung in KVA zugeführt. Damit ergeben sich auch unnötige Transportkilometer, die vermieden werden könnten.
Für PET-Getränkeflaschen existiert hingegen seit Langem ein gut funktionierendes Separatsammelsystem, bei dem ein hochwertiges Bottle-to-Bottle-Recycling möglich ist. Eine Sammlung von gemischten Kunststoffabfällen kann jedoch die Qualität des PET-Sammelguts beeinträchtigen.
Sinn und Zweck einer separaten Kunststoffsammlung sollte in einem klar erkennbaren ökologischen und wirtschaftlichen Nutzen liegen. Stets muss aber bei staatlichen Sammlungen der Nutzen den effektiven Kosten gegenübergestellt werden. Anders ist dies bei privaten Initiativen. Solche werden nicht umgesetzt, wenn der positive Effekt nicht gegeben ist.
Verpackungen
Die häufigste Verwendungsart für Plastik sind Verpackungen. Verpackungen sind in der öffentlichen Wahrnehmung stark präsent und werden von Konsumentinnen und Konsumenten oftmals als unnötig empfunden.
Die Verpackung macht allerdings in der Regel nur einen kleinen Teil der Gesamtumweltbelastung eines Produkts aus. Ausserdem fällt der Nutzen einer Plastikverpackung in den meisten Fällen höher aus als deren Belastung durch Herstellung und Verwertung. Kunststoff vereint viele gefragte und nützliche Eigenschaften: leicht, gut formbar, nicht leitend, vielseitig einsetzbar usw. und erfüllt damit viele Funktionen, so etwa in Bezug auf Lager und Transport, Schutz und Haltbarkeit sowie Dosierung und Portionierung. Kunststoffverpackungen halten Lebensmittel länger frisch und helfen damit, Food Waste zu reduzieren. Ausserdem kombiniert Kunststoff hohe Festigkeit mit einem geringen Gewicht, was sich beim Transportgewicht und damit beim Treibstoffbedarf positiv auswirkt.
Da in der Schweiz Verpackungen (mit Ausnahme von Littering) in der Regel korrekt entsorgt und stofflich oder thermisch verwertet werden, gelangt nur ein kleiner Anteil davon in die Umwelt. Vor diesem Hintergrund erachtet der Bundesrat eine Norm mit prozentualen Grenzwerten für Plastikverpackungen derzeit als nicht zielführend. Ebenfalls ist es nicht sinnvoll, lediglich auf die stoffliche Verwertung zu achten und diesbezüglich quantitative Vorgaben zu machen. Auch alle Energieflüsse müssen berücksichtigt werden und nicht selten ist eine stofflich-thermische oder gar eine rein thermische Verwertung einer maximalen stofflichen Verwertung überlegen. Der Bundesrat erachtet es nicht als sinnvoll, den Detailhandel zu verpflichten, Plastiksäcke durch kompostierbare Säcke zu ersetzen. Kompostierbare Plastiksäcke weisen im Vergleich zu Kunststoff- oder Papiersäcken eine schlechtere ökologische Gesamtbilanz auf. Dies zeigt unter anderem eine Studie der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) aus dem Jahr 2014.
Trotzdem gibt es Beispiele, in denen sich Verpackungen vermeiden lassen und dies sowohl ökologisch als auch ökonomisch sinnvoll ist.