Die Wirt­schaft be­grüsst die Bei­be­hal­tung des Pri­mats der De­mo­kra­tie

Ent­ge­gen dem Na­tio­nal­rat hat der Stän­de­rat die Ein­füh­rung der Ver­fas­sungs­ge­richts­bar­keit für Bun­des­ge­set­ze und völ­ker­recht­li­che Be­stim­mun­gen am Diens­tag ab­ge­lehnt. Die Klei­ne Kam­mer ist mit 27:17 Stim­men nicht auf par­la­men­ta­ri­sche In­itia­ti­ven, die eine Strei­chung von Art. 190 BV ver­langt hät­ten, ein­ge­tre­ten. Die Wirt­schaft be­grüsst die­ses Be­kennt­nis zur De­mo­kra­tie.
​Ge­stützt auf Art. 190 der Bun­des­ver­fas­sung (BV) sind Bun­des­ge­set­ze und Völ­ker­recht für das Bun­des­ge­richt und die an­de­ren rechts­an­wen­den­den Be­hör­den ver­bind­lich. Die­sen ist folg­lich ver­wehrt, Bun­des­ge­set­zen und völ­ker­recht­li­chen Be­stim­mun­gen auf­grund der Ver­let­zung ver­fas­sungs­mäs­si­ger Rech­te die An­wen­dung zu ver­sa­gen. Mit an­de­ren Wor­ten: Bun­des­ge­set­ze und völ­ker­recht­li­che Be­stim­mun­gen sind auch dann an­zu­wen­den, wenn sie der Bun­des­ver­fas­sung wi­der­spre­chen. Im Ge­gen­satz zu den meis­ten an­de­ren Län­dern und auch zu den Kan­to­nen kennt die Schweiz für Bun­des­ge­set­ze und völ­ker­recht­li­che Be­stim­mun­gen keine Ver­fas­sungs­ge­richts­bar­keit.

Die Frage der Ver­fas­sungs­ge­richts­bar­keit wird in der Schweiz seit jeher kon­tro­vers dis­ku­tiert. Im Jahr 1999 ver­zich­te­te das Par­la­ment be­wusst auf eine Ver­fas­sungs­ge­richts­bar­keit für Bun­des- und Völ­ker­recht. Es geht letzt­lich um den Ent­scheid, ob die De­mo­kra­tie oder der Rechts­staat Vor­rang haben soll. Wer soll das letz­te Wort als Ga­rant der Ver­fas­sung haben: das Volk oder das Bun­des­ge­richt?

Ver­recht­li­chung des po­li­ti­schen Sys­tems schafft Rechts­un­si­cher­heit
Ent­ge­gen dem Na­tio­nal­rat hat der Stän­de­rat am Diens­tag ent­schie­den, Art. 190 BV bei­zu­be­hal­ten. Das letz­te Wort als Ga­rant der Ver­fas­sung bleibt damit beim Volk. Die Klei­ne Kam­mer ist nach ein­ge­hen­der Dis­kus­si­on mit 27:17 Stim­men nicht auf ent­spre­chen­de par­la­men­ta­ri­sche In­itia­ti­ven ein­ge­tre­ten und sprach sich somit gegen die Strei­chung von Art. 190 BV aus. Die heu­ti­ge gel­ten­de Re­ge­lung mit dem Pri­mat der De­mo­kra­tie hat sich be­währt. Aus Sicht der Wirt­schaft be­steht kein Hand­lungs­be­darf, die an­läss­lich der Jus­tiz­re­form als po­li­ti­schen Kom­pro­miss be­stä­tig­te Bei­be­hal­tung der feh­len­den Ver­fas­sungs­ge­richts­bar­keit von Bun­des­ge­set­zen und völ­ker­recht­li­chen Be­stim­mun­gen auf­zu­he­ben. Auch aus Grün­den der Rechts­si­cher­heit ist es un­vor­teil­haft, wenn ein de­mo­kra­tisch be­schlos­se­nes Bun­des­ge­setz oder ein ge­neh­mig­ter völ­ker­recht­li­cher Ver­trag auf­grund eines ein­zel­nen Ver­wal­tungs- oder Ge­richts­ent­scheids plötz­lich nicht mehr an­wend­bar sein soll­te. Diese Ver­recht­li­chung des po­li­ti­schen Sys­tems ist ab­zu­leh­nen.

Das Ge­schäft geht zu­rück in den Na­tio­nal­rat. Die Gros­se Kam­mer ist nun auf­ge­ru­fen, sich dem Stän­de­rat an­zu­schlies­sen und die bis­he­ri­ge be­währ­te Re­ge­lung bei­zu­be­hal­ten.