Corona-Virus: Braucht es nun ein Konjunkturprogramm?
Das Corona-Virus hält die Welt in Atem. Auch in der Schweiz steigen die Fallzahlen. Letzte Woche hat der Bund Grossveranstaltungen verboten. Die wirtschaftliche Belastung durch die Epidemie wird im In- und Ausland immer offensichtlicher.
Rasch werden nun Vergleiche zu anderen Krisensituationen gezogen, um daraus Rückschlüsse auf die gegenwärtige Situation zu ziehen. So intervenierten nach der Finanzmarktkrise die Notenbanken mit Zinssenkungen und einer Liquiditätszufuhr und konnten dadurch die wirtschaftliche Talfahrt bremsen. Auch wurden damals in vielen Ländern Konjunkturprogramme aufgesetzt, um die Nachfrage zu stabilisieren.
Zur Geldpolitik: Es ist leider zu befürchten, dass die grossen Notenbanken ihre Geldpolitik bald noch expansiver ausrichten. Der Realwirtschaft wird das jedoch kaum etwas nützen, da die Zinsen bereits sehr tief sind und Investitionen vor allem dann getätigt werden, wenn die Zukunftsaussichten gut sind. Solange das Virus für Unsicherheit sorgt, verzichten Unternehmen auf Investitionen. Daran werden eine Zinssenkung oder ein Aufstocken der Anleihenkäufe nichts ändern.
Geldvergabe an die Bürger oder Konjunkturprogramme wirken hier leider wenig.
Zu den Konjunkturprogrammen: Ein vordergründig lukrativer Vorschlag lautet, die Notenbanken sollen für zusätzliche Nachfrage sorgen und Geld an die Bürger verschenken, um so die Konjunktur zu stabilisieren. Dieses «Helikoptergeld» kann vielleicht in den USA einen geringen Effekt erzielen. Dort ist die Sparquote niedrig bzw. die Konsumneigung hoch und die Importquote ist tief. Mit anderen Worten würde ein Geschenk vielleicht den Konsum etwas ankurbeln. Anders in der Schweiz: Hier ist die Sparquote hoch. Das zusätzliche Geld würde vor allem zur Seite gelegt. Man kann den Gaul zwar zur Tränke führen, saufen muss er aber selbst. Und das tut der Schweizer halt nicht so gerne. Und wenn dann gekauft wird, sind es vielfach importierte Produkte, die kaum Wertschöpfung in der Schweiz generieren. Der Vorschlag ist also für die Schweiz untauglich. Schlimmer noch, er würde einer glaubwürdigen und stabilitätsorientierten Geldpolitik grossen Schaden zufügen.
Ein zweiter Vorschlag lautet: Der Staat soll ein Konjunkturprogramm aufsetzen und durch die höheren Ausgaben die Wertschöpfung im Land steigern. Nach der Finanzkrise finanzierte Deutschland etwa Abwrackprämien, um die Automobilindustrie zu stützen. China hat in Krisensituationen Infrastrukturbauten vorangetrieben. Und auch in der Schweiz haben wir Erfahrung mit solchen Konjunkturprogrammen. Das Problem ist: Sie kommen in der Regel zu spät und sind daher unnötig, oder sie setzen am falschen Ort an. Wenn Exportunternehmen Schwierigkeiten haben, nützt es nichts, wenn zum Beispiel mehr Infrastruktur gebaut wird. Aufgrund von Einsprachen und langen Prozessen wird auch vor allem dann gebaut, wenn sich die Wirtschaft schon längst erholt hat. Die Eidgenössische Finanzkontrolle stellte etwa 2012 fest: «Als kritischer Faktor für eine Konjunkturstimulierung erwies sich die zeitgerechte Realisierung von Massnahmen zum Rezessionszeitpunkt.»
Ein dritter Vorschlag kommt von den Gewerkschaften und kombiniert in fast schon kreativer Weise die ersten zwei: Es soll ein Konjunkturprogramm aufgesetzt werden, das durch die Nationalbank finanziert wird. Doch anders als beim «Helikoptergeld» sollen damit Massnahmen für den Klimaschutz realisiert werden. Dumm nur, dass die Nationalbank in diesem Fall einen Teil ihrer Fremdwährungsbestände auflösen müsste. Wenn sie aber Anlagen in Fremdwährung verkauft, in Schweizer Franken umtauscht und damit Klimamassnahmen finanziert, dann wertet sich der Franken auf. Statt die Konjunktur zu stimulieren, würden die Massnahmen also der jetzt schon gebeutelten Exportbranche Schaden zufügen. Dies kann nicht im Interesse der Gewerkschaften und schon gar nicht der Schweiz sein.
Das richtige Instrument liegt schon auf dem Tisch – es heisst Kurzarbeitsentschädigung.
Wenn Konjunkturprogramme aber nichts taugen, sollten wir einfach nichts tun und Tee trinken? Ja, denn wir verfügen in der Schweiz über ein zielgerichtetes, erprobtes und erfolgreiches Instrument, das zum richtigen Zeitpunkt wirkt: die Kurzarbeitsentschädigung. Unternehmen, die aufgrund von Corona-bedingten Umsatzeinbussen zu viel Personal beschäftigen, können diese Entschädigung beantragen. Dadurch kann ein Unternehmen, sei dies ein Industriebetrieb, ein Veranstalter oder ein Hotel, seine Kosten stark reduzieren. Die Kurzarbeitsentschädigung wirkt genau dann, wenn Firmen Probleme haben und nur genau so lange. Zudem entstehen kaum Mitnahmeeffekte oder sonstige ordnungspolitische Probleme. Und zu guter Letzt: Gerade für die gegenwärtige Situation ist die Kurzarbeitsentschädigung das richtige Instrument, ist doch davon auszugehen, dass die Krise nach ein paar Monaten zu Ende gehen wird.
Statt also nach einer staatlichen Konjunkturstimulierung zu rufen, sollten wir vielmehr die Rahmenbedingungen für alle Unternehmen verbessern. Dann nämlich kann die Wirtschaft am besten auf die Herausforderungen reagieren. So wie die Industrie den Frankenschock von 2015 überstanden hat, wird sie auch die Corona-Krise meistern. Konjunkturprogramme braucht es nicht.