Alte Frau vor Computer

Stabilisierung der AHV: OECD empfiehlt grosse Reform

Der neueste Länderbericht der OECD ortet in der Schweiz insbesondere bei der Altersvorsorge grossen Handlungsbedarf. Die Erhöhung des Rentenalters wird als längst überfälliger Schritt empfohlen. Die aktuelle Reformvorlage AHV21 sieht jedoch nur einen kleinen Schritt in diese Richtung vor. Sie setzt vor allem auf eine hohe Zusatzfinanzierung über die Mehrwertsteuer. Für economiesuisse kommt zur Sicherung der AHV nur eine ausgewogene Lösung infrage: Um den demografischen Realitäten Rechnung zu tragen, müssen finanzpolitische und strukturelle Massnahmen ausgewogen sein.

Seit der Einführung des ordentlichen Rentenalters 1948 ist die Lebenserwartung zum Zeitpunkt der Pensionierung um acht Jahre gestiegen. Die Lebenszeit im Ruhestand nimmt zu, was zu immer höheren Kosten bei der Altersvorsorge führt. Die Schweiz muss wie andere Länder etwas tun, damit die Altersvorsorge längerfristig finanzierbar bleibt. Im Länderbericht 2019, der kürzlich publiziert wurde, schlägt die OECD eine Reihe von Massnahmen vor, um die Schweiz auf die Alterung der Bevölkerung vorzubereiten: die Erhöhung des ordentlichen Rentenalters auf 67 Jahre und dessen anschliessende Koppelung an die Lebenserwartung, die Flexibilisierung des Umwandlungssatzes bei der 2. Säule und generelle Anreize, um die Menschen länger im Arbeitsprozess zu halten.

Vorgeschlagene Massnahmen des Bundesrats zur Stabilisierung der AHV

Bei der AHV hat der Bundesrat mit der Botschaft zur Stabilisierung der ersten Säule (AHV21) die Grundlage für die Diskussion im Parlament gelegt. Nachdem etliche Reformversuche gescheitert sind, hat die finanzielle Sicherung des wichtigsten staatlichen Sozialwerks oberste Priorität in der neuen Legislatur. Denn ohne Gegenmassnahmen ist der AHV-Fonds in zehn Jahren leer. Der OECD-Bericht zeigt eine mögliche Lösung auf. Es handelt sich dabei um eine auf der Leistungsseite grosse, in Anbetracht der Alterung der Gesellschaft aber konsequente Reform. In der Schweiz muss die Politik erst noch entscheiden, welchen Weg sie gehen möchte.

Mit der Anhebung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre hat der Bundesrat eine moderate Anpassung vorgeschlagen. Gleichzeitig will der Bundesrat die Finanzierung über die Mehrwertsteuer substanziell erhöhen (zusätzlich 0,7 Prozentpunkte). Die dadurch generierten Mehreinnahmen von rund 2 Milliarden Franken stehen vergleichsweise bescheidenen Minderausgaben beim Frauenrentenalter von rund 700 Millionen Franken gegenüber. Der Vorschlag des Bundesrats ist offensichtlich einseitig und unausgeglichen. Nicht nur gilt es, einen Ausgleich zwischen den Generationen herzustellen (Mehrwertsteuererhöhungen belasten z.B. Familien stark), sondern auch zwischen unterschiedlichen gesellschaftspolitischen Interessen. Ohne massgebliche strukturelle Anpassungen, wie sie die OECD vorschlägt, werden die altersbedingten Kosten aufgrund der zunehmenden Lebenserwartung längerfristig so stark ansteigen, dass andere öffentliche Ausgaben verdrängt werden. Für economiesuisse ist deshalb klar: Die Stabilisierung der AHV ist nur nachhaltig und gerecht, wenn die Zusatzfinanzierung maximal im gleichen Umfang erfolgt, wie strukturelle Massnahmen beschlossen werden.

Entscheidung liegt beim Parlament

Das Parlament hat in der Beratung der AHV21 zwei Möglichkeiten. Entweder es bleibt mit der Angleichung des Frauenrentenalters an dasjenige der Männer als einzige strukturelle Massnahme bei einer (leistungsseitig) kleinen Reform. In diesem Fall darf die Zusatzfinanzierung über die Mehrwertsteuer nicht mehr als 0,2 bis 0,3 Prozentpunkte betragen. Oder das Parlament entscheidet sich für einen grösseren Schritt, hält an der Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,7 Prozentpunkte fest und beschliesst gleichzeitig strukturelle Massnahmen mindestens im gleichen Umfang wie die Zusatzfinanzierung. Das wäre beispielsweise eine Erhöhung des Rentenalters für Männer auf 66 Jahre. Damit stünden den zusätzlichen finanziellen Mitteln gleichwertige Ausgabenkorrekturen entgegen.

Dass der Reformbedarf in der Schweiz gross ist, war schon vor dem OECD-Bericht bekannt. Mehr (Steuer-)Gelder allein können das AHV-Problem aber nicht lösen – zumindest nicht auf eine für die Wirtschaft und die Bevölkerung tragbare Weise. Dies würde wohl auch die OECD so sehen.