Session d'été

Mehr fi­nanz­po­li­ti­sche Frei­heit durch we­ni­ger fixe Aus­ga­ben

Ge­setz­lich ge­bun­de­ne Aus­ga­ben neh­men ste­tig zu. Das ver­rin­gert den fi­nanz­po­li­ti­schen Hand­lungs­spiel­raum bei der Bud­get­ge­stal­tung des Bun­des. Die Folge ist eine zu­neh­mend ein­sei­ti­ge Aus­ga­ben­ver­tei­lung zu­las­ten der Auf­ga­ben­ge­bie­te mit schwa­chen Aus­ga­ben­bin­dun­gen. Das er­höht nicht nur den Druck auf die Schul­den­brem­se. Auch die Qua­li­tät des Bun­des­haus­halts ins­ge­samt lei­det dar­un­ter. Die Fi­nanz­kom­mis­si­on for­dert des­halb mit einer Mo­ti­on den Abbau der ge­bun­de­nen Aus­ga­ben. Der Bun­des­rat un­ter­stützt die Stoss­rich­tung, möch­te das Ziel aber län­ger­fris­tig mit Re­for­men im ge­sam­ten Auf­ga­ben­spek­trum an­pa­cken.

Ge­mäss einem Be­richt der Eid­ge­nös­si­schen Fi­nanz­ver­wal­tung nimmt der An­teil der ge­setz­lich ge­bun­de­nen Aus­ga­ben von heute 50 Pro­zent bis ins Jahr 2020 auf über 60 Pro­zent zu. Dem­entspre­chend wer­den fast zwei Drit­tel der ge­sam­ten Bun­des­mit­tel schon bald nicht mehr durch fi­nanz­po­li­ti­sche Ent­schei­de, son­dern durch ge­setz­li­che Aus­ga­ben­me­cha­nis­men ge­steu­ert. Sol­che Aus­ga­ben­bin­dun­gen be­ste­hen haupt­säch­lich im So­zi­al­be­reich und im Ver­kehrs­we­sen, aber auch bei «Pflicht­aus­ga­ben» wie den Schuld­zin­sen und den Zah­lun­gen an die Kan­to­ne.

Die Ent­wick­lung hin zu immer mehr ge­bun­de­nen Aus­ga­ben ist aus meh­re­ren Grün­den pro­ble­ma­tisch. Die Fle­xi­bi­li­tät des Par­la­ments bei Aus­ga­ben­ent­schei­den nimmt ab, weil ein immer grös­se­rer Teil der Aus­ga­ben auf­grund der Aus­ga­ben­bin­dun­gen kurz­fris­tig nicht be­ein­flusst wer­den kann. Aus­ga­ben wer­den ver­mehrt ein­sei­tig ver­teilt und not­wen­di­ge Kor­rek­tu­ren kön­nen nur noch in einem klei­nen Auf­ga­benseg­ment vor­ge­nom­men wer­den. Unter dem Ver­drän­gungs­ef­fekt, der von den ge­bun­de­nen Aus­ga­ben aus­geht, lei­den we­ni­ger stark ge­bun­de­ne Auf­ga­ben­ge­bie­te wie Bil­dung und For­schung, Armee, Land­wirt­schaft und In­ter­na­tio­na­le Zu­sam­men­ar­beit (IZA). Dies ver­schlech­tert ins­ge­samt die Qua­li­tät des Bun­des­haus­halts.

Wach­sen­der Druck auf die Schul­den­brem­se

Eine wei­te­re ne­ga­ti­ve Aus­wir­kung der Aus­ga­ben­bin­dun­gen ist der stei­gen­de Druck auf die Schul­den­brem­se. Weil für un­ge­bun­de­ne Aus­ga­ben immer we­ni­ger Mit­tel übrig blei­ben, wer­den Stim­men laut, die eine An­pas­sung bei der Schul­den­brem­se for­dern. Aus­ge­rech­net das fi­nanz­po­li­ti­sche Steue­rungs­in­stru­ment, das die Schul­den­spi­ra­le der 1990er-Jahre beim Bund be­en­det und den gröss­ten Staats­haus­halt der Schweiz wie­der auf so­li­de Füsse ge­stellt hat, soll auf­ge­weicht wer­den.

Struk­tu­rel­le Re­for­men als lang­fris­ti­ge Lö­sung

Die Mo­ti­on der Fi­nanz­kom­mis­si­on will die ge­bun­de­nen Aus­ga­ben um fünf bis zehn Pro­zent re­du­zie­ren. Ba­sie­rend auf der Rech­nung 2016 ent­spricht dies einem Be­trag von rund zwei bis vier Mil­li­ar­den Schwei­zer Fran­ken. eco­no­mie­su­is­se un­ter­stützt die­sen Vor­stoss. Auch der Bun­des­rat be­für­wor­tet die An­nah­me der Mo­ti­on. Gleich­zei­tig weist er aber dar­auf hin, dass das Mo­ti­ons­ziel am­bi­tio­niert und daher kurz­fris­tig nicht rea­li­sier­bar ist. Al­lein durch be­ste­hen­de Mög­lich­kei­ten kann der fi­nanz­po­li­ti­sche Spiel­raum nicht er­höht wer­den. Der Bun­des­rat ist des­halb der An­sicht, dass es dafür struk­tu­rel­le Re­for­men braucht. Bis im Herbst will er ein ganz­heit­li­ches Kon­zept vor­le­gen.

Kon­kre­te Hand­lungs­fel­der

Der im Rah­men der Re­form der Al­ters­vor­sor­ge 2020 vom Bun­des­rat ur­sprüng­lich ge­mach­te Vor­schlag be­züg­lich einer Ent­flech­tung der AHV vom Bun­des­haus­halt würde be­reits einen gros­sen Bei­trag zum Abbau von ge­bun­de­nen Aus­ga­ben leis­ten. Der Bun­des­bei­trag an die AHV wäre dem­nach nicht mehr an die (exo­ge­nen) AHV-Kos­ten ge­kop­pelt, son­dern würde sich ent­lang der Mehr­wert­steu­er­ein­nah­men und somit im Gleich­schritt mit dem ge­sam­ten Bun­des­haus­halt ent­wi­ckeln. Die­ser Fi­nan­zie­rungs­me­cha­nis­mus hat das Par­la­ment 2011 bei der IV im­ple­men­tiert. Wei­te­re Hand­lungs­fel­der sind die Ent­flech­tung der Ver­bund­auf­ga­ben im Rah­men der Neu­ge­stal­tung des Fi­nanz­aus­gleichs und der Auf­ga­ben­tei­lung zwi­schen Bund und Kan­to­nen (NFA), ins­be­son­de­re Er­gän­zungs­leis­tun­gen und Prä­mi­en­ver­bil­li­gung, und die Fort­füh­rung des Schul­den­ab­baus (keine Auf­wei­chung der Schul­den­brem­se), um die Schuld­zin­sen mög­lichst tief zu hal­ten. Fer­ner ist auf fixe Aus­ga­ben­zie­le (wie z.B. bei der Armee oder IZA) zu ver­zich­ten und Zah­lungs­rah­men sind nur aus­zu­schöp­fen, wenn die Mit­tel vor­han­den sind.

Das Ziel, die Aus­ga­ben­bin­dun­gen zu re­du­zie­ren und dem Bund mehr fi­nanz­po­li­ti­schen Spiel­raum zu geben, ist zwar an­spruchs­voll, mit po­li­ti­schem Wil­len und Aus­dau­er je­doch mög­lich.