Asylgesetzrevision: für ein zukunftsfähiges und faires Asylwesen
- Introduction Executive summary | Positions of economiesuisse
- Chapter 1 Eine breit abgestützte Revision
- Chapter 2 Ein zukunftsfähiges Asylsystem für die Schweiz
- Chapter 3 Vorteile für alle dank Neustrukturierung
- Chapter 4 Ein wichtiger Mosaikstein bei der Umsetzung der MEI
- Chapter 5 Fazit: Konstruktive Lösungen anstatt weitere Blockade
Eine breit abgestützte Revision
Vielseitige Herausforderungen in der Asylpolitik
Die Schweiz pflegt eine langjährige humanitäre Tradition und ist stolz darauf. Die Herausforderungen in der Asylpolitik nehmen jedoch zu – umso mehr vor dem Hintergrund der aktuellen Flüchtlingsströme nach Europa. Das ist in der Schweiz nicht anders als in den umliegenden Ländern. Eine Revision des Asyl- gesetzes aus dem Jahre 1998 ist notwendig und wird auch von der Politik seit Längerem gefordert – besonders im Kontext der Abstimmung über die Masseneinwanderungsinitiative. Neben der Personenfreizügigkeit mit den EU-/EFTA-Staaten soll bei der Umsetzung auch die Asylpolitik berücksichtigt werden. Eine zukunftsfähige und faire Asylpolitik ist für die Schweiz wichtig, auch um die humanitäre Tradition nicht zu verlieren.
Im Zentrum der Forderungen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft stehen rasche, konsequente und faire Asylverfahren. Darauf hat der Bundesrat reagiert. Die entsprechende Botschaft zur Revision des Asylgesetzes wurde am 26. Mai 2010 publiziert. Auf die Forderung der staatspolitischen Kommission des Ständerats hin wurde das EJPD beauftragt, bis Ende März 2011 einen Bericht über die Situation im Asylbereich zu verfassen und neue Optionen aufzuzeigen, wie die Verfahren beschleunigt werden sollen. Aus den Arbeiten erfolgte die Erkenntnis, dass eine straffere Organisation der Prozesse sinnvoll ist. Ebenfalls vorgeschlagen wurde eine unentgeltliche Rechtsvertretung, um eine rasche, faire und konsequente Abwicklung der Asylverfahren zu gewährleisten. Mit dieser Neustrukturierung sollten auch die Anreize für offensichtlich unbegründete Asylgesuche sinken.
An der nationalen Asylkonferenz von Bund und Kantonen vom 21. Januar 2013 einigten sich die Beteiligten auf eine gemeinsame Erklärung, wonach sie der vorgeschlagenen Neustrukturierung zustimmen wollten. Zusammen mit dem Dachverband der Städte und Gemeinden wurden am 28. März 2014 die wichtigsten Eckwerte festgelegt:
- Im Rahmen der Neustrukturierung werden sechs Regionen mit insgesamt 5000 Plätzen in Bundeszentren gebildet.
- In jeder Region betreibt der Bund ein Verfahrenszentrum mit bis zu drei Ausreisezentren.
- Für Personen ausserhalb der Bundeszuständigkeit sind weiterhin die Kantone in Zusammenarbeit mit den Städten und Gemeinden zuständig.
- Kantonen, die besondere Leistungen als Standort- oder Flughafenkanton erbringen, werden weniger Asylsuchende zugewiesen.
- Bund, Kantone sowie Städte und Gemeinden treffen Massnahmen, damit sie auf Schwankungen der Asylgesuche mit flexiblem Personaleinsatz oder weiteren Vorkehrungen reagieren können.
- Am bestehenden Finanzierungssystem wird festgehalten.
- In einer Testphase soll die Neustrukturierung geprüft werden.
Bund, Kantone, Städte und Gemeinden haben die Vorlage dank der engen Zusammenarbeit schliesslich gemeinsam beschlossen und werden sie nach der Annahme an der Urne auch gemeinsam umsetzen.
Konstruktive Lösung wird von der SVP angegriffen
Die vorliegende Asylgesetzrevision nimmt die Anliegen aus Politik und Gesellschaft auf und berücksichtigt gleichzeitig rechtsstaatliche und völkerrechtliche Prinzipien. Damit hat der Bundesrat eine Gesetzesvorlage geschaffen, die geeignet ist, die anstehenden Anforderungen im Asylbereich zu meistern. Auch das Parlament teilt diese Meinung und hat der Revision mit einer grossen Mehrheit, jedoch gegen die Stimmen der SVP, zugestimmt. Im Nationalrat lag das Schlussergebnis bei 99 zu 53 Stimmen bei 12 Enthaltungen, im Ständerat bei 35 zu 3 Stimmen bei 5 Enthaltungen. Dass gerade die SVP, die bei jeder Gelegenheit eine schärfere Asylpolitik fordert, die Revision nun bekämpft, ist bedauerlich. Mit einer schwachen Argumentation gegen die sogenannten «Gratisanwälte» hat die Partei das Referendum noch vor der Schlussabstimmung ergriffen. Am 14. Januar 2016 hat die SVP die für das Referendum notwendigen Unterschriften (65’376) eingereicht. Die Vorlage kommt deshalb am 5. Juni 2016 zur Abstimmung.
Das Volk hat bereits Ja gesagt
Das Stimmvolk hat 2013 mit 78 Prozent Ja gesagt zu einer Revision des aktuellen Asylgesetzes. Damit wurden dringliche Änderungen bereits rechtskräftig und die Testphase in Bundeszentren ermöglicht. Die nun vorliegende Revision ist eine Folge dieser vom Volk bestätigten Anpassungen. Die Revision verankert nun dauerhaft die dringlichen Änderungen, die bis 2019 befristet sind und enthält weitere Massnahmen für ein zukunftsfähiges und faires Asylsystem. Wird die Asylgesetzrevision am 5. Juni an der Urne abgelehnt, dann fällt das Schweizer Asylsystem wieder auf den Stand vor den dringlichen Anpassungen zurück – dieser ist klar ungenügend. Die Ausarbeitung einer neuen Vorlage würde auf jeden Fall zwei bis drei Jahre beanspruchen.
Humanitäre Tradition: der Stolz der Schweiz
Seit Jahrhunderten bietet die Schweiz religiös und politisch Verfolgten Asyl. Darauf gründet die humanitäre Tradition des Landes. Bereits im 16. und 17. Jahrhundert, als in Frankreich die Hugenotten und die Waldenser wegen ihres Glaubens verfolgt wurden, flüchteten Zehntausende in die Schweiz. «Sonnenkönig» Louis XIV. war darüber gar nicht erfreut. Etwas später, nach 1792, waren die Royalisten dann selbst froh, dass sie von der Schweiz aufgenommen wurden. Seit dem 19. Jahrhundert gilt die Schweiz als klassisches Asylland, politisch Verfolgte aus allen Regionen fanden nach 1815 in der Schweiz eine neue Heimat – wenn sie sich ruhig verhielten. Ein weiteres Element, das der Schweiz den Ruf eines Landes mit humanitärer Tradition eintrug, war die Gründung des Roten Kreuzes. Unter dem Eindruck des unmenschlichen Leids auf dem Schlachtfeld bei Solferino schrieb der Genfer Kaufmann Henry Dunant ein Buch und warb damit in ganz Europa für seine humanitären Ideen. Diese fanden tatkräftige Unterstützung. Am 17. Februar 1863 gründeten Mitglieder der Genfer Gemeinnützigen Gesellschaft ein internationales Komitee der Hilfsgesellschaften für die Verwundetenpflege, das seit 1876 den Namen Internationales Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) trägt.