SNB senkt Zin­sen: Un­ab­hän­gig, aber nicht ganz un­ei­gen­nüt­zig

Über­ra­schend senkt die SNB die Zin­sen um 0,25 Pro­zent­punk­te von 1,75 auf neu 1,5 Pro­zent. Ei­gent­lich zur Un­zeit, da die EZB und das Fed vor­erst an ihren hohen Zin­sen fest­hal­ten. Damit ver­schiesst die SNB ein Teil ihres Pul­vers, um bei Zins­sen­kun­gen der gros­sen Zen­tral­ban­ken re­agie­ren zu kön­nen. Der Zins­schritt sagt zwei­er­lei: Ers­tens ist die SNB un­ab­hän­gig und sorgt sich aus­schliess­lich um die Preis­sta­bi­li­tät in der Schweiz. Sie agiert ei­gen­stän­dig, ohne am Gän­gel­band der EZB zu sein. Zwei­tens hat die Zins­sen­kung aber auch eine fi­nan­zi­el­le Di­men­si­on: Weil die Ban­ken­bi­lanz immer noch rie­sig ist, muss die SNB hohe Zins­zah­lun­gen an Ban­ken leis­ten, um den Zins­satz im Markt durch­set­zen zu kön­nen. Mit der Zins­sen­kung muss die SNB nun ent­spre­chend we­ni­ger an die Ban­ken zah­len.

Die Prei­se sind An­fang 2024 deut­lich we­ni­ger stark ge­stie­gen als er­war­tet. Die In­fla­ti­ons­ra­te liegt der­zeit bei 1,2 Pro­zent. Mehr­wert­steu­er­er­hö­hung, hö­he­re Strom­prei­se und hö­he­re Mie­ten haben sich we­ni­ger stark auf die In­fla­ti­ons­ra­te aus­ge­wirkt als noch im De­zem­ber an­ge­nom­men wer­den muss­te. Zudem ist eine Lohn-Preis-Spi­ra­le weit­ge­hend aus­ge­blie­ben. Dies auch weil die Un­ter­neh­men mit einem an­ge­spann­ten Markt­um­feld zu kämp­fen haben und Preis­stei­ge­run­gen damit schwie­rig durch­zu­set­zen sind. Die In­fla­ti­on wird durch die im Ver­gleich zum Vor­jahr tie­fer­lie­gen­den Erd­öl­prei­se ent­las­tet. Aber auch die Kern­in­fla­ti­on, also die In­fla­ti­ons­ra­te ohne die vo­la­ti­len Kom­po­nen­ten En­er­gie, Treib­stof­fe und Nah­rungs­mit­tel, liegt mit 1,1 Pro­zent noch unter der durch­schnitt­li­chen In­fla­ti­ons­ra­te. Dies lässt er­war­ten, dass es in den nächs­ten Mo­na­ten zu kei­nem Wie­der­auf­flam­men der In­fla­ti­on kom­men wird. Ins­ge­samt liegt die In­fla­ti­ons­ra­te in der Schweiz sta­bil im Ziel­band der Schwei­ze­ri­schen Na­tio­nal­bank (SNB) zwi­schen 0 und 2 Pro­zent.

Aus­land war­tet mit Zins­sen­kun­gen

So­wohl die Eu­ro­päi­sche Zen­tral­bank (EZB) als auch das Fe­deral Re­ser­ve Sys­tem (Fed) möch­ten si­cher­stel­len, dass die In­fla­ti­on dau­er­haft be­siegt wer­den kann. In bei­den Wäh­rungs­räu­men liegt die In­fla­ti­on immer noch deut­lich über dem an­ge­streb­ten Wert von 2 Pro­zent. Eine zu frühe Zins­sen­kung könn­te zu einem Wie­der­auf­flam­men der In­fla­ti­on füh­ren. Die bei­den Zen­tral­ban­ken war­ten daher noch etwas ab, bis sie ih­rer­seits die Zin­sen sen­ken. Die SNB hätte daher eben­falls auf eine Zins­sen­kung ver­zich­ten kön­nen; die Zins­dif­fe­renz wäre immer noch gross ge­we­sen. Die SNB hat an­ders ent­schie­den: Sie senkt die Zin­sen und er­höht damit die Zins­dif­fe­renz zum Aus­land. Dies schwächt den star­ken Fran­ken und hilft so der Ex­port­in­dus­trie etwas.

Wie ist der Zins­schritt der SNB zu in­ter­pre­tie­ren?

Ers­tens zeigt er in aller Deut­lich­keit, dass die SNB un­ab­hän­gig ist. Sie ist nicht am Gän­gel­band der EZB und voll­zieht ein­fach deren Schrit­te nach. Der Zins­ent­scheid ist in Hin­blick auf die Preis­ent­wick­lung kon­sis­tent: Weil die leicht tie­fe­ren Zin­sen die Preis­sta­bi­li­tät in der Schweiz nicht ge­fähr­det, kann die SNB die­sen Schritt voll­zie­hen.

Zwei­tens aber kann der Um­stand, dass sich die SNB mit tie­fe­ren Zin­sen selbst ent­las­tet, den Ent­scheid mit­be­ein­flusst haben. Der Me­cha­nis­mus funk­tio­niert so: Die Ban­ken ver­fü­gen (immer noch) über sehr gros­se Sicht­gut­ha­ben bei der SNB. Damit die SNB einen be­stimm­ten Zins­satz im Markt durch­set­zen kann, muss sie diese Sicht­gut­ha­ben ver­zin­sen. Der Zins­satz muss so hoch sein, wie die SNB die Zin­sen im Markt haben will. An­sons­ten wür­den die Ban­ken ein­an­der zu einem Satz Geld lei­hen, der mal mehr mal we­ni­ger vom SNB ge­woll­ten Zins­satz ab­weicht. Und das geht ins Tuch: Die SNB hat im Jahr 2023 auf Fran­ken­po­si­tio­nen einen Ver­lust von 8,5 Mil­li­ar­den Fran­ken ein­ge­fah­ren. Ein Gross­teil davon ent­fällt auf Zins­zah­lun­gen an Ban­ken. Wenn sie nun die Zin­sen senkt, muss sie den Ge­schäfts­ban­ken auch we­ni­ger zah­len, um den Zins­satz durch­set­zen zu kön­nen. Ein Schelm, wer ver­mu­tet, dass diese sehr er­wünsch­te Ne­ben­wir­kung der Zins­sen­kung der SNB den Ent­scheid er­leich­tert hat.