Kaufkraft

Kauf­kraft: Pro­duk­ti­vi­tät und Re­al­löh­ne wach­sen

Die Lohn­quo­te stieg seit 2000 von 54 auf 58 Pro­zent. Gleich­zei­tig ist der An­teil der Be­triebs­über­schüs­se von 20 auf 16 Pro­zent ge­sun­ken. Die Ar­beit­neh­men­den er­hiel­ten also ein grös­se­res Ku­chen­stück der ge­sam­ten Wert­schöp­fung. Auch der An­stieg der Re­al­löh­ne zeigt, dass es den Be­schäf­tig­ten in den letz­ten Jah­ren bes­ser ge­gan­gen ist. Die Pro­duk­ti­vi­täts­fort­schrit­te wer­den also an die Ar­beit­neh­men­den weit­ge­ge­ben.

Zwei Dinge sind ent­schei­dend für die Kauf­kraft, näm­lich das Lohn- und das Preis­ni­veau. Dies lässt sich ex­em­pla­risch am Jahr 2022 auf­zei­gen: Die Löhne stie­gen no­mi­nal um 0.9 Pro­zent, diese Zu­nah­me wurde aber von der In­fla­ti­on mehr als weg­ge­fres­sen. Das be­deu­tet, dass man sich trotz des hö­he­ren Lohns we­ni­ger leis­ten konn­te. Die Ent­wick­lung des Preis­ni­veaus wird mit dem Lan­des­in­dex der Kon­su­men­ten­prei­se (LIK) ge­mes­sen. Hier­zu wird ein Wa­ren­korb de­fi­niert, wel­cher die wich­tigs­ten Waren und Dienst­leis­tun­gen eines durch­schnitt­li­chen Haus­halts um­fasst. Eine In­fla­ti­on von 2.8 Pro­zent heisst, dass der Wa­ren­korb um so viel teu­rer ge­wor­den ist.

Mit­tel­fris­tig stei­gen die Re­al­löh­ne und die Pro­duk­ti­vi­tät in der Schweiz

Wenn man statt einer Mo­ment­auf­nah­me die Re­al­löh­ne über einen län­ge­ren Zeit­raum be­trach­tet, zeigt sich fol­gen­des Bild: Seit 2000 ist der Re­al­lohn­in­dex um 13 Pro­zent ge­stie­gen. Die glei­che pro­zen­tua­le Zu­nah­me ist bei der Ar­beits­pro­duk­ti­vi­tät be­mes­sen am BIP pro Be­schäf­tig­te zu be­ob­ach­ten. Dies ist al­ler­dings nicht das beste Mass, um die Pro­duk­ti­vi­tät zu mes­sen. Ge­ra­de wenn ver­mehrt Teil­zeit ge­ar­bei­tet wird, un­ter­schätzt das BIP pro Be­schäf­tig­te die Pro­duk­ti­vi­täts­ent­wick­lung, weil die tat­säch­li­che Ar­beits­zeit nicht be­rück­sich­tigt wird. Es macht daher mehr Sinn, die Pro­duk­ti­vi­tät in BIP pro Ar­beits­stun­de aus­zu­drü­cken. In die­sem Mass ist die Ar­beits­pro­duk­ti­vi­tät seit 2000 gar um 26 Pro­zent ge­stie­gen und damit stär­ker als die Re­al­löh­ne. Wer­den die Ar­beit­neh­men­den also nur be­dingt für Pro­duk­ti­vi­täts­ge­win­ne be­lohnt?

Es gibt zwei Ar­gu­men­te, wes­halb diese These nicht zu­tref­fend ist: Die Ar­beits­zeit und der Lohn­an­teil am BIP. Im Jahr 2000 hat ein Voll­zeit­be­schäf­tig­ter im Schnitt 1'976 Stun­den ge­ar­bei­tet (inkl. Über­stun­den und Ab­sen­zen). Seit­her ist die tat­säch­li­che Ar­beits­zeit ge­sun­ken. Im Jahr 2022 ar­bei­te­ten Voll­zeit­be­schäf­tig­te noch 1'825 Stun­den. Dies ent­spricht einem Rück­gang von 8 Pro­zent be­zie­hungs­wei­se 151 Stun­den. Die­ser Rück­gang der Ar­beits­zeit wird im Re­al­lohn­in­dex aber un­ge­nü­gend er­fasst. Wür­den wir immer noch gleich viel ar­bei­ten wie im Jahr 2000, dann wären die Re­al­löh­ne um rund 21 Pro­zent und damit deut­lich stär­ker ge­stie­gen. Einen Teil der Pro­duk­ti­vi­täts­ge­win­ne haben die Ar­beit­neh­men­den somit in Form von zu­sätz­li­cher Frei­zeit be­zo­gen.

Das zwei­te Ar­gu­ment dafür, dass die Ar­beit­neh­men­den eben doch für die stei­gen­de Ar­beits­pro­duk­ti­vi­tät be­lohnt wer­den, fin­det man im An­teil der Ar­beit­neh­me­rent­gel­te am BIP (auch Lohn­quo­te ge­nannt). Das BIP kann in ver­schie­de­ne Ein­kom­mens­ar­ten un­ter­teilt wer­den, wobei in die­sem Fall die Ar­beit­neh­me­rent­gel­te und die Be­triebs­über­schüs­se der Un­ter­neh­men re­le­vant sind. Wür­den die Un­ter­neh­men die Pro­duk­ti­vi­täts­ge­win­ne nicht wei­ter­ge­ben, würde der An­teil der Be­triebs­über­schüs­se am BIP auf Kos­ten der Lohn­quo­te stei­gen. Tat­säch­lich ist seit 2000 eine ge­gen­läu­fi­ge Ent­wick­lung zu be­ob­ach­ten. Die Lohn­quo­te hat sich von 54 auf 58 Pro­zent er­höht. Der An­teil der Be­triebs­über­schüs­se ist da­ge­gen von 20 auf 16 Pro­zent ge­sun­ken.

Fazit: Die Pro­duk­ti­vi­täts­fort­schrit­te wer­den an die Ar­beit­neh­men­den wei­ter­ge­ge­ben. Diese er­hiel­ten in den letz­ten Jah­ren mehr und nicht we­ni­ger von der ge­samt­wirt­schaft­li­chen Wert­schöp­fung. Zu­gleich ist fest­zu­hal­ten, dass die Ar­beit­neh­men­den teil­wei­se auf Lohn ver­zich­tet und dafür mehr Frei­zeit kon­su­miert haben.