Das Klimaprogramm der Schweizer Wirtschaft
Die Wirtschaft ist Teil der Lösung der Klimaproblematik. Sie will aber eine effektive, kostenwirksame und wirtschaftsverträgliche Umsetzung, ohne dabei Schaden für die Wirtschaft bzw. die Standortattraktivität zu riskieren. Mit Innovationen und effizienten Technologien kann die Wirtschaft massgeblich zur Reduktion von Treibhausgasen beitragen. Die Vorstandsgremien von economiesuisse haben dazu ein klares Bekenntnis verabschiedet: Die Wirtschaft senkt ihre CO2-Emissionen bis 2050 auf Netto-Null.
economiesuisse setzt sich für effiziente und wirkungsorientierte Rahmenbedingungen in der Klimapolitik ein. Folgende fünf Grundsätze müssen dazu berücksichtigt werden:
1. Marktorientierung und internationale Vernetzung
Das Vorgehen der Schweiz muss so gut und so breit wie möglich international abgestimmt sein. Nur so kann Klimaschutz erfolgreich betrieben und ein Wettbewerbsnachteil für die Schweiz verhindert werden. Im Idealfall werden Massnahmen global eingeführt, aber zumindest müssen sich alle oder die meisten Länder auf einem gleichen oder ähnlichen Absenkpfad befinden. Einen Alleingang der Schweiz gilt es zu verhindern.
2. Flexibilität
Für das Klima spielt es keine Rolle, wo und wie Emissionen eingespart werden. Es sollen deshalb alle Möglichkeiten zur Reduktion der Treibhausgase ausgeschöpft werden – im Inland und im Ausland. Wir begrüssen es daher, dass der Bundesrat auch Kompensationen im Ausland zulassen will.
3. Eigenverantwortung
Technologiesprünge und Investitionszyklen halten sich nicht an politisch festgelegte Pfade. Deswegen wäre ein Verbot von fossilen Energieträgern auch nicht zielführend. Die Unternehmen entscheiden selber, auf welche Art und Weise und zu welchem Zeitpunkt innerhalb der Zielperiode sie gemäss den Einsparoptionen vorgehen.
4. Gleichbehandlung der Energieträger
Die Wirtschaft setzt sich für eine Gleichbehandlung von Brenn- und Treibstoffen ein. Die Verantwortung für die Reduktion der Emissionen darf nicht an wenige energieintensive Branchen übertragen werden. Durch das Volk legitimierte Lenkungsabgaben sind dazu das umweltökonomisch effektivste Instrument.
5. Wettbewerbsorientierung
Die klimapolitische Regulierung muss grundsätzlich so schlank wie möglich ausfallen und möglichst keine Subventionen beinhalten. Damit wird ein innovationsfreundliches Umfeld erzeugt, was wohl den wichtigsten Faktor zur Mehrung des gesellschaftlichen Wohlstands und des wirtschaftlichen Wachstums darstellt.
Die Umsetzung erfolgt mittels eines umfassenden Klimaprogramms
Netto-Null ist für die Wirtschaft ein ambitioniertes Ziel. Sie hat zu dessen Umsetzung ein «Klimaprogramm der Wirtschaft» mit neun Aktionsfeldern entwickelt. Diese Handlungsanweisungen untermauern die Grundsätze und konkretisieren die Realisierung.
1. Netto-Null-Ziel bis 2050 umsetzen
Die Schweizer Wirtschaft unterstützt das im CO2-Gesetz vorgesehene Einsparziel für die Schweiz von 50 Prozent bis 2030. Zusätzlich setzt sich die Wirtschaft mit dem Netto-Null-Ziel für die Reduktion ihrer in der Schweiz verursachten Emissionen bis 2050 ein.
2. Internationale Lösungen vorantreiben
Letztlich kann die Klimaerwärmung nur durch ein international abgestimmtes Vorgehen erfolgreich verlangsamt werden. Da die internationale Zusammenarbeit noch unzureichend funktioniert, soll sich die Wirtschaft für eine bessere internationale Abstimmung engagieren. Der EU Green Deal möchte unter anderem. einen einheitlichen Mindestpreis für CO2-Emissionen einführen und kann deshalb als eine Art «Klima-Club» bezeichnet werden. Die Schaffung eines umfassenden Klima-Clubs würde Wettbewerbsnachteile zwischen den teilnehmenden Handelspartnern ausschliessen und wäre ein möglicher Lösungsschritt in der Klimapolitik. economiesuisse unterstützt deshalb internationale Bestrebungen zur besseren Abstimmung der Politik in diese Richtung.
3. Prozesse optimieren und Effizienz steigern
Obwohl die Schweizer Wirtschaft zu den effizientesten der Welt gehört, gibt es weiterhin Möglichkeiten, die Effizienz zu steigern und die Emissionen zu senken. Über die Öffnung des Modells der Zielvereinbarungen wird die Schweizer Wirtschaft ihre Emissionen künftig noch konsequenter angehen und kann ihre Einsparungen um 50 bis 100 Prozent erhöhen. Die CO2-Intensität der Schweizer Unternehmen sank in den letzten Jahren kontinuierlich bis auf 86,6 Prozent im Jahr 2019. Damit hat die Wirtschaft den Soll-Zielwert von 91,7 Prozent bis 2022 bereits im letzten Jahr erreicht. Bis Ende 2019 hatten über 4000 Unternehmen 2405 Zielvereinbarungen abgeschlossen. Das entspricht etwa 50 Prozent des CO2-Ausstosses von Schweizer Industrie- und Dienstleistungsunternehmen. Dieses Erfolgsmodell kann nun mit dem totalrevidierten CO2-Gesetz weiterverfolgt und verstärkt werden, da neu alle Unternehmen Zugang zu den Zielvereinbarungen erhalten.
4. Verkehr dekarbonisieren
Aktuell ist der motorisierte Verkehr einer der grössten Verursacher des CO2-Anstiegs in der Atmosphäre. Auch die Wirtschaft trägt massgeblich zum Verkehrsaufkommen bei. Mit einer Lenkungsabgabe sollen externe Klimakosten des motorisierten Verkehrs internalisiert und damit die Kostenwahrheit erhöht werden. economiesuisse fordert deshalb eine Gleichbehandlung von Brenn- und Treibstoffen.
5. Potenzial der Sektorkopplung realisieren
Die zunehmende Verbreitung von Wärmepumpen und der steigende Anteil von Elektrofahrzeugen stehen exemplarisch für die Elektrifizierung des Wärme- und des Verkehrssektors. In Kombination mit der Eigenproduktion einer Photovoltaikanlage lassen sich so eindrückliche Synergiepotenziale realisieren und die Sektorkopplung von Stromproduktion, Wärmeerzeugung und Mobilität wird auch wirtschaftlich attraktiv. Längerfristig bietet zudem die Sektorkopplung der Bereiche Strom und Gas zusätzliche Potenziale für die saisonale Stromspeicherung und damit für eine Stärkung der Versorgungssicherheit im Winterhalbjahr. economiesuisse setzt sich deshalb für eine erfolgreiche Netzkonvergenz und Sektorkopplung zur Realisierung einer klimaneutralen Energieversorgung ein.
6. Innovation, Forschung und Digitalisierung fördern
Einen grossen Beitrag gegen die Klimaerwärmung kann die Schweizer Wirtschaft in ihrer Rolle als weltweiter Innovator und Technologielieferant erzielen. Sie setzt sich dafür ein, dass dies – gerade im Bereich der Bindung von CO2 – politisch wie auch unternehmerisch besser umgesetzt wird. Durch Digitalisierung werden Effizienzsteigerungen erreicht und neue Geschäftsmodelle entwickelt. Deshalb sollen digitale Lösungen stärker als Treiber genutzt werden.
7. Transparente Investitionsentscheide ermöglichen (Sustainable Finance)
Die Wirtschaft fördert die marktgetriebene Nachfrage nach nachhaltigen Finanzprodukten und setzt sich für mehr nachhaltige Anlagemöglichkeiten ein. Sie fördert die Positionierung von nachhaltigen Unternehmen aktiv. Staatliche Eingriffe und die Schaffung staatlicher Klassifikationssysteme sollen nur zurückhaltend und möglichst international koordiniert erfolgen.
8. Freiwillige Einsparungen von Unternehmen und Branchenlösungen unterstützen
Grosse Unternehmen machen es bereits heute vor und setzen sich Netto-Null oder andere Klimaziele. Sie prüfen sämtliche Einsparoptionen und starten Umsetzungsprogramme. Solche Programme sollen via die Energieagentur der Wirtschaft und andere Umsetzungsorganisationen weiteren Unternehmen zu Einsparungen verhelfen. Gleichzeitig variieren die Potentiale und technischen Möglichkeiten zur Einsparung von Emissionen stark von Branche zu Branche. Viele Branchen sind bereits mit eigenen Initiativen zur Erreichung von Netto-Null- oder anderen Klimazielen unterwegs. Unter dem Dach von economiesuisse werden solche Initiativen gebündelt und weiter unterstützt.
9. Transparenz schaffen
Die Schweizer Wirtschaft leistet bereits heute einen grossen Beitrag zur Energieeffizienz und Emissionsreduktion. Sie ist in vielen Bereichen international führend. Diese Beiträge an die Reduktion der Treibhausgase werden künftig noch besser und transparenter aufgezeigt – unter anderem durch eine verstärkte Kommunikation von Fallbeispielen oder der Einordnung von aktuellen Klimazahlen.
Mit dem klaren Bekenntnis für ein Netto-Null-Ziel bis 2050 und den dazugehörigen Aktionsfeldern bestätigt die Wirtschaft ihre konstruktive Rolle in der Klimapolitik und unterstützt den Bundesrat bei seinen langfristigen Klimaplänen. Die Wirtschaft setzt sich selbst ein ambitioniertes Ziel und will sich dadurch zur innovativsten und wirksamsten Kraft im Klimaschutz entwickeln.