Knappes Nein zum Industriezollabbau als schlechtes Signal für KMU
Die Wirtschaftskommission des Ständerats vergibt nur ganz knapp die Chance, mitten in der Corona-Krise ein klares positives Signal an die Unternehmen zu senden. Mit dem Industriezollabbau könnte sie Firmen, Konsumenten und die Volkswirtschaft einfach und nachhaltig unterstützen.
Die Wirtschaftskommission des Ständerats (WAK-S) hat an ihrer heutigen Sitzung über den Industriezollabbau beraten. Mit 6 zu 6 Stimmen und Stichentscheid des Präsidenten entschied sich die Kommission äusserst knapp für Nichteintreten. Für die Wirtschaft ist die Haltung der Kommissionsmehrheit unverständlich, denn der Industriezollabbau ist einfach umsetzbar und würde dem Staat, den Firmen und der Bevölkerung viele Vorteile bringen.
Abbau von Zöllen – ein Gewinn für Wirtschaft und Konsumenten
Einer hauchdünnen Mehrheit der WAK-S scheint es egal zu sein, dass Industriezölle für den heutigen Schweizer Wirtschaftsstandort ein Hindernis darstellen. Unsere global ausgerichtete und in grenzüberschreitende Produktionsnetzwerke eingebundene Volkswirtschaft ist auf günstige ausländische Vorleistungen angewiesen. Dies gilt sowohl für die auf dem Schweizer Markt tätigen Unternehmen als auch für die Exportbranche.
Neben den finanziellen und administrativen Erleichterungen für die Wirtschaft geniessen auch die Konsumenten Vorteile eines Abbaus von Industriezöllen. So kann angesichts des hohen Wettbewerbsdrucks davon ausgegangen werden, dass die Unternehmen entsprechende Kosteneinsparungen an die Endkunden weitergeben (z.B. Kleider, Schuhe, Autos oder Kosmetika). Ausserdem sieht das Geschäft ein Monitoring zur Evaluation der Weitergabe von Preiseffekten auf die nachgelagerten Stufen bzw. Konsumentinnen und Konsumenten vor. Zusätzlich zum sinkenden Preisniveau in der Höhe von 350 Millionen Franken führt der Industriezollabbau durch die gesteigerte Wirtschaftsleistung zu höheren Einkommen. Gemäss Schätzungen resultiert für eine vierköpfige Familie daher ein Plus von rund 170 Franken pro Jahr.
Wichtige Stütze für die Exportwirtschaft
Die neusten Zahlen des Schweizer Aussenhandels verdeutlichen die negativen Folgen der Corona-Krise für die hiesige Exportwirtschaft auf eindrückliche Weise. Im zweiten Quartal 2020 wurde ein historischer Rückgang des Aussenhandels verzeichnet. Trotz einer ersten Erholung in den letzten beiden Monaten sind die Exporte noch weit unter dem Volumen vor der Krise.
Die Exportindustrie erwirtschaftet rund 40 Prozent der Schweizer Nettowertschöpfung und gehört zu den wichtigsten Standbeinen des hiesigen Wirtschaftsstandorts. Zur Stützung der Aussenwirtschaft müssen nun die Rahmenbedingungen schnell verbessert werden. Der Abbau der Industriezölle leistet einen entscheidenden Beitrag dazu.
Nutzen des Industriezollabbaus überwiegt
Eine zentrale Fragestellung des Geschäfts ist das Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen. Dabei sind die wegfallenden Zolleinnahmen viel kleiner als die Summe der administrativen und finanziellen Erleichterungen für Verwaltung, Firmen und Konsumenten. Zudem führen diese Erleichterungen laut Studien zu zusätzlichen Steuereinnahmen und einem Wachstum des Bruttoinlandprodukts. In Zahlen ausgedrückt belaufen sich die Ausfälle in der Staatskasse netto auf etwa 300 Millionen Schweizer Franken. Diese werden allerdings durch den Wohlfahrtsgewinn von jährlich 860 Millionen mehr als kompensiert. Folglich resultiert eine volkswirtschaftlich positive Bilanz. Diese Fakten waren auch der Grund, warum sich die Finanzkommissionen beider Räte bereits für den Zollabbau ausgesprochen haben – auch im Umfeld der Corona-Krise. Aus finanz- und sachpolitischen Überlegungen hat der Industriezollabbau also überzeugt.
Rahmenbedingungen für die Zukunft
Der Industriezollabbau und die Vereinfachung der Zollstruktur bringen gerade für KMU und Firmen mit begrenztem Zollwissen Vorteile. Aber: Die Umstellung geht mit firmenseitigen Kosten einher. Um diese möglichst tief zu halten, muss die Änderung der Tarifstruktur gleichzeitig mit der Revision des harmonisierten Systems der Weltzollorganisation und dem Digitalisierungsprojekt des Schweizer Zolls (DaziT) erfolgen. Dass in der WAK-S die finanz- und sachpolitischen Argumente des Geschäfts von einer äusserst kleinen Mehrheit nicht berücksichtigt wurden, ist sehr bedauerlich. Das Resultat zeigt aber auch, dass viele Politiker sehr wohl die Vorteile des Industriezollabbaus sehen. Für die Schweizer Unternehmen ist es gerade in der sehr schwierigen Zeit wichtig, dass das Ständeratsplenum der Vorlage in der Herbstsession doch noch zustimmt.
Lesen Sie hierzu auch unser dossierpolitik mit weiteren Fakten und Hintergrundinformationen zum Industriezollabbau.