KI in der Schweiz: Gute Rahmenbedingungen mit bewährten Instrumenten
- Introduction Executive summary | Positions of economiesuisse
- Chapter 1 Einführung /Ausgangslange
- Chapter 2 Was versteht man unter KI?
- Chapter 3 Regulatorische Spannungsfelder
- Chapter 4 Internationale Entwicklungen
- Chapter 5 Diskussion in der Schweiz
Diskussion in der Schweiz
Politische Diskussion
Der Bundesrat hat bereits 2019 einen Bericht über KI veröffentlicht, in dem er die Chancen und Herausforderungen der Technologie beleuchtet hat. Er betont darin, dass die Schweiz eine führende Rolle bei der Entwicklung und Nutzung von KI einnehmen soll, aber auch die damit verbundenen ethischen, rechtlichen und sozialen Fragen berücksichtigen muss. In Bezug auf die Regulierung von KI hat der Bundesrat eine vorsichtige und differenzierte Herangehensweise empfohlen. Er bevorzugt dabei freiwillige Selbstregulierung und ethische Richtlinien, um den Einsatz von KI zu fördern. Gleichzeitig anerkennt der Bundesrat jedoch die Notwendigkeit, bestimmte Bereiche der KI durch gesetzliche Bestimmungen zu regeln, insbesondere wenn es um Risiken für die Sicherheit, Privatsphäre oder den Schutz der Grundrechte der Menschen geht.
Am 22. November 2023 hat der Bundesrat entschieden, Regulierungsansätze für Künstliche Intelligenz prüfen zu lassen. Er will dabei gleichzeitig den positiven Nutzen von KI fördern und allfällige Risiken minimieren. Der nun beim Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation angeforderte Bericht soll bis Ende 2024 vorliegen und verschiedene Ansätze aufzeigen, die mit den bis dann geltenden internationalen Vorgaben kompatibel sind. Der Bericht wird die Basis für den Auftrag einer konkreten Regulierungsvorlage KI 2025 sein.
Im Schweizer Parlament gab es in den vergangenen Sessionen diverse Vorstösse in Bezug auf KI. Verschiedene parlamentarische Initiativen wurden eingereicht, um die rechtlichen Rahmenbedingungen für deren Einsatz zu klären und möglicherweise spezifische Regulierungen einzuführen. Diese Vorstösse haben ganz unterschiedliche Zielsetzungen: Einige zielen darauf ab, den Schutz der Privatsphäre zu gewährleisten, die Transparenz von KI-Systemen zu fördern, die Haftung für fehlerhafte Entscheidungen zu gewährleisten oder Deep Fakes zu regulieren. Andere gehen so weit, dass sie für gewisse Anwendungsformen eine Aufsicht oder gar ein Moratorium fordern une es wird auch der Wunsch laut, sich an der Regulierung in der EU zu orientieren.
Aus Sicht der Wirtschaft zeigen solche Vorstösse auf, dass eine Diskussion über die Möglichkeiten und Risiken von KI wichtig ist. Gleichzeitig belegen die unterschiedlichen Stossrichtungen dieser Vorstösse aber auch, dass eine vorschnelle und umfassende KI-Regulierung der falsche Lösungsansatz wäre. Es gilt vielmehr, die Entwicklungen eng zu verfolgen und dabei gezielt zu analysieren, wie weit es spezifische Lücken im Rechtssystem gibt, welche es zu füllen gilt. So scheinen viele bestehende Gesetze durch ihre Technologieneutralität zurzeit gute Lösungen auf die aktuellen Entwicklungen anzubieten und es wird an den Gerichten liegen, auf der Basis konkreter Fälle und unter Anwendung der generell abstrakten Normen eine Praxis zu entwickeln. Bloss in denjenigen Gebieten, in denen klar identifizierte Gesetzeslücken bestehen oder zu grosse Rechtsunsicherheit besteht, sollten diese durch gezielte Eingriffe behoben werden.
Ein Beispiel für einen gelungenen Vorstoss ist die Motion Dobler, FDP (23.3201) «Rechtslage der künstlichen Intelligenz. Unsicherheiten klären, Innovation fördern!»
DLT-Vorlage
2019 stand der schweizerische Gesetzgeber bereits einmal vor der Herausforderung, eine neue Technologie regulatorisch zu erfassen. Die Technologie der verteilten Register (distributed ledger technology, DLT). Die damals entwickelte regulatorische Lösung hat in Bezug auf den regulatorischen Umgang mit neuen Technologien Vorbildcharakter. Statt eine eigentliche «Blockchain-Gesetzgebung» zu lancieren, wurde das DLT-Gesetz als Rahmengesetz konzipiert. Es wurden darin unterschiedliche Gesetze angepasst und ergänzt. Dabei gab es drei relevante Stossrichtungen: Erhöhung der Rechtssicherheit, Beseitigung von Hürden für Anwendungen, die auf DLT oder Blockchain basieren sowie Begrenzung neuer Risiken. Das Gesetz basierte auf den bestehenden Prinzipien unseres Rechtssystems und fand damit im Parlament breite Unterstützung. Die Umsetzung hat gezeigt, dass die Schweiz sich den Herausforderungen der technologischen Entwicklung stellen und auf Basis des bestehenden Rechts Innovation ermöglichen kann.
Position der Wirtschaft
Es ist zu früh, bereits jetzt konkrete regulatorische Eingriffe vorzunehmen. Eine übereilte Regulierung von KI hat negative Auswirkungen auf Innovation, Wettbewerb und die globale Zusammenarbeit. Gerade KMU würden durch eine solche Regulierung massiv belastet.
Die Wirtschaft möchte politischem Aktivismus eine klare Strategie für das weitere Vorgehen entgegenstellen. Gleichzeitig sieht auch sie Handlungsbedarf in gewissen Punkten. Wichtig ist jedoch, die Diskussion auf die relevanten Elemente zu fokussieren.
Das Schweizer Rechtssystem ist durch seine langen Entstehungsprozesse und seine Rechtstradition fundiert, durchdacht und nachhaltig. In den meisten Fällen muss ein Gesetz nicht grundlegend revidiert werden, da es von Beginn weg prinzipien- und risikobasiert sowie wettbewerbs- und technologieneutral ausgestaltet ist. Es schliesst somit auch vielfältige Entwicklungen – wie auch KI – bereits mit ein.
Eine umfassende gesetzliche Regulierung in Form eines KI-Gesetzes ist nicht nötig. KI als allgemeines neues «Phänomen» bzw. als neue technische Möglichkeit ist – wie jedes andere Phänomen auch – von der ganzen Rechtsordnung erfasst.
Die prinzipienbasierte Herangehensweise ermöglicht es deshalb grundsätzlich, auch rasante Entwicklungen wie KI mit dem geltenden Recht aufzufangen. Sie erlaubt den Unternehmen ausserdem, ihre neuen Produkte an den geltenden Rechtsgrundsätzen auszurichten.
Vielen Fragen im Zusammenhang mit KI dürfte damit ohne Anpassungen bereits heute mit den bestehenden Gesetzen begegnet werden können – beispielsweise im Datenschutzgesetz, im Zivilgesetzbuch, dem Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), dem Strafgesetzbuch usw. Betreibt jemand unlauteren Wettbewerb, so verstösst er auch dann gegen die einschlägigen Regeln des UWG, wenn er dies mithilfe von KI macht. Sollte wider Erwarten gestützt auf die geltende gesetzliche Regelung keine angemessene Lösung für eine bestimmte Anwendung mit KI gefunden werden, können solche Lücken gezielt gefüllt werden.
Einzelne solche zielführenden Bestimmungen finden sich heute schon in der schweizerischen Rechtsordnung. Prominentes Beispiel ist die im Zuge der jüngsten DSG-Revision eingefügte Bestimmung von Art. 21 insbesondere Abs. 1 DSG. Demgemäss ist die betroffene Person zu informieren, wenn eine Entscheidung ausschliesslich aufgrund einer automatisierten Bearbeitung von Daten basiert und für sie mit Rechtsfolgen verbunden ist oder sie erheblich beeinträchtigt. Dies wäre zum Beispiel bei einer ausschliesslich automatisierten Festlegung von Hypothekarzinsen einzelner Kunden der Fall.
Gestützt auf Erfahrungen im Umgang mit KI kann es sein, dass punktueller regulatorischer Bedarf erkannt wird, zum Beispiel, um ausreichende Rechtssicherheit im Hinblick auf im Massengeschäft taugliche Geschäftsmodelle zu generieren, ähnlich, wie dies beispielsweise bei der DLT-Gesetzgebung der Fall war. Soweit dieser Fall eintreten wird, sollten aber solche punktuellen regulatorischen Anpassungen möglichst flexibel ausgestaltet sein, um der hohen Dynamik der technischen Entwicklung rasch Rechnung tragen zu können.
Eine KI-spezifische Gesetzgebung – so insbesondere eine Regulierung entlang des Modells der EU – ist abzulehnen. Eine solche würde nicht der Historie der Schweizer Gesetzgebung entsprechen und wäre vermutlich ausserdem schon beim Inkrafttreten wieder veraltet.
Wenn die Schweiz auf Basis ihrer Rechtsetzungstradition klar identifizierte Lücken schliesst, so ist dies dem Vorgehen der EU, welche versucht, eine kaum fassbare Technologie zu regeln, überlegen. Eine eigenständige Regulierung lässt es der Schweiz offen, Entwicklungen zu ermöglichen und Rechtssicherheit zu schaffen. Gerade im internationalen Standortwettbewerb ist ein solches Vorgehen zu bevorzugen, da es flexible und technologieneutrale Lösungen ermöglicht, die den Bedürfnissen der Schweizer Wirtschaft gerecht werden.