So wird die Spitalfinanzierung ein Vollerfolg
- Introduction Executive summary | Positions of economiesuisse
- Chapter 1 Ausgangslage
- Chapter 2 Bilanz der neuen Spitalfinanzierung
- Chapter 3 Studien INFRAS und Felder: Gemeinwirtschaftliche Leistungen und andere Subventionen
- Chapter 4 Comparis-Studie vergleicht kantonale Regulierungen
- Chapter 5 Fehlendes Puzzleteil: Einheitliche Finanzierung
- Chapter 6 Fazit
- Chapter 7 Anhang: Sündenregister der Kantone bei der Spitalfinanzierung
Studien INFRAS und Felder: Gemeinwirtschaftliche Leistungen und andere Subventionen
Zwei kürzlich erschienene Studien illustrieren die Problematik von finanzieller Intransparenz und schlechter Governance in der Spitalfinanzierung eindrücklich. Das Forschungs- und Beratungsinstitut INFRAS analysierte die Definitionen sowie die Datenlage im Bereich Gemeinwirtschaftlicher Leistungen (GWL) und Investitionen. Stefan Felder, Professor für Gesundheitsökonomie an der Universität Basel, versuchte diese zwei wichtigsten Parameter zu schätzen und konnte auf dieser Basis die Subventionen der Kantone zuhanden der Spitäler beleuchten. Die beiden Studien ergeben folgendes Gesamtbild:
a) Umsetzung der Spitalfinanzierung auf Kantonsebene
Die Probleme der neuen Spitalfinanzierung liegen bei deren Umsetzung auf Kantonsebene, denn die Kantone sind in der Schweiz für die Gesundheitsversorgung zuständig. Sie müssen einerseits die Tarife, die dem KVG unterstehen, genehmigen und finanzieren andererseits 55 Prozent der Kosten stationärer Behandlungen. Darüber hinaus sind sie an den Spitälern beteiligt und wissen um deren Bedeutung als wichtige Arbeitgeber, insbesondere abseits der grösseren Städte. Diese Mehrfachrolle der Kantone ist problematisch, denn sie sorgt für Interessenkonflikte. Die Kantone setzen nämlich die Spitalfinanzierung nach eigenem Gusto um. Der Spielraum im Bundesgesetz ist allzu gross und das Repertoire für Bremsmanöver entsprechend vielfältig, wie mehrere andere Publikationen in letzter Zeit gezeigt haben. So ist es wenig erstaunlich, dass manche Kantone die Strukturbereinigung mit allen Mitteln bremsen wollen. Es ist ihnen wichtiger, ihre eigenen Spitäler zu retten, als eine qualitativ hochstehende und kostengünstige Spitalversorgung zu ermöglichen.
b) Kantonaler Giftschrank gegen die Strukturbereinigung
b) Kantonaler Giftschrank gegen die Strukturbereinigung INFRAS hat im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit (BAG) eine Machbarkeitsstudie erstellt, um die Spitalfinanzierung zu evaluieren. Darin wird die Relevanz der Gemeinwirtschaftlichen Leistungen (GWL) und Investitionen betont. Deshalb wollten die Autoren prüfen, welche Datengrundlagen genutzt werden können, um diese Entwicklungen in den Spitälern zu erfassen. Das Resultat ist ernüchternd: Unter den involvierten Akteuren besteht keine einheitliche Definition der GWL und keine klare Abgrenzung zwischen Leistungen der obligatorischen Krankenversicherung und den GWL. Gesetz und Verordnung lassen offen, was die Kantone als Gemeinwirtschaftliche Leistungen abgelten können. Folglich gibt es grosse Differenzen bei der Abgeltung, und die Kantone weisen auch sehr unterschiedliche Gesamtbeträge aus. Bei den Investitionen sieht es gemäss INFRAS etwas besser aus. Aber auch hier ist die Situation von Kanton zu Kanton sehr unterschiedlich: In den meisten Kantonen sind die Investitionen der Spitäler gestiegen – in einigen sogar erheblich –, in wenigen anderen hingegen gesunken.
Die zwei grossen Manövriermassen bei der Subventionierung der Spitäler sind also die GWL und die Investitionsbeiträge. Ein jüngst veröffentlichtes Papier der Universität Basel über die Umsetzung der Spitalfinanzierung in den einzelnen Kantonen versucht diese zu schätzen. Das von den Privatkliniken Schweiz (PKS) in Auftrag gegebene Gutachten zeigt ebenfalls grosse kantonale Unterschiede auf und bringt etwas Licht in den Dschungel der Subventionen zuhanden der eigenen Institutionen. Es analysiert die unterschiedlichen Finanzierungen von Spitälern je nach Trägerschaft (vgl. Kasten unten). Zu diesem Zweck wurden mehrere offizielle Statistiken herangezogen und ausgewertet. Dazu gehören unter anderem die Kennzahlen der Schweizer Spitäler, die medizinische Statistik der Krankenhäuser und die Baserates der Spitäler, die auf den offiziellen Internetseiten der Kantone publiziert werden. Die Daten beziehen sich meistens auf das Jahr 2013. Und es zeigt sich: Prämien- und Steuerzahlende werden unnötigerweise zur Kasse gebeten. 2013 flossen insgesamt 3,4 Milliarden Franken an Quersubventionen. Davon wurden jedoch lediglich 2,6 Milliarden Franken als Gemeinwirtschaftliche Leistungen durch die Kantone ausgewiesen. Rund 800 Millionen Franken flossen hingegen auf intransparenten Wegen.
Eine solche interne Subventionierung ist zwar nach Krankenversicherungsgesetz ausgeschlossen, sie kann aber dennoch in Form von überhöhten Baserates in der Praxis vorkommen. Ermöglicht wird sie dadurch, dass die Kantone selbst Betreiber von Spitälern sind und somit direkten Einfluss auf die Bestimmung der Baserate haben. Bei subventionierten Spitälern kann sich ein indirekter Einfluss der Kantone auf die Baserate ergeben. Es ist daher nicht überraschend, dass die GWL durch die Kantone sehr einseitig an die öffentlichen Leistungsanbieter vergeben werden. Schweizweit gingen 2013 nur gerade 3,12 Prozent an die Privatkliniken. Nimmt man die Beiträge der öffentlichen Hand (ohne Beiträge an die Fallpauschalen) dazu, machen beide zusammen bei den öffentlichen Spitälern 18 Prozent der Gesamterträge aus, bei den subventionierten fünf Prozent und bei den privaten Kliniken lediglich zwei Prozent.
Drei Arten von Spitälern
Private Kliniken: Institutionen, die privatrechtlich organisiert und zu einem überwiegenden Anteil in privater Hand sind. 2013 zählten von den insgesamt 195 Akutspitälern und Geburtshäusern in der Schweiz deren 109 oder 56 Prozent zu dieser Kategorie. Diese Spitäler zahlen analog anderer Unternehmen Steuern auf ihren allfälligen Gewinn.
Öffentliche Spitäler sind nach der neuen Definition des Bundesamts für Statistik Staatsbetriebe. Sie sind in staatlichem Eigentum und werden auch von einer staatlichen Stelle betrieben. Dazu gehören beispielsweise das CHUV in Lausanne und die HUG in Genf. 2013 gab es in der Schweiz 37 öffentliche Spitäler. Öffentliche Spitäler bezahlen keine Steuern.
Übrig bleiben 49 Spitaleinheiten, die mehrheitlich in öffentlicher Trägerschaft sowie häufig als Aktiengesellschaften verfasst sind, wobei der öffentliche Anteil mehr als 50 Prozent des Eigenkapitals beträgt. Beispiele für diese Spitalkategorie sind die Solothurner Spitäler AG und das Inselspital Bern. Wir bezeichnen die 49 Institutionen dieses Typs als subventionierte Spitäler. Auch viele dieser Aktiengesellschaften sind steuerbefreit.
Auf der Kostenseite fällt der deutlich niedrigere Anteil der Investitionen bei den kantonseigenen Spitälern auf. Während bei den Privaten die Investitionsquote 13,4 Prozent beträgt, liegt sie bei den öffentlichen und subventionierten Spitälern lediglich bei 7,6 bzw. 6,8 Prozent. Investitionskosten von unter zehn Prozent zeugen von verdeckten Subventionen. Denn im kantonalen Beitrag zu den Fallpauschalen (Anteil 55 Prozent) sind zehn Prozent Investitionskosten einberechnet. Die offene oder verdeckte Finanzierung der Investitionskosten von öffentlichen und subventionierten Spitälern erfolgt über die kantonalen Finanzhaushalte. Bei öffentlichen Spitälern geschieht dies über die Vermietung von Immobilien, Mobilien und Anlagen unterhalb marktüblicher Konditionen. Auch bei subventionierten Spitälern ist dies möglich, etwa wenn diese sich in Immobilien einmieten, die dem Kanton gehören. Schliesslich spricht man von verdeckter Subventionierung, wenn die Kantone Darlehen an Spitäler zu grosszügigen Konditionen vergeben. Felder (2016) geht daher davon aus, dass Spitäler offen oder verdeckt subventioniert werden, wenn sie eine Investitionsquote unter der gesetzlichen 10-Prozent-Marke aufweisen. Diesen Wert hat der Bundesrat bei der Umsetzung der neuen Spitalfinanzierung für die ersten Jahre beschlossen. Seither sind die Investitionen in der Abgeltung mit den Fallpauschalen enthalten.
Summiert man die drei Arten von Subventionen, so ergibt sich ein recht unterschiedliches Bild in den Kantonen. Pro Einwohner wird in Appenzell Ausserrhoden und im Thurgau am wenigsten, nämlich unter 100 Franken subventioniert. Am anderen Ende der Skala sind die lateinischen Kantone und Basel-Stadt: Hier subventioniert die öffentliche Hand zwischen 676 (TI) und 2099 Franken (GE) pro Einwohner (siehe Grafik 3). Pro Fall entspricht dies in Genf einer sagenhaften Subvention von 14’896 Franken.
Das Ziel ist immer das gleiche: Profitable Spitäler sollen geschwächt werden, um unrentable staatliche Betriebe zu erhalten. Werden aber unrentable staatliche Betriebe am Leben erhalten, können private Betriebe ihre Stärken nicht ausspielen. Die Praktiken der Kantone sind oft illegal oder widersprechen zumindest dem Geiste des Gesetzes, wie ein Gutachten von Prof. Bernhard Rütschezeigt. Gemäss dem Ordinarius für Öffentliches Recht an der Universität Luzern sind die Kantone aufgrund der Verfassung zu einer wettbewerbsneutralen Spitalplanung verpflichtet und müssen öffentliche und private Spitäler gleich behandeln. Eine solche Gleichbehandlung ist deshalb so entscheidend, weil nur dann der Leistungswettbewerb auch zu effizienten Ergebnissen führt. Quersubventionen hingegen verzerren den Wettbewerb, führen zu Fehlallokationen und behindern den Wandel hin zu besserer Ergebnisqualität bei gleichbleibenden Kosten.
Grafik 3
Während Appenzell Ausserrhoden sein Spitalwesen nur mit 69 Franken pro Person und Jahr subventioniert, sind es in Genf 2099 Franken.