# 9 / 2016
30.09.2016

Unternehmenssteuerreform III – Werkzeugkasten für die Kantone

Worum geht es?

International tätige Unternehmen werden in den Kantonen nach Sonderregeln besteuert. Rund 24’000 Unternehmen mit etwa 150’000 Beschäftigten sind heute der Sonderbesteuerung unterstellt. Zu den Unternehmen gehören Gesellschaften ausländischer Konzerne, aber auch viele Schweizer Firmen. Firmen ohne Geschäftstätigkeit, deren Zweck vor allem im Halten von Beteiligungen besteht, unterstehen dem Holding-Status. Firmen, die in der Schweiz vor allem eine Verwaltungstätigkeit ausüben und daneben geringfügig geschäftstätig sind, haben den Status einer gemischten Gesellschaft. Vor allem Letztere sind für die Schweizer Volkswirtschaft, aber auch für den Fiskus bedeutend. So sind sie für fast 50 Prozent der gesamten privaten Forschungs- und Entwicklungsausgaben verantwortlich (etwa 6 Milliarden Franken). Ihre Beschäftigungswirkung ist gross, da mit jedem direkt Angestellten schätzungsweise 1,6 Arbeitsplätze ausserhalb dieser Gesellschaften verknüpft sind. Viele KMU wie etwa Finanzdienstleistungs- und Beratungsunternehmen profitieren massgeblich von der Nachfrage spezialbesteuerter Firmen.

Der Bund gewährt diesen Firmen keine steuerliche Ermässigung. Deshalb profitiert er finanziell enorm von den kantonalen Sonderregeln. Obwohl sie nur sieben Prozent der Unternehmen ausmachen, tragen Firmen mit Sonderbesteuerung fast die Hälfte zu den Gewinnsteuereinnahmen des Bundes bei (siehe Grafik 1). Bei Bund und Kantonen zusammen liefern die Statusgesellschaften rund 5,4 Milliarden Franken Gewinnsteuern ab. Durch weitere Steuerbeiträge (Kapitalsteuer, Immobilien- und Grundstückgewinnsteuern, Mehrwertsteuer), erhebliche Sozialversicherungsabgaben und die Einkommenssteuer der Beschäftigten leisten diese Gesellschaften weitere Milliardenbeträge an den Staat.

Internationale Entwicklungen erfordern Anpassungen

Entwicklungen im Steuerbereich – in der EU und in der OECD – haben dazu geführt, dass die Schweizer Steuerregeln in die Kritik geraten sind. Dass ausländische Gewinne tiefer besteuert werden als inländische Gewinne, wird international nicht mehr akzeptiert. Ohne Anpassungen müssen von der Schweiz aus tätige Unternehmen im Ausland mit Sanktionen und Doppelbesteuerungen rechnen. Um den international tätigen Unternehmen verlässliche Rahmenbedingungen zu bieten, muss die Schweiz ihre Regeln anpassen. Unsicherheiten über die Zukunft der Schweizer Unternehmensbesteuerung schaden dem Standort und haben seine Attraktivität bereits geschwächt. («NZZ» vom 17.4.2015, Alarmsignal für den Standort)

Der Vorlage zur USR III ist ein mehrjähriger Planungsprozess vorausgegangen. Bund und Kantone haben alle Möglichkeiten ausgelotet und ein realistisches Paket geschnürt, das sowohl finanziell tragbar als auch von den Massnahmen her wirksam ist. Das Parlament hat die Vorlage ein Jahr lang gründlich beraten und im Sommer 2016 abgeschlossen. Ergebnis ist ein ausgewogener Kompromiss und eine auf die Problemstellung fokussierte Vorlage, die eng auf die Anliegen der Kantone ausgerichtet ist.

Steuerdialog EU/OECD BEPS: vorauseilender Gehorsam?

Bereits 1997 haben sich die EU-Staaten in einem Verhaltenskodex (Code of Conduct for business taxation) verpflichtet, wettbewerbsschädliche Praktiken im Bereich der Unternehmenssteuern zu unterlassen. Seither wurden in der EU verschiedenste Steuerregimes abgeschafft und gleichzeitig neue akzeptierte Modelle wie z. B. Lizenz- oder Patentboxen eingeführt. Als Nicht-EU-Mitglied hat dieser Kodex für die Schweiz keine Gültigkeit. Die EU-Kommission kritisierte die kantonalen Steuerregimes jedoch als selektive Begünstigung gewisser Unternehmen («staatliche Beihilfe»), was die Freihandelsvereinbarung zwischen der Schweiz und der EU verletze. Der Bundesrat hat diese Interpretation stets abgelehnt – das Freihandelsabkommen regelt den Warenverkehr, nicht jedoch die Unternehmenssteuern –, sich jedoch für einen Dialog offen gezeigt. Im Dezember 2012 stellte die EU für Drittstaaten mit als schädlich betrachteten Steuerregimes eine «schwarze Liste» und die Aufkündigung von Doppelbesteuerungsabkommen in Aussicht. Mit der Vorlage zur USR III hat sich der «Steuerstreit» entspannt. Am 14. Oktober 2014 haben die Schweiz und die 28 EU-Mitgliedsstaaten eine gemeinsame Verständigung unterzeichnet. Die Schweiz wird sich künftig an den internationalen Standards der OECD ausrichten und die EU wird im Gegenzug auf Gegenmassnahmen verzichten.

Auch in der OECD sind schädliche Steuerregimes seit Längerem ein Thema, aktuell im Rahmen des Projekts gegen Gewinnverkürzung und -verlagerung (Base Erosion and Profit Shifting, BEPS). Im Gegensatz zu den EU-Normen gelten die Regeln der OECD global. Die Schweiz ist in den Gremien der OECD aktiv und setzt sich für «gleich lange Spiesse» ein. Die heutigen Schweizer Steuerregeln entsprechen nicht mehr den OECD-Kriterien. Die OECD hat jedoch anerkannt, dass die Schweiz diese Regeln im Rahmen der USR III abschaffen will. Soll die internationale Akzeptanz der Unternehmensbesteuerung gesichert werden, führt kein Weg daran vorbei, dass die Schweiz ihr Steuersystem gemäss den OECD-Standards weiterentwickelt.

Mobile Tätigkeiten: intensiver Steuerwettbewerb

Internationale Konzerne sind in einer Vielzahl von Ländern tätig. Zahlreiche Tätigkeiten sind an einen bestimmten Standort gebunden. Beispielsweise wenn es darum geht, bestimmte Märkte zu erschliessen oder lokale Arbeitskräfte, Zulieferer und Rohstoffe zu nutzen. Aktivitäten dieser Art sind weitgehend immobil.

Andere Aktivitäten sind nicht ortsgebunden. Dazu gehören die Konzernleitung (Headquarter), das Halten von Beteiligungen (Holding), die Verwaltung von Immaterialgüterrechten (Lizenzen), die Konzernfinanzierung (Treasury, Cash Pooling) oder der internationale Grosshandel. Unternehmen sind frei, solche Aktivitäten dort anzusiedeln, wo die Standortbedingungen am besten sind. Wichtige Standortfaktoren für mobile Aktivitäten sind ein gutes Bildungssystem, die Verfügbarkeit von in- und ausländischen Fachkräften, das Vorhandensein von Forschungseinrichtungen und Technologieclustern, ein leistungsfähiges Finanzsystem, politische Stabilität, Rechts- und Planungssicherheit sowie ein attraktives Steuersystem.

Die Schweiz bietet für mobile Tätigkeiten viele Vorteile. Die Zahl internationaler Konzerne in der Schweiz ist entsprechend hoch. Gerade um die Ansiedlung mobiler Funktionen herrscht international aber auch ein harter Wettbewerb. Konkurrenzstandorte sind je nach Aktivität insbesondere Grossbritannien, Irland, die Beneluxstaaten sowie Hongkong und Singapur. Diese Länder verfügen über vergleichbar gute Standortfaktoren, sind aber in der Regel kostengünstiger bei Löhnen und Immobilien als die Schweiz.