Steuerpolitik darf die wirtschaftliche Erholung nicht gefährden
Bei den Massnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise steht die Steuerpolitik bislang nicht im Vordergrund. Die Stundung von Steuerforderungen ohne Verzugszins hat der Bundesrat bereits frühzeitig beschlossen. Nun werden Stimmen laut, die steuerliche Massnahmen zur Finanzierung der Krisenlasten fordern. Die Vorschläge sind abzulehnen, weil sie kontraproduktiv sind. Sie schaden der wirtschaftlichen Erholung und damit auch dem Ziel eines ausgeglichenen Staatshaushalts.
Schädlicher Corona-Zuschlag auf der Gewinnsteuer
ETH-Professor Jan-Egbert Sturm schlägt vor, die finanziellen Corona-Lasten teils durch einen temporären Zuschlag auf der Gewinnsteuer zu finanzieren. Ein Gewinnsteuerzuschlag ist mit Blick auf die konjunkturelle Erholung kritisch zu beurteilen. Gemäss OECD-Ökonomen wirkt sich die Gewinnsteuer von allen Steuerarten am schädlichsten auf das Wachstum aus. Dies vor allem, weil sie Investitionen verhindert. Zudem besteht ein wissenschaftlicher Konsens, dass die Gewinnsteuer zu einem substanziellen Teil über tiefere Löhne auf die Arbeitnehmer überwälzt wird. Damit wirkt der Zuschlag dem Kurzarbeitsprogramm zum Erhalt des Lohnniveaus entgegen.
Durch den Zuschlag massgeblich belastet würden die wenigen finanziell erfolgreichen Firmen. Bereits vor der Krise bezahlten nur rund drei Prozent der Unternehmen 90 Prozent der Gewinnsteuer des Bundes. Es wäre verantwortungslos, diese Firmen, die für die Schweizer Wirtschaftsentwicklung und damit für die Erholung nach der Krise essenziell sind, steuerlich stärker zu belasten.
Ferner ist zu berücksichtigen: die Gewinnsteuer wirkt automatisch stabilisierend. Bezahlen muss nur, wer tatsächlich Gewinne erzielt. Unternehmen, die in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, erzielen keinen Gewinn und entrichten keine Gewinnsteuer. Verluste können zudem auf spätere Steuerperioden vorgetragen werden. Das reduziert die Steuerlast betroffener Firmen im Nachgang der Krise und fördert die konjunkturelle Erholung. Durch die Krise weniger belastete Firmen beteiligen sich demgegenüber im Rahmen ihres wirtschaftlichen Erfolgs über die Gewinnsteuer automatisch an den Kosten der Krisenüberwindung. Ein diskretionärer Eingriff – ein spezieller Krisenzuschlag – ist dafür nicht notwendig.
Vorschlag widerspricht der Bundesverfassung
Nicht zuletzt ist der Vorschlag im Rahmen der rechtsstaatlichen Praxis untauglich. So ist die Gewinnsteuer des Bundes verfassungsmässig auf das heutige Niveau von 8,5 Prozent begrenzt (Art. 128 BV). Ein darüber hinausgehender Zuschlag erfordert eine Verfassungsänderung inklusive obligatorischer Volksabstimmung. Die Umsetzungsfrist (auch eine Rückwirkung ist verfassungsmässig ausgeschlossen) schliesst diese zeitnah einzuführende, temporäre Krisenmassnahme faktisch aus.
Voraussetzung für gesunde Staatsfinanzen ist eine gut laufende Wirtschaft
Eine Steuerpolitik, die die Krise verstärkt oder die konjunkturelle Erholung verzögert, lehnt die Wirtschaft ab. Eine Politik der hohen Steuern ist keine Antwort auf drohende Haushaltsdefizite. Dank einer flexibel ausgestalteten Schuldenbremse verfügt der Bund über ausreichenden finanziellen Spielraum. Einerseits sind in einer Rezession Defizite zulässig, die je nach Unterauslastung der Wirtschaft umfangreich ausfallen können. Andererseits sind ausserordentliche Ausgaben möglich, die in wirtschaftlich besseren Zeiten kompensiert werden müssen (wobei lange Fristen festgelegt werden können). economiesuisse hat dafür einen konkreten, verbindlichen Mechanismus vorgeschlagen.
Die Schweiz hat in guten Zeiten vor der Krise dank der Schuldenbremse vorgesorgt. Überschüsse und Schuldenabbau wurden oft kritisiert, zahlen sich nun aber in Form einer tragbaren Verschuldung aus. Voraussetzung für langfristig stabile Staatsfinanzen ist letztlich die rasche wirtschaftliche Erholung. An diesem Ziel sollte sich auch die Steuerpolitik ausrichten – im Mindesten ist zu verlangen, dass sie dem Ziel nicht schadet.