Zartes Pflänzchen bei schwierigen Bedingungen

Das Schwei­zer Wirt­schafts­wachs­tum bleibt ein fra­gi­les Pflänz­chen

Nach dem doch an­spre­chen­den ers­ten Quar­tal 2023 trü­ben sich die kon­junk­tu­rel­len Aus­sich­ten für die zwei­te Jah­res­hälf­te ein. eco­no­mie­su­is­se geht davon aus, dass das Schwei­zer Brut­to­in­land­pro­dukt (BIP) 2023 ins­ge­samt um 0,6 Pro­zent zu­legt. Die Pro­gno­se vom De­zem­ber bleibt somit un­ver­än­dert. Auch 2024 wird kaum den er­hoff­ten Auf­schwung brin­gen. Zwar ist das In­fla­ti­ons­ni­veau in der Schweiz mit 2,7 Pro­zent in die­sem Jahr im Ver­gleich zum Aus­land tief, ver­än­dert sich aber kaum. Im In­land ver­hin­dert der an­hal­ten­de Ar­beits­kräf­te­man­gel ein grös­se­res Wachs­tum. Zwi­schen und in­ner­halb der Bran­chen wech­seln sich Licht und Schat­ten ab. Die Ar­beits­lo­sen­quo­te ver­bleibt bis auf Wei­te­res auf tie­fem Ni­veau.

Die In­fla­ti­on hält sich hart­nä­ckig. Wäh­rend En­er­gie und Nah­rungs­mit­tel im Jah­res­ver­gleich güns­ti­ger ge­wor­den sind, er­hö­hen sich die an­de­ren Prei­se auf brei­ter Front. So liegt ak­tu­ell die Kern­in­fla­ti­ons­ra­te in den USA höher als die Rate der durch­schnitt­li­chen Preis­ent­wick­lung. Auch in der EU sind die sin­ken­den Prei­se fast aus­schliess­lich auf den Rück­gang der vo­la­ti­len En­er­gie- und Nah­rungs­mit­tel­prei­se zu­rück­zu­füh­ren. Der­sel­be Ef­fekt ist auf deut­lich tie­fe­rem Ni­veau auch in der Schweiz zu be­ob­ach­ten. Ge­ra­de in den USA und in der EU ist die Lohn-Preis-Spi­ra­le be­reits weit fort­ge­schrit­ten und ver­hin­dert, dass die Prei­se ra­scher sin­ken. Die viel zu späte Re­ak­ti­on der gros­sen Zen­tral­ban­ken auf die an­zie­hen­den Prei­se rächt sich nun. Auch die jüngs­ten, star­ken Zins­er­hö­hun­gen haben bis jetzt noch keine Trend­um­kehr her­bei­füh­ren kön­nen.

Es zeigt sich zu­se­hends, dass In­fla­ti­ons­be­kämp­fung nicht gra­tis zu haben ist. Um die Teue­rung wie­der nach­hal­tig auf die Grös­sen­ord­nung von zwei Pro­zent zu drü­cken, wird eine schwä­che­re Wirt­schafts­ent­wick­lung nötig sein. In den USA sind be­reits ei­ni­ge An­zei­chen vor­han­den, die auf eine re­zes­si­ve Phase hin­deu­ten. Die Löhne wach­sen we­ni­ger stark als die In­fla­ti­on. Zudem wird der Pri­vat­kon­sum durch die stei­gen­den Zin­sen be­las­tet. Deutsch­land be­fin­det sich be­reits in der Re­zes­si­on. Das Wachs­tum in der Euro-Zone ist schwach. Von den gros­sen Wirt­schafts­blö­cken be­fin­det sich nur China im Auf­wind. Dort ist der Auf­hol­pro­zess nach den Co­ro­na-Ein­schrän­kun­gen noch im Gange, auch weil die Er­ho­lung spä­ter als in Eu­ro­pa und in den USA ein­ge­setzt hat. Die Lie­fer­eng­päs­se konn­ten stark, aber noch nicht voll­stän­dig ab­ge­baut wer­den. Auch die Trans­port­kos­ten sind deut­lich ge­sun­ken und mitt­ler­wei­le auf einem na­he­zu nor­ma­len Ni­veau an­ge­langt. Der noch vor Kur­zem deut­lich ein­ge­schränk­te Ost-West-Gü­ter­aus­tausch hat sich somit ein gutes Stück nor­ma­li­siert. Al­ler­dings ist das Preis­ni­veau höher als vor der Co­ro­na-Pan­de­mie. Ins­ge­samt wächst die Welt­wirt­schaft der­zeit kaum, und es feh­len aus­ser dem Wachs­tum in China wirk­li­che Im­pul­se, wel­che die ne­ga­ti­ven Aus­wir­kun­gen der Zins­er­hö­hun­gen und der In­fla­ti­on kom­pen­sie­ren könn­ten.

Aus­sich­ten va­ri­ie­ren stark zwi­schen und in­ner­halb der Bran­chen

Das schwa­che Wachs­tum der Welt­wirt­schaft be­las­tet auch die Schwei­zer Ex­port­wirt­schaft. Zudem be­kla­gen sich viele Un­ter­neh­men, dass sie nach wie vor Pro­ble­me haben, Vor­leis­tungs­pro­duk­te zeit­ge­recht zu be­zie­hen. So er­war­ten die Ma­schi­nen-, Elek­tro- und Me­tall­bran­che wie auch die Che­mie einen deut­li­chen Wert­schöp­fungs­rück­gang in die­sem Jahr. Die Tex­ti­l­ex­por­te sta­gnie­ren. An­de­re, we­ni­ger zy­kli­sche Ex­port­bran­chen wie die phar­ma­zeu­ti­sche oder die Med­tech-In­dus­trie wach­sen hin­ge­gen nach­hal­tig. Auch die Uh­ren­in­dus­trie ex­pan­diert. Zwar lei­det auch sie unter der Kon­sum­flau­te im Wes­ten im nied­ri­gen Preis­seg­ment, aber in Asien und bei hö­her­preis­li­chen Pro­duk­ten kann sie deut­lich zu­le­gen. Wert­hal­ti­ge Uhren und edel­me­tal­lent­hal­ten­der Schmuck stel­len einen ge­wis­sen Schutz vor In­fla­ti­on dar. Auch bei den Dienst­leis­tungs­ex­por­ten zei­gen sich un­ter­schied­li­che Ent­wick­lun­gen. Die Ex­por­te von Fi­nanz­dienst­leis­tun­gen gehen seit ei­ni­ger Zeit zu­rück, und die Aus­sich­ten sind eben­falls trüb. Hin­ge­gen pro­fi­tiert der Tou­ris­mus davon, dass Rei­sen wie­der ein­fach mög­lich sind.

Die Zwei­tei­lung setzt sich im Bin­nen­markt fort. In­lan­d­ori­en­tier­te Ban­ken pro­fi­tie­ren von den Zins­er­hö­hun­gen. Bei den Ver­si­che­run­gen ist das Wachs­tum al­ler­dings etwas we­ni­ger ro­bust als in den ver­gan­ge­nen Jah­ren, da die all­ge­mei­ne Wirt­schafts­ent­wick­lung flau ist. Auch die staats­na­hen Bran­chen wie das Ge­sund­heits­we­sen, die öf­fent­li­che Ver­wal­tung oder der En­er­gie­sek­tor legen zu. Eben­falls auf Wachs­tums­kurs be­fin­den sich die Be­ra­tungs-, Treu­hand- und Rechts­dienst­leis­tun­gen. Ei­ni­ge Bran­chen wie die Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­on oder das Druck­ge­wer­be sta­gnie­ren. Dem­ge­gen­über sinkt die Wert­schöp­fung in Bran­chen, in denen hö­he­re Zin­sen und ge­stie­ge­ne En­er­gie- und Nah­rungs­mit­tel­prei­se stär­ke­re Aus­wir­kun­gen haben – ins­be­son­de­re im De­tail­han­del oder auf dem Bau. Der pri­va­te Woh­nungs­bau stockt, nicht nur auf­grund der ge­stie­ge­nen Zin­sen, son­dern auch auf­grund von Rea­li­sie­rungs­schwie­rig­kei­ten. Im De­tail­han­del macht sich be­merk­bar, dass die Re­al­löh­ne den Rück­gang von 2022 noch nicht wett­ma­chen. Die Wachs­tums­aus­sich­ten va­ri­ie­ren aber nicht nur zwi­schen den Bran­chen, son­dern auch in­ner­halb der­sel­ben Bran­che. Selbst in Wirt­schafts­zwei­gen mit ge­ne­rell gros­sen Schwie­rig­kei­ten gibt es Un­ter­neh­men mit einer guten bis sehr guten Ge­schäfts­la­ge.

Der star­ke Ar­beits­kräf­te­man­gel wirkt als Wachs­tums­hem­mer: Un­ter­neh­men mit guten Ab­satz­aus­sich­ten haben auf­grund des aus­ge­trock­ne­ten Ar­beits­markts gros­se Mühe, ge­eig­ne­te Leute ein­zu­stel­len. Wäh­rend rund 30 Pro­zent gerne neue Stel­len schaf­fen wür­den, möch­ten rund zehn Pro­zent die An­zahl Stel­len re­du­zie­ren.

Schwa­che Wirt­schafts­ent­wick­lung 2023 und 2024

Ins­ge­samt rech­net eco­no­mie­su­is­se 2023 mit einem Wachs­tum des rea­len BIP um 0,6 Pro­zent und lässt damit die Pro­gno­se vom letz­ten De­zem­ber un­ver­än­dert. Auch für 2024 sind keine star­ken Wachs­tums­im­pul­se aus­zu­ma­chen. So dau­ert der Krieg in der Ukrai­ne mit all sei­nen ne­ga­ti­ven Aus­wir­kun­gen an, die Re­al­lohn­ent­wick­lung ist ne­ga­tiv, die stei­gen­den Zin­sen brem­sen, die Ar­beits­kräf­te­pro­ble­ma­tik hemmt wei­ter­hin und die Welt­wirt­schaft kämpft mit der hohen In­fla­ti­on. Auch für 2024 ist von einem Wachs­tum un­ter­halb des Po­ten­zi­al­wachs­tums in der Höhe von 0,9 Pro­zent aus­zu­ge­hen. Dies geht ein­her mit le­dig­lich leicht stei­gen­den Ar­beits­lo­sen­quo­ten.

In­fla­ti­on: auch in der Schweiz zäh

Die hö­he­ren Hy­po­the­kar­zin­sen re­du­zie­ren zwar die Im­mo­bi­li­en­prei­se. Doch die Mie­ten, die im Lan­des­in­dex der Kon­su­men­ten­prei­se stark ge­wich­tet wer­den, sind im Stei­gen be­grif­fen. Gleich­zei­tig führt die akute Ar­beits­kräf­te­knapp­heit in vie­len Bran­chen zu hö­he­ren Löh­nen. Im­mer­hin bremst der sich lang­sam auf­wer­ten­de Fran­ken die im­por­tier­te In­fla­ti­on, doch ganz kann sich die Schweiz dem in­ter­na­tio­na­len In­fla­ti­ons­trend nicht ent­zie­hen. Daher hält sich die In­fla­ti­ons­ra­te auch 2024 hart­nä­ckig über der Zwei-Pro­zent-Marke. eco­no­mie­su­is­se geht des­halb davon aus, dass die Schwei­ze­ri­sche Na­tio­nal­bank (SNB) im lau­fen­den Jahr noch min­des­tens einen Zins­schritt ma­chen wird und die kurz­fris­ti­gen Zin­sen auf zwei Pro­zent stei­gen wer­den.

Ab­rup­te Markt­kor­rek­tu­ren als gröss­tes Kon­junk­tur­ri­si­ko

Die lange Phase mit ul­tra­tie­fen Zin­sen ist vor­bei. Die Märk­te haben sich aber noch nicht an die neue Rea­li­tät ge­wöhnt. Stei­gen­de Zin­sen zwin­gen zu An­pas­sun­gen, und ein­ge­gan­ge­ne Ri­si­ken kön­nen sich nun rä­chen. Die welt­weit hohen Schul­den­stän­de er­hö­hen die Ge­fahr, dass Markt­kor­rek­tu­ren ab­rupt er­fol­gen und ne­ga­ti­ve Ket­ten­re­ak­tio­nen als Brand­be­schleu­ni­ger wir­ken. Nicht nur die mit­tel­gros­sen Ban­ken in den USA, auch et­li­che Un­ter­neh­men haben sich über Ak­ti­en­rück­kauf­pro­gram­me in eine Ri­si­ko­po­si­ti­on ma­nö­vriert, und viele Re­gie­run­gen konn­ten den Ver­lo­ckun­gen des bil­li­gen Gel­des nicht wi­der­ste­hen und gaben es mit vol­len Hän­den aus. Nun er­zwin­gen ver­schie­de­ne Märk­te Kor­rek­tu­ren. Die Im­mo­bi­li­en­prei­se sind in vie­len Staa­ten rück­läu­fig. An­le­ger zö­gern mit Ri­si­ko­in­ves­ti­tio­nen und zie­hen si­che­re Werte vor. Falls diese An­pas­sungs­pro­zes­se nicht lang­sam über die Zeit er­fol­gen, son­dern die Märk­te schlag­ar­tig und hef­tig kor­ri­gie­ren, ist eine brei­te Ab­wärts­spi­ra­le lei­der im Be­reich des Mög­li­chen. Auch in der Schweiz ist der Im­mo­bi­li­en­markt ge­fähr­det, auch wenn hier eine sol­che Ab­wärts­spi­ra­le we­ni­ger wahr­schein­lich ist. Denn die Nach­fra­ge hält an und die Zins­stei­ge­run­gen sind klei­ner als im Aus­land. Ein wei­te­res Ri­si­ko stellt die En­er­gie­ver­sor­gung dar: Sie ist, zu­min­dest in Eu­ro­pa, im nächs­ten Win­ter nicht ge­si­chert. Auch könn­ten sich die geo­po­li­ti­schen Kon­flik­te ver­stär­ken. Es ver­steht sich von selbst, dass hier sehr gros­se kon­junk­tu­rel­le Ab­wärts­ri­si­ken lau­ern. Aus der Sicht der Fir­men sind es denn auch die geo­po­li­ti­schen Span­nun­gen, die die gröss­ten Schwie­rig­kei­ten für die un­ter­neh­me­ri­sche Tä­tig­keit zur Folge hät­ten, noch vor der In­fla­ti­on oder ein Nach­fra­ge­rück­gang:

 

konjunkturelle Risiken

 

 

Prognosen

 

 

Exogene Annahmen