Die Per­so­nen­frei­zü­gig­keit hat zu bes­ser qua­li­fi­zier­ten Ar­beits­kräf­ten ge­führt

Mit Ein­füh­rung der Per­so­nen­frei­zü­gig­keit sind seit 2010 mehr Per­so­nen mit einer hö­he­ren Be­rufs­aus­bil­dung in die Schweiz ein­ge­wan­dert. Die In­iti­an­ten der Kün­di­gungs­in­itia­ti­ve be­haup­ten das Ge­gen­teil: Nur jede fünf­te zu­ge­wan­der­te Per­son ar­bei­te in einem Beruf mit Fach­kräf­te­man­gel. Es kämen zu viele Un­qua­li­fi­zier­te in unser Land. Dass dem nicht so ist, be­le­gen di­ver­se Sta­tis­ti­ken, und die Zah­len sind klar und gar nicht so schwer zu ver­ste­hen. Es geht den In­iti­an­ten um etwas an­de­res.

Unser Ar­beits­markt hat eine star­ke Nach­fra­ge nach Fach­kräf­ten. Dank der Frei­zü­gig­keit mit der EU kann die­ser durch aus­län­di­sche Fach­kräf­te wo nötig er­gänzt wer­den. In den letz­ten Jah­ren ver­füg­ten 38 Pro­zent der Ein­ge­wan­der­ten über eine ter­tiä­re Aus­bil­dung – sprich Ab­schluss einer Uni­ver­si­tät oder Fach­hoch­schu­le. Trotz­dem be­steht in un­se­rem Land wei­ter­hin ein Man­gel an Fach­kräf­ten – so in Me­di­zin, In­for­ma­tik oder im In­ge­nieur­we­sen. Der hie­si­ge Ar­beits­markt hat sich dank der Frei­zü­gig­keit mit den eu­ro­päi­schen Län­dern in den letz­ten Jah­ren po­si­tiv ver­än­dert.

Dank der Frei­zü­gig­keit ist die Ex­port­na­ti­on Schweiz im in­ter­na­tio­na­len Kon­kur­renz­kampf bes­ser auf­ge­stellt.

Ver­füg­ten alle Ar­beits­kräf­te in der Schweiz im Jahr 2000 zu rund 29 Pro­zent über eine ter­tiä­re Aus­bil­dung, waren es im Jahr 2018 be­reits 38 Pro­zent. Zu die­ser Ent­wick­lung hat die Zu­wan­de­rung bei­ge­tra­gen. Das ist wich­tig, denn nur mit ge­nü­gend gut qua­li­fi­zier­ten Fach­kräf­ten kann eine in­no­va­ti­ons­ba­sier­te Ex­port­na­ti­on wie die Schweiz im in­ter­na­tio­na­len Kon­kur­renz­kampf be­ste­hen. Die In­iti­an­ten der Kün­di­gungs­in­itia­ti­ve wol­len nun die Per­so­nen­frei­zü­gig­keit auf­he­ben und die Zu­wan­de­rung mit neuen Re­geln – sprich staat­li­cher Bü­ro­kra­tie – ziel­los be­gren­zen. Diese Be­gren­zung soll ge­mäss In­iti­an­ten vor allem bei den Tief­qua­li­fi­zier­ten an­set­zen. Ein Arzt oder eine In­ge­nieu­rin soll also wei­ter­hin in die Schweiz kom­men, nicht aber ein Bau­ar­bei­ter oder eine Ser­vice­an­ge­stell­te. Ich fände das falsch. Wir brau­chen in der Schweiz nicht nur Topqua­li­fi­zier­te. Denn wer soll un­se­re Häu­ser bauen, Gleis­an­la­gen re­pa­rie­ren, in Ho­tels und Re­stau­rants Gäste be­die­nen oder den Schicht­be­trieb in der In­dus­trie leis­ten? Das sind harte Jobs, die Schwei­ze­rin­nen und Schwei­zer je län­ger je we­ni­ger ge­willt sind aus­zu­üben.

In der Schweiz wer­den auch Ar­beits­kräf­te mit tie­fe­rer Be­rufs­qua­li­fi­ka­ti­on ge­braucht.

Ein Blick auf die Sta­tis­ti­ken zeigt, dass auch bei Ar­beits­stel­len mit tie­fe­ren An­for­de­run­gen an die Be­rufs­qua­li­fi­ka­ti­on ein Man­gel be­steht. In den letz­ten Jah­ren sind vor allem aus Süd­eu­ro­pa Per­so­nen für sol­che Jobs in die Schweiz ge­kom­men. Die Ar­beits­kräf­te aus die­sem Raum haben zu 38 Pro­zent keine Be­rufs­aus­bil­dung. Das liegt daran, dass die Schweiz bei der Ein­füh­rung der Frei­zü­gig­keit die Kon­tin­gen­te für Per­so­nen aus Dritt­staa­ten re­du­zier­te. Es kamen ent­spre­chend mehr Per­so­nen aus Süd­eu­ro­pa in unser Land für Jobs, bei denen eine tie­fe­re Aus­bil­dung aus­reicht.

Der An­teil tie­fer Qua­li­fi­zier­ter an der ge­sam­ten Zu­wan­de­rung hat stark ab­ge­nom­men.

Ins­ge­samt haben aber nur 17 Pro­zent aller Ar­beits­kräf­te aus dem EU- und Efta-Raum keine Be­rufs­aus­bil­dung (2018). Es fällt auf, dass die­ser An­teil stark ge­sun­ken ist: Vor der Frei­zü­gig­keit hat­ten 32 Pro­zent der ein­ge­wan­der­ten Ar­beits­kräf­te aus die­sen Län­dern keine Aus­bil­dung nach der ob­li­ga­to­ri­schen Schu­le, fast dop­pelt so viel wie 2018. Die In­iti­an­ten be­to­nen un­er­müd­lich, dass be­son­ders die tief qua­li­fi­zier­ten Ar­beits­kräf­te aus dem Aus­land ein gros­ses Pro­blem dar­stel­len wegen der hö­he­ren Ar­beits­lo­sen­quo­te. Es stimmt, dass diese Be­völ­ke­rungs­grup­pe viel stär­ker von Ar­beits­lo­sig­keit be­trof­fen ist. Doch das liegt daran, dass diese eben in Bran­chen ar­bei­tet, die ins­ge­samt eine hö­he­re Ar­beits­lo­sig­keit auf­wei­sen – die die dort ar­bei­ten­den Schwei­ze­rin­nen und Schwei­zer glei­cher­mas­sen trifft. Es ist nun mal so, dass je­mand ohne Be­rufs­aus­bil­dung ein grös­se­res Ri­si­ko hat, ar­beits­los zu wer­den. Da tie­fer Qua­li­fi­zier­te wie alle in die Ar­beits­lo­sen­ver­si­che­rung ein­zah­len, sol­len sie bei Job­ver­lust auch Ar­beits­lo­sen­gel­der be­zie­hen. Das finde ich in Ord­nung – man sagt dem so­zia­le Markt­wirt­schaft. Wer daher bei den In­iti­an­ten der Kün­di­gungs­in­itia­ti­ve über die hö­he­re Ar­beits­lo­sig­keit der tie­fer­qua­li­fi­zier­ten Ar­beits­kräf­te her­zieht, hat mög­li­cher­wei­se nicht nur mit den Fak­ten, son­dern auch mit der so­zia­len Markt­wirt­schaft Mühe.