# 6 / 2017
17.08.2017

Altersvorsorge 2020 bringt grosse finanzielle Zusatzbelastung für den Bund

Ausgangslage: Die Reform der Altersvorsorge

Warum braucht es eine Reform?

Die Altersvorsorge steht in den nächsten Jahren vor grossen finanziellen Herausforderungen. Besonders bei der AHV stehen erhebliche strukturelle Probleme ins Haus. Haupttreiber ist die steigende Lebenserwartung der Bevölkerung und die demnächst in Pension gehenden Babyboomer-Jahrgänge, die das Verhältnis von Beitragszahlern zur Anzahl Rentner in den nächsten Jahren dramatisch verschlechtert: Zwischen 2015 und 2040 erhöht sich die Zahl der Rentner von 1,5 auf 2,6 Millionen, während die Zahl der Jungen bis Lebensalter 19 lediglich von 1,7 auf 1,9 Millionen steigt. Dadurch wird die Finanzierung der Renten auf immer weniger Schultern verteilt. Finanzierten bei der Einführung der AHV im Jahr 1948 noch 6,5 Aktive eine AHV-Rente, werden 2035, wenn ein Grossteil der «Babyboomer» pensioniert ist, gerade noch 2,3 Erwerbstätige für eine AHV-Rente aufkommen. 

Doch auch die zweite Säule der Altersvorsorge – die berufliche Vorsorge – steht vor grossen Problemen. Rentner müssen wegen der steigenden Lebenserwartung immer länger von ihrem persönlich angesparten Altersguthaben in der Pensionskasse leben. Bei unverändertem Rentenleistungsniveau reicht ihr Alterskapital jedoch nicht aus, um ihnen die Rente bis zum Lebensende zu finanzieren. Deshalb greifen die Pensionskassen auf Beiträge der Erwerbstätigen zurück, um den Pensionären die Renten weiterhin auszahlen zu können. Dies widerspricht unserem System der Altersvorsorge fundamental. Denn in der zweiten Säule spart jeder selbst für seine Pensionierung. Diese ungewollte Umverteilung in Milliardenhöhe geht voll zulasten der aktiven Generation.

Reform verfehlt die gesteckten Ziele

Der Bundesrat hat vor diesem Hintergrund entschieden, die erste und zweite Säule gemeinsam zu reformieren. Zu den Hauptzielen der Reform erklärte er den Erhalt des gegenwärtigen Rentenniveaus sowie die finanzielle Absicherung beider Säulen in einer alternden Gesellschaft. Nicht vorgesehen war hingegen ein Leistungsausbau. Genau dies hat das Parlament mit dem AHV-Ausbau beschlossen (siehe Box). Damit wird insbesondere das Ziel einer finanziellen Stabilisierung der chronisch defizitären AHV verfehlt.

Die Eckwerte der Reform

Am 24. September stimmen die Schweizerinnen und Schweizer über zwei Vorlagen ab. Einerseits über die Erhöhung der Mehrwertsteuer, andererseits über die eigentliche Rentenreform. Beide Vorlagen sind miteinander verknüpft – somit müssen beide Vorlagen angenommen werden. Scheitert eine, tritt die Vorlage nicht in Kraft. Konkret umfassen die beiden Vorlagen insbesondere die folgenden Punkte:

  • Erhöhung des Frauenrentenalters ab 2018 in vier Schritten auf 65 Jahre.
  • Alle Neurentner (Frauen und Männer, die ab 2018 das Referenzalter erreichen), nicht aber die bestehenden Rentner, erhalten pro Monat 70 Franken mehr AHV – unabhängig von ihren finanziellen Verhältnissen. Zusätzlich wird die maximale Ehepaarrente um 226 Franken erhöht (durch eine Erhöhung des sogenannten Ehepaarplafonds von 150 auf 155 Prozent).
  • Erhöhung der Mehrwertsteuer um insgesamt 0,6 Prozentpunkte zur Finanzierung der AHV. Die ersten 0,3 Prozentpunkte fallen per 1. Januar 2018 an. Dabei wird der auf diesen Zeitpunkt hin frei werdende Anteil aus der auslaufenden IV-Zusatzfinanzierung auf die AHV übertragen. Die zweiten 0,3 Prozentpunkte werden 2021 fällig.
  • Das Demografieprozent wird vollständig der AHV übertragen.
  • Anhebung der Lohnbeiträge um 0,3 Prozentpunkte per 2021.
  • Flexibilisierung des Rentenbezugs zwischen 62 und 70 Jahren ab 2018, koordiniert für beide Säulen.
  • Senkung des Mindestumwandlungssatzes ab 2019 in vier Schritten von 6,8 auf 6,0 Prozent. Davon betroffen sind insbesondere die knapp 15 Prozent der Versicherten, die sich im obligatorischen Bereich befinden. Um das heutiges Rentenniveau sicherzustellen, sind Kompensationsmassnahmen innerhalb der beruflichen Vorsorge vorgesehen:
    • Anhebung der Altersgutschriftensätze der 35- bis 54-Jährigen um einen Prozentpunkt.
    • Anpassung des Koordinationsabzugs: Gemäss Parlamentsbeschluss soll der Koordinationsabzug von derzeit fix 24’675 Franken künftig 40 Prozent des AHV-Einkommens entsprechen, aber dabei mindestens 14’100 Franken und maximal 21’150 Franken betragen.
    • Übergangsgeneration ab Alter 45: Wer über 45 Jahre alt ist, erhält in der beruflichen Vorsorge eine Besitzstandsgarantie. Dieser Übergangsgeneration wird die Senkung des Mindestumwandlungssatzes wenn nötig mit Zahlungen aus dem Sicherheitsfonds vollständig abgegolten. In den Genuss dieser Kompensation kommen allerdings nur jene obligatorisch Versicherten, die tatsächlich bis zum Referenzalter 65 arbeiten und dann die Rente beziehen.
  • Der Freibetrag für erwerbstätige Rentner in der Höhe von 1400 Franken pro Monat soll gestrichen werden.
  • Verschärfungen für die Lebensversicherer: Die Spar-, Risiko- und Kostenprozesse sollen neu strikt voneinander getrennt und die Risikoprämien sollen nach oben limitiert werden.

Auswirkungen auf den Bundeshaushalt werden kaum diskutiert

Es gibt viele Gründe, die gegen die Reform der Altersvorsorge 2020 sprechen: der Ausbau der AHV, die daraus resultierende finanzielle Hypothek für die jüngere Generation oder die Milliardenkosten für Wirtschaft und Bevölkerung. Ein wichtiger Aspekt, der in der Diskussion oft vergessen wird, sind die finanziellen Auswirkungen der Reform auf den Bundeshaushalt. Dieser ist nämlich durch die Verflechtung mit der AHV unmittelbar von der Reform betroffen. Diesem Thema widmet sich das vorliegende dossierpolitik.