Fokus Inflation XIII: Staatspreise machen alles nur schlimmer

Die Linke jubelt: Dank staatlich fixierter Preise würde die Inflation in der Schweiz tiefer ausfallen. In der Tat werden die Preise für Stromkleinkunden im nächsten Jahr weniger steigen als im freien Markt und haben bereits einen (kleineren) Beitrag dazu geleistet, die Inflation in der Schweiz zu bremsen. Entsprechend sehen sich Linke in ihrem Weltbild bestärkt: Sie misstrauen dem Markt abgrundtief und (das sagen sie nicht so laut) gewinnen durch ihre starke Präsenz im Staat und den staatsnahen Unternehmen mit jedem administrierten Preis an Einfluss. Doch staatlich festgesetzte Preise verschlimmern die Lage. Und im Energiesektor erhöhen sie die Wahrscheinlichkeit eines Blackouts, welcher fatale Folgen für den Wirtschaftsstandort und die Menschen haben kann.

Doch gehen wir der Reihe nach und starten mit dem ökonomischen Einmaleins:

Erstens: Bei einem hohen Preis ist die Nachfrage tief, weil sich die Menschen weniger davon leisten können oder wollen. Wenn der Preis tief ist, dann ist die Nachfrage meistens gross. Beim Angebot ist es in der Regel umgekehrt: Wenn die Preise steigen, sind immer mehr Anbieter bereit zu produzieren. Das Angebot steigt. Wenn die Preise tief sind, dann steigen einige aus dem Markt aus und das Angebot sinkt.

Zweitens: Greift der Staat nicht ein und gibt es keine monopolistischen Strukturen, dann bestimmen Angebot und Nachfrage den Preis. In der sehr vereinfachten, unten stehenden Darstellung des Strommarktes resultiert ein Preis P1 und die Menge M1 wird gehandelt.

Nun überfällt die russische Armee die Ukraine. Europaweit gehen Atom- und Kohlekraftwerke vom Netz. Die Gaslieferungen aus Russland stocken. Was könnte nun im Winter 2023 passieren? Die bereits angespannte Marktsituation könnte sich infolge einer Gasmangellage akzentuieren. Wenn Gas für die Stromproduktion in den Gaskraftwerken fehlt, fällt auch die Stromproduktion kleiner aus.

Zurück zu unserer vereinfachten Darstellung des Strommarktes: Die Angebotskurve verschiebt sich von A1 auf A2. Weil der Preis dadurch derart stark ansteigt, sinkt die nachgefragte Menge von M1 auf M2. Die Menschen sparen Strom, indem sie etwa die Kühlschränke auf 7 Grad einstellen oder die Zimmertemperatur auf 18 Grad senken. Firmen produzieren weniger oder finden Sparmöglichkeiten. Eine Entwicklung, die zu 100 Prozent im Sinne einer von den Linken geforderten Energie- und Umweltpolitik ist.

Die dritte Einsicht ist somit, dass der höhere Preis dazu führt, dass die Konsumentinnen und Konsumenten Energie sparen.

 

Preisniveau und Produktionsmenge

 

Was passiert nun, wenn die Preise in einer solchen Situation gedeckelt und künstlich tief gehalten werden? Oder vornehmer ausgedrückt – staatlich administriert werden?

Gehen wir wieder von der gleichen Situation aus wie oben. Aufgrund einer Mangellage verschiebt sich die Angebotskurve von A1 zu A2. Ist der Preis nun aber bei P1 gedeckelt, dann wird von den Anbietern nur noch die Menge M3 produziert (vgl. unten stehende Grafik). Verschiedene Produzenten geben auf, weil ihre Kosten nicht mehr gedeckt sind. Die Nachfrage ändert sich aber bei einem gedeckelten Preis (P1) nicht, denn niemand hat einen Anreiz, Strom zu sparen. Somit übersteigt die Nachfrage das Angebot (siehe Überschuss-Nachfrage in der unten stehenden Grafik). In einem normalen Markt gäbe es Warteschlangen. Beim Strommarkt sind die Auswirkungen weit verheerender: Es kommt zum Blackout, da die Netzspannung nicht aufrechterhalten werden kann.

Dies führt uns zur vierten Erkenntnis: Staatseingriffe in den Preismechanismus be- oder verhindern das Stromsparen und machen einen Blackout im Strommarkt wahrscheinlicher.

Natürlich ist diese Darstellung stark vereinfacht. Bereits heute wird der Strom für die nächsten Jahre gehandelt. Auf diesen sogenannten forward-Märkten spielen die Erwartungen eine grosse Rolle. Dies ist der Grund, wieso wir bereits heute Berichte über stark gestiegene Preise lesen. Man kann die Sachlage im Strommarkt noch viel komplizierter darstellen und auf viele weitere Besonderheiten hinweisen. Aber schliesslich gilt immer: Strom ist keine politische Grösse, sondern durch und durch eine physikalische. Fällt die Stromfrequenz unter 50 Hertz, dann ist Feierabend. Es kommt zum Blackout. Das politische Wunschdenken spielt dabei absolut keine Rolle. Weder heute noch in 100 Jahren.

 

Preisniveau, Überschussnachfrage und Produktionsmenge

 

Dieser Beitrag ist am 23. September zuerst in den Titeln von CH Media publiziert worden.


FOKUS INFLATION

Folge I: Achtung Geldillusion – Der Franken ist nicht mehr so stark wie 2015 

Folge II: Vier Gründe für die rekordhohe Inflationsrate in den USA

Folge III: «This time is different» – wirklich?

Folge IV: Nicht neutral, sondern ganz schön fies

Folge V: Die unabhängige SNB schlägt zurück

Folge VI: Wieso schlägt der Ölpreisanstieg nicht stärker auf die Schweiz durch?

Folge VII: Der Ukraine-Krieg heizt die Inflation an

Folge VIII: Der perfekte Sturm – so entsteht eine Hyperinflation

Folge IX: Die Geldpolitik der USA und der EZB – ein Spiel mit dem Feuer

Folge X: Ist die Türkei auf dem Weg zur Hyperinflation?

Fokus XI: Eine Zentralbank muss die Märkte überraschen dürfen

Fokus XII: «Forward Guidance» – eine Medizin mit Nebenwirkungen

Fokus XIII: Staatspreise machen alles nur schlimmer