# 3 / 2024
03.05.2024

Agrarpolitik einfach erklärt

Wie funktioniert der Grenzschutz?

Der Grenzschutz im Agrarbereich basiert auf zwei Pfeilern: Zölle und Kontingente. Zölle müssen an der Grenze bezahlt werden. Damit erhöht sich der Preis der eingeführten Ware. Kontingente hingegen sind eine quantitative Beschränkung der Importmenge. Innerhalb dieses Kontingents muss der Importeur keinen oder nur einen tieferen Zollsatz bezahlen. Ausserhalb des Kontingents gelten dann deutlich höhere Zollsätze. Kontingente und Zölle bezwecken beide, dass inländische Produkte vor der ausländischen Konkurrenz geschützt werden.

Kontingente

Art. 22 des Landwirtschaftsgesetzes und Art. 26 der Agrareinfuhrverordnung definiert sechs Verfahren für die Verteilung von Zollkontingenten. Diese sind in der folgenden Tabelle dargestellt:

Zollsätze

Der Einfuhrzoll auf Agrarprodukte betrug im Jahr 2022 durchschnittlich 32,4 Prozent. Dies ist im internationalen Vergleich ein sehr hoher Zollsatz; nur Südkorea, die Türkei, Indien und Norwegen erheben höhere Zölle auf Importe von landwirtschaftlichen Erzeugnissen. In der EU liegt der durchschnittliche Zollsatz für Agrarprodukte bei 11,4 und in den USA bei 5,1 Prozent.

Abbildung 6: Durchschnittliche Zölle auf den Import von Agrarprodukten, 2022

Die höchsten durchschnittlichen effektiv angewandten Zölle werden mit 187,5 Prozent auf Milchprodukte erhoben, gefolgt von tierischen Produkten mit 96,7 Prozent (siehe Tabelle 1). Die Maximalansätze sind teilweise extrem hoch. So liegt der maximale Zoll für gewisse tierische Produkte bei über 1000 Prozent. Die Absicht solch hoher Zölle ist es, Importe komplett zu verhindern. Dementsprechend kommen sie gar nie zur Anwendung. Deshalb zeigt der durchschnittliche Zolltarif in Tabelle 1 und in Abbildung 6 jeweils nicht das gesamte Ausmass des Grenzschutzes, da dort nur die Zolltarife von Gütern miteinberechnet werden, die auch tatsächlich importiert werden.

Die Höhe der Zolltarife hängt in der Schweiz davon ab, ob das importierte Produkt inländische Produkte konkurrenziert. Ist das der Fall, dann gelten hohe Zölle, während Importe, die nicht oder kaum in der Schweiz produziert werden, meistens nur sehr niedrige Zolltarife haben. Daher weisen Produkte wie Fisch und Fischprodukte Zolltarife von unter einem Prozent aus.

Tabelle 1: Durchschnittlicher Zolltarif (MFN applied AVG), Anteil zollfrei und Maximalsätze

Zollkategorien

Die in der Schweiz angewandten Zölle lassen sich in drei Unterkategorien aufteilen: anpassungsfähige Zölle, saisonale Zölle und Zölle auf verarbeitete Produkte.

Anpassungsfähige Zölle dienen dazu, den Preis eines importierten Gutes zu fixieren. Fällt der Preis des Importprodukts, dann erhöht sich der Zollsatz, damit das Produkt im Inland gleich teuer bleibt. Damit anpassungsfähige Zölle auf Importprodukte berechnet werden können, wird zunächst ein Importrichtpreis ermittelt. Dieser Richtpreis entspricht jenem Preis, der das importierte Produkt letztlich kosten soll. Der anpassungsfähige Zoll wird dann so hoch angesetzt, dass der angestrebte Preis erreicht wird, das heisst er entspricht der Differenz zwischen Richtpreis und Weltmarktpreis. Der Zolltarif wird in der Regel monatlich überprüft und angepasst.

Saisonale Tarife werden bei Agrarprodukten folgender Kategorien angewendet: frische Früchte, Gemüse und Schnittblumen. Sie kommen in Kombination mit Kontingenten zur Anwendung. Es gibt zwei Zollsätze: den Innerkontingenttarif und den Ausserkontingenttarif. Im ersten Fall finden die Importe innerhalb der festgelegten Kontingentierung statt und es kommt ein reduzierter Zolltarif zur Anwendung. Sind die Kontingente jedoch ausgeschöpft, werden den Importen zumeist prohibitiv hohe Ausserkontingenttarife auferlegt. So beträgt zum Beispiel der Innerkontingenttarif für Cherry-Tomaten fünf Franken pro Kilogramm, der Aussenkontingenttarif hingegen 600 Franken pro Kilogramm. Die genauen Tarife hängen von den einzelnen Subprodukten und deren Kontingentierung ab.

Die unterschiedlichen Zolltarife und Kontingente werden in Abhängigkeit von der aktuellen Marktsituation angewendet:

  • Ausserhalb der Erntesaison werden keine Kontingentsbeschränkungen angewendet. Der Import kann in dieser Zeit unbeschränkt zum reduzierten Innerkontingenttarif stattfinden.
  • Während der Saison werden keine Kontingente zugelassen, solange die inländische Ernte die Nachfrage in der Schweiz decken kann. Importe sind in dieser Phase nur zum höheren Ausserkontingenttarif möglich.
  • Falls während der Saison die inländische Produktion die Nachfrage nicht decken kann, werden Kontingente freigegeben. Die Ware innerhalb dieser Kontingente kann zum tieferen Innerkontingenttarif importiert werden.

Ein Spezialfall betrifft Händler, welche die Ware ausserhalb der Saison importiert und gelagert haben und nun während der Saison auf den Markt bringen. Sie müssen die Zolldifferenz nachbezahlen oder die Ware ihren Kontingenten anrechnen lassen.

Auch Importe von verarbeiteten landwirtschaftlichen Produkten werden durch Zölle verteuert. Damit werden zwei Ziele verfolgt: Einerseits soll verhindert werden, dass der Grenzschutz für Agrarrohstoffe durch den verstärkten Import von verarbeiteten Agrarprodukten unterlaufen wird (Agrarschutzelement). Andererseits wird die Schweizer Lebensmittelindustrie im Inlandmarkt vor ausländischer Konkurrenz geschützt (Industrieschutzelement). Der Zoll setzt sich aus zwei Elementen zusammen: Einem variablen und einem fixen Teilbetrag. Das variable Element ist das sogenannte Agrarschutzelement und schützt die Landwirtschaft, indem es die Preisunterschiede der Grundstoffe zwischen der Schweiz und der übrigen Welt berücksichtigt. Fix ist hingegen das Industrieschutzelement.

Für die EU, die Freihandelspartner und die Länder mit dem Allgemeinen Präferenzsystemen (APS/GSP) kommt beim Import von verarbeiteten Landwirtschaftlichen Produkten allerdings nur das Agrarschutzelement zum Tragen. Die Importeure müssen für die günstigeren Agrarrohstoffe im Ausland, die in ihren Produkten verarbeitet sind, einen Preisausgleich zahlen. So wird erreicht, dass den hiesigen Produzenten von u.a. Schokolade, Biskuits und Backwaren, Bonbons, Suppen, Saucen und Teigwaren aufgrund der höheren Agrargüterpreise kein Wettbewerbsnachteil entsteht. Dadurch bleiben der Schweizer Landwirtschaft die Abnehmer auf der nachgelagerten Stufe erhalten. Bei Drittstaaten, mit denen kein Freihandelsabkommen abgeschlossen wurde, greift hingegen das Agrar- und das Industrieschutzelement. Dadurch ist attraktiver, die Rohstoffe in der Schweiz zu verarbeiten. Für diese Länder macht bei den verarbeiteten Lebensmitteln das Agrarschutzelement ein Vielfaches des noch bestehenden Industrieschutzelementes aus.

Erleichterungen für die Lebensmittelindustrie beim Warenverkehr

Wird eine Ware in einem anderen Land veredelt und passiert dann erneut die Grenze, spricht man von passiver bzw. aktiver Veredelung. Hier gelten andere Zollansätze und Bewilligungen im Vergleich zum reinen Export oder Import.

Beim passiven Veredelungsverkehr werden Produkte zur Bearbeitung, Verarbeitung oder Ausbesserung vorübergehend ins Ausland ausgeführt und dann wieder eingeführt. In diesem Fall kann das veredelte Produkt unter Bewilligung zollfrei oder zollermässigt wiedereingeführt werden. Beim aktiven Veredelungsverkehr werden Produkte vorübergehend zur Bearbeitung, Veredelung oder Ausbesserung in die Schweiz eingeführt, um dann wieder ins Ausland ausgeführt zu werden. Die Waren können zollbefreit oder mit Anrecht auf Zollrückerstattung vorübergehend eingeführt werden. Auch eine Befreiung von der Mehrwertsteuer ist möglich. Diese Erleichterungen dienen unter anderem als Ausgleich zum Grenzschutz bei Agrarrohstoffen.