Vogelperspektive auf Kommissionssaal im Bundeshaus

Stän­de­rat be­schliesst Mo­der­ni­sie­rung des Kar­tell­rechts

Das Wett­be­werbs­recht ist für die Markt­wirt­schaft zen­tral. eco­no­mie­su­is­se ist offen für eine Mo­der­ni­sie­rung des Kar­tell­ge­set­zes, so­fern sie auf fun­dier­ten öko­no­mi­schen und rechts­staat­li­chen Grund­sät­zen be­ruht. In der gest­ri­gen De­bat­te ist der Stän­de­rat auf die Re­vi­si­on des Kar­tell­ge­set­zes ein­ge­tre­ten. In den Grund­zü­gen ist er dem Vor­schlag des Bun­des­rats ge­folgt, der ein Ver­bot von drei Arten ho­ri­zon­ta­ler und zwei ver­ti­ka­ler Ab­spra­chen for­dert. Zu­sätz­lich hat er einem Ein­zel­an­trag zu­ge­stimmt, der eine Preis­dis­kri­mi­nie­rung von Schwei­zer Nach­fra­gern im Aus­land unter be­stimm­ten Be­din­gun­gen un­ter­bin­den will. In der Pra­xis dürf­te diese öko­no­misch zwei­fel­haf­te und in­ter­na­tio­nal un­üb­li­che Be­stim­mung al­ler­dings nur sehr schwer durch­zu­set­zen sein und die er­hoff­te Wir­kung kaum er­zie­len.

eco­no­mie­su­is­se hat die Vor­la­ge des Bun­des­rats be­reits frü­her ein­ge­hend und ver­tieft ge­wür­digt (vgl. dos­sier­po­li­tik zu Kar­tell­recht). Der Stän­de­rat hat nach ein­ge­hen­der Kom­mis­si­ons­be­ra­tung bei sei­nem Ent­scheid vom Don­ners­tag ver­schie­de­nen An­lie­gen der Wirt­schaft Rech­nung ge­tra­gen.
 

Wich­ti­ge Ver­bes­se­run­gen beim Teil­kar­tell­ver­bot

Wich­tigs­te be­schlos­se­ne ma­te­ri­el­le Re­ge­lung ist die Ein­füh­rung eines Ver­bots von fünf Arten «har­ter» Ab­re­den (sog. Teil­kar­tell­ver­bot) mit Recht­fer­ti­gungs­mög­lich­kei­ten. Die bis­he­ri­ge zu­sätz­li­che vor­gän­gi­ge Prü­fung, ob sich eine Ab­re­de auch tat­säch­lich er­heb­lich auf den Wett­be­werb aus­wirkt, ent­fällt. Den­noch muss der kon­kre­te Fall ein­zeln ge­prüft wer­den, ob die Ab­re­de aus Ef­fi­zi­enz­grün­den ge­recht­fer­tigt ist. Damit bleibt die öko­no­mi­sche Ab­wä­gung er­hal­ten. Der Stän­de­rat hat an der Vor­la­ge des Bun­des­rats wich­ti­ge Ver­bes­se­run­gen an­ge­bracht. Die Be­weis­füh­rung für die Recht­fer­ti­gungs­grün­de ob­liegt nun rich­ti­ger­wei­se nicht den Un­ter­neh­men, son­dern der Be­hör­de. Ge­klärt ist auch, dass wett­be­werbs­för­dern­de Ar­beits­ge­mein­schaf­ten und Pool­ver­trä­ge wei­ter­hin zu­läs­sig blei­ben. Dies ist vor allem, aber nicht nur, für die Bau­wirt­schaft und die Ver­si­che­run­gen von zen­tra­ler Be­deu­tung. Schliess­lich sol­len Ba­ga­tell­fäl­le nicht auf­ge­grif­fen wer­den (fak­ti­sche «de mi­ni­mis»-Regel), was vor allem für die KMU ent­schei­dend ist. In der Pra­xis ent­spricht der Be­schluss des Stän­de­rats den jüngs­ten Ent­schei­den der WEKO, führt aber zu mehr Rechts­si­cher­heit und schlan­ke­ren Ver­fah­ren.
 

Kaum wirk­sa­mer Ein­griff in die Preis­bil­dung

Ent­ge­gen den in­ter­na­tio­nal üb­li­chen Re­geln hat der Stän­de­rat einem Ein­zel­an­trag von Stän­de­rat Hess deut­lich zu­ge­stimmt. An­bie­ter sol­len mit Kar­tell­bus­sen be­straft wer­den kön­nen, wenn sie sich wei­gern, Schwei­zer Nach­fra­ger im Aus­land zu den dort gel­ten­den Be­din­gun­gen zu be­die­nen. Vor­aus­set­zun­gen dafür sind ins­be­son­de­re, dass die Schwei­zer Nach­fra­ger auf die Be­lie­fe­rung an­ge­wie­sen sind, weil es ihre ei­ge­nen Kun­den er­war­ten (so­ge­nann­te «must-in-stock»-Pro­duk­te) oder weil sie auf­grund eines frü­he­ren Kauf­ent­scheids auf die Pro­duk­te oder Dienst­leis­tun­gen an­ge­wie­sen sind (zum Bei­spiel Up­dates für Soft­ware) und dass die Pro­duk­te auch in der Schweiz an­ge­bo­ten wer­den. Neben den üb­li­chen Recht­fer­ti­gun­gen aus Grün­den der Ef­fi­zi­enz kann auch das Er­schlies­sen von Ex­port­märk­ten als Aus­nah­me gel­tend ge­macht wer­den. Im Ver­gleich zur – kon­se­quen­ter­wei­se ab­ge­lehn­ten – Mo­ti­on Bir­rer-Heimo ist der neue Ar­ti­kel 7a damit ein­ge­schränkt. Diese hätte gleich­sam eine pau­scha­le Lie­fer­ver­pflich­tung im Aus­land ver­langt.

Der An­trag Hess setzt hin­ge­gen eine Ab­hän­gig­keit der Schwei­zer Nach­fra­ger vor­aus, wel­che die (aus­län­di­schen) An­bie­ter in eine markt­mäch­ti­ge Stel­lung ver­set­zen. Die ver­wen­de­ten Kri­te­ri­en sind je­doch sehr vage, öko­no­misch kaum fun­diert und in­ter­na­tio­nal un­üb­lich. Not­wen­di­ge Er­mitt­lun­gen der WEKO im Aus­land sind so kaum mög­lich und die Wir­kung des Ar­ti­kels ist damit sehr frag­lich. Er kann aber dazu füh­ren, dass ein­zel­ne in­ter­na­tio­na­le An­bie­ter aus Grün­den der Rechts­si­cher­heit über­haupt auf die di­rek­te Be­ar­bei­tung des Schwei­zer Mark­tes ver­zich­ten. In die­sem Fall fin­det auch der neue Ar­ti­kel keine An­wen­dung. Bei einem Ver­zicht auf eine Prä­senz im Schwei­zer Markt stün­den hier aber auch keine Ser­vice­leis­tun­gen wie etwa die Ab­wick­lung von Ga­ran­tie­fäl­len mehr zu Ver­fü­gung. Die Ein­schrän­kung auf OECD-Län­der ver­mei­det wirt­schaft­lich un­halt­ba­re Ver­glei­che mit Ent­wick­lungs­län­dern, ver­stösst aber wohl gegen die WTO-Re­geln. Gegen Miss­brauch von Markt­macht kann zudem be­reits mit dem heu­ti­gen und durch die Be­schlüs­se des Stän­de­rats noch ver­schärf­ten Kar­tell­recht vor­ge­gan­gen wer­den. Tie­fe­re Prei­se kön­nen hin­ge­gen nicht ein­fach «her­bei­re­gu­liert» wer­den – das wäre plan­wirt­schaft­lich.
 

Halb­her­zi­ge In­sti­tu­tio­nen­re­form

Der Stän­de­rat ver­zich­tet al­ler­dings im Rah­men eines Sys­te­ment­scheids auf eine In­sti­tu­tio­nen­re­form mit einer kon­se­quen­ten Tren­nung von Un­ter­su­chung und Ent­scheid. Hin­ge­gen soll die Wett­be­werbs­kom­mis­si­on (WEKO) ver­klei­nert und «pro­fes­sio­na­li­siert» wer­den. Offen ist, wie so der Pra­xis­be­zug ge­nü­gend ge­wahrt wer­den kann. Bis­her sorg­ten dafür die Ver­bands­ver­tre­ter.

Mit der vor­ge­schla­ge­nen Ver­klei­ne­rung der WEKO mit hö­he­ren Ar­beits­pen­sen wer­den deren Mit­glie­der fak­tisch zu Bun­des­be­am­ten. Dank dem Mi­liz­prin­zip waren die WEKO-Mit­glie­der bis­her we­ni­ger vom Staat ab­hän­gig. Es ist offen, wie neu die Un­ab­hän­gig­keit ge­gen­über dem Bund ge­nü­gend ge­wahrt und wie der Ein­be­zug der Pra­xis ge­währ­leis­tet wer­den kann. Der Bun­des­rat woll­te dazu die WEKO in eine selbst­stän­di­ge und un­ab­hän­gi­ge An­stalt mit einem ei­ge­nen Auf­sichts­rat um­wan­deln. Die­ser Vor­schlag soll­te im Zweitrat noch­mals auf­ge­grif­fen wer­den, auch wenn auf die Schaf­fung eines Wett­be­werbs­ge­richts ver­zich­tet wird. Zu be­ach­ten ist, dass neben den Ent­schei­den in Ein­zel­fäl­len auch das Bin­nen­markt­ge­setzt durch­ge­setzt oder eine Stim­me gegen wett­be­werbs­ver­zer­ren­de Ak­ti­vi­tä­ten des Staa­tes im Sinne einer of­fe­nen Markt­wirt­schaft er­ho­ben wer­den muss. Po­si­tiv zu wer­ten ist im­mer­hin die Ein­füh­rung von Ord­nungs­fris­ten im Sinne einer ra­sche­ren Be­hand­lung der Fälle auch bei den Re­kurs­in­stan­zen.

In den wei­te­ren Fra­gen folg­te der Stän­de­rat den Vor­schlä­gen des Bun­des­rats. Von be­son­de­rer Be­deu­tung ist für die Un­ter­neh­men das so­ge­nann­te Wi­der­spruchs­ver­fah­ren. Mit die­sem kön­nen sie Klar­heit über die Zu­läs­sig­keit von Ge­schäfts­prak­ti­ken er­lan­gen. Die er­freu­li­cher­wei­se ver­kürz­te Be­hand­lungs­frist ist zwar ein Schritt in die rich­ti­ge Rich­tung, schafft aber keine voll­stän­di­ge Rechts­si­cher­heit. Hier wäre der un­ter­le­ge­ne Min­der­heits­an­trag Föhn wei­ter ge­gan­gen.