Kli­ma­po­li­tik: Die Schweiz muss ihren Schwer­punkt dort legen, wo sie etwas be­we­gen kann

Die Auf­re­gung ei­ni­ger Ex­po­nen­ten war gross, als Bun­des­rat Al­bert Rösti an­läss­lich des Kli­ma­gip­fels COP in Dubai be­stä­tig­te, dass die Schweiz fort­an nicht mehr bei der Ko­ali­ti­on der hoch am­bi­tio­nier­ten Län­der dabei sei. Der Kli­ma­st­reik ver­stieg sich sogar zur Aus­sa­ge, unser Um­welt­mi­nis­ter be­ge­he damit «kli­ma­po­li­ti­schen Hoch­ver­rat».

Neben der Tat­sa­che, dass nicht Bun­des­rat Rösti, son­dern seine als «Um­welt-Turbo» be­kann­te Vor­gän­ge­rin Som­maru­ga die­sen Ent­scheid in die Wege ge­lei­tet hatte, drän­gen sich auch in­halt­li­che Fra­ge­zei­chen an die­ser Kri­tik auf. Laut dem De­par­te­ment war näm­lich der zu­neh­men­de Fokus der Ko­ali­ti­on auf «Fi­nan­zie­rungs­fra­gen» aus­schlag­ge­bend für den Aus­tritt der Schweiz. Diese Fi­nan­zie­rungs­fra­gen lohnt es sich, ge­nau­er unter die Lupe zu neh­men.

Ein Haupt­the­ma der in­ter­na­tio­na­len Kli­ma­de­bat­te ist der Um­gang mit so­ge­nann­ten «los­ses and da­mages», also wer für die durch den Kli­ma­wan­del ver­ur­sach­ten Schä­den ge­ra­de­ste­hen muss. Die Grund­pro­ble­ma­tik ist, dass die­je­ni­gen Län­der, die am meis­ten vom Kli­ma­wan­del be­trof­fen sind (z.B. vom wort­wört­li­chen Un­ter­gang be­droh­te In­sel­staa­ten), nicht die­je­ni­gen sind, die his­to­risch am meis­ten Treib­haus­ga­se aus­ge­stos­sen haben. Durch einen Fi­nan­zie­rungs­fonds, der von In­dus­trie­na­tio­nen ge­äuf­net wird, sol­len sol­che Schä­den zum Teil aus­ge­gli­chen wer­den.

In der Theo­rie ist es klar, wie so ein Fonds fi­nan­ziert wer­den müss­te: Nach dem Ver­ur­sa­cher­prin­zip müss­te jedes Land nach Mass­ga­be sei­ner ku­mu­lier­ten, his­to­ri­schen Emis­sio­nen ein­zah­len. Ak­tu­ell müss­ten die USA ca. 25% und die EU 22% der Kos­ten schul­tern, aber auch China stün­de mit 13%, Russ­land mit 6% oder In­di­en mit 3% in der Pflicht. Das Ver­hält­nis ver­schiebt sich je­doch: Auf­grund des schnel­len Auf­ho­lens der Schwel­len­län­der wäre wohl be­reits 2030 z.B. China zu hö­he­ren Bei­trä­gen ver­pflich­tet als die EU und sogar fast als die USA.

In der Pra­xis pas­siert je­doch, was be­reits zu oft in der mul­ti­la­te­ra­len Kli­ma­po­li­tik pas­siert ist: Na­tio­na­le Ei­gen­in­ter­es­sen neh­men die Sach­po­li­tik in Gei­sel­haft. Der Kampf gegen den Kli­ma­wan­del hat das Nach­se­hen. Kon­kret wei­gern sich hoch-emit­tie­ren­de Ent­wick­lungs­län­der in den Fonds ein­zu­zah­len. Das ist aus drei Grün­den pro­ble­ma­tisch:

  • Ers­tens ist ein Fonds auf diese Weise nicht mehr­heits­fä­hig. Statt einen grif­fi­gen Haft­pflicht­me­cha­nis­mus zu eta­blie­ren, sam­melt der Fonds darum nur Al­mo­sen. Die vul­nera­bels­ten Län­der blei­ben auf ihren Schä­den sit­zen.
  • Zwei­tens geht wert­vol­le Zeit ver­lo­ren. Statt sich dar­auf zu fo­kus­sie­ren, den Kli­ma­wan­del durch In­no­va­ti­on und Ver­mei­dung mög­lichst ge­ring zu hal­ten, nimmt die Fi­nan­zie­rungs­fra­ge fast den gan­zen Raum ein.
  • Drit­tens wird der Aus­stoss von Treib­haus­ga­sen im­pli­zit als «Auf­hol­recht» le­gi­ti­miert. Dass es so der Aus­stieg aus den fos­si­len En­er­gi­en nicht in den Ab­schluss­text schaff­te, über­rascht kaum.

Bild­lich ge­spro­chen steigt uns das Was­ser bis zum Hals, aber an­statt den Hahn zu­zu­dre­hen, strei­ten wir uns vor allem darum, wer den Was­ser­scha­den zahlt. Vor die­sem Hin­ter­grund ist es nicht nur ver­ständ­lich, son­dern rich­tig, dass die Schweiz ihren Schwer­punkt dort legt, wo sie etwas be­we­gen kann. Ihr Be­kennt­nis zum Aus­stieg aus den fos­si­len En­er­gi­en, das sie in Dubai ge­leis­tet hat, ist viel mehr wert als die Teil­nah­me in einer Ko­ali­ti­on, die in einer Sack­gas­se ma­nö­vriert.

 

Die Erst­pu­bli­ka­ti­on die­ses Bei­trags er­folg­te am 15. De­zem­ber 2023 im Tages-An­zei­ger.