Die selt­sa­men Blü­ten der Re­gu­lie­rung

Letz­te Woche hat Bun­des­rat Alain Ber­set vor­ge­schla­gen, den Vor­be­zug von Pen­si­ons­kas­sen­bei­trä­gen künf­tig zu ver­bie­ten. Der in­ter­es­sier­te Zeit­ge­nos­se reibt sich die Augen. War es nicht ganz und gar im Sinne des Er­fin­ders, dass das an­ge­spar­te Ver­mö­gen im Alter den Le­bens­stan­dard si­chern soll­te – egal, ob es in einer selbst ge­nutz­ten Im­mo­bi­lie oder in einem Ka­pi­tal­fonds in­ves­tiert ist? Woll­te man nicht ge­ra­de mit der Mög­lich­keit des Vor­be­zugs auch jün­ge­ren Fa­mi­li­en den Er­werb eines Hau­ses oder einer Ei­gen­tums­woh­nung er­mög­li­chen? Aus prin­zi­pi­el­len, ord­nungs­po­li­ti­schen Grün­den konn­te der Bun­des­rat also nicht auf die Idee kom­men, die Mög­lich­kei­ten zum Vor­be­zug zu än­dern.

Könn­te es mit dem teil­wei­se über­hitz­ten Im­mo­bi­li­en­markt zu tun haben? Auch Fehl­an­zei­ge. Die Ban­ken haben letzt­hin be­schlos­sen, nur noch Hy­po­the­ken zu ver­ge­ben, wenn der Pen­si­ons­kas­sen­vor­be­zug höchs­tens zehn Pro­zent be­trägt, so dass zu­min­dest zehn Pro­zent der In­ves­ti­ti­on aus «ech­tem» Ei­gen­ka­pi­tal fi­nan­ziert wer­den muss. Wei­te­re Mass­nah­men drän­gen sich also nicht auf.

Er­staunt nimmt man des­halb die Be­grün­dung des Bun­des­rats zur Kennt­nis: Mit dem Ver­bot von Vor­be­zü­gen sol­len die Er­gän­zungs­leis­tun­gen re­du­ziert wer­den. Nun gut. In die­sem Be­reich müs­sen in der Tat Lö­sun­gen ge­fun­den wer­den. Man war­tet daher ge­spannt auf Zah­len: Wie viele Per­so­nen be­zie­hen Er­gän­zungs­leis­tun­gen, die zuvor Pen­si­ons­gel­der für den Kauf von Wohn­ei­gen­tum vor­be­zo­gen haben? Die Ant­wort bleibt aus. Schein­bar hat man sich mit der läs­ti­gen sta­tis­ti­schen Klein­ar­beit nicht auf­hal­ten wol­len. Hel­fen wir also nach: Die Zahl wird nicht gross sein. Das Ver­mö­gen wird ja nicht ver­nich­tet, nur weil es in einer Im­mo­bi­lie an­ge­legt ist.

Kurz­um: Die Not­wen­dig­keit die­ser Re­gu­lie­rung ist eben­so un­klar wie ihre Wirk­sam­keit. Der Vor­schlag ist auch ord­nungs­po­li­tisch nicht zu be­grün­den. Schlim­mer noch: Er un­ter­gräbt das Ver­trau­en der Ver­si­cher­ten, dass das Pen­si­ons­kas­sen­geld ihnen und nur ihnen ge­hört. Umso ir­ri­tie­ren­der ist es, dass die Lan­des­re­gie­rung non­cha­lant der­art un­aus­ge­reif­te Re­gu­lie­rungs­ide­en prä­sen­tiert.