# 9 / 2020
03.12.2020

Ja zum Freihandelsabkommen EFTA-Indonesien: Vorsprung für Schweizer Exportnation

Stärkung der nachhaltigen Entwicklung Indonesiens

Indonesien hat sich gegenüber der EFTA erstmals im Rahmen eines Freihandelsabkommens zu umfangreichen Regeln im Bereich Handel und nachhaltige Entwicklung verpflichtet. Diese Bestimmungen bekräftigen die massgeblichen materiellen internationalen Standards. Im Bereich der Menschenrechte sind das jene der Organisation der Vereinten Nationen (UNO), im Bereich Arbeit jene der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und im Bereich Umwelt jene der multilateralen Umweltabkommen (MEA). Ausserdem orientieren sich diese Bestimmungen auch an den nachhaltigen Entwicklungszielen der UNO (Agenda 2030). Zusätzlich stellen sie die Kohärenz zwischen den aussenpolitischen Zielen der Schweiz in den Bereichen Wirtschaft und nachhaltige Entwicklung sicher. Die Vertragsparteien verpflichten sich zudem ausdrücklich, dass das in den nationalen Gesetzgebungen festgelegte Schutzniveau betreffend Umweltschutz und Arbeitsstandards nicht gemindert wird, um Investitionen anzuziehen oder einen Handelsvorteil zu erlangen. Unter Berücksichtigung dieser Prämisse wird jedoch beiden Parteien weiterhin das Recht zugestanden, eigenständig innerstaatliche Schutzniveaus festzulegen.

Besonderes Gewicht wird ferner auf die nachhaltige Bewirtschaftung von Waldressourcen und Fischbeständen sowie eine nachhaltige Palmölproduktion gelegt (siehe Kapitel «Nachhaltige Palmölproduktion wird gestärkt»). Im Zentrum stehen unter anderem Bestimmungen, multilaterale Initiativen und Abkommen zur Stärkung der Biodiversität, der Reduktion von Treibhausgasemissionen oder der nachhaltigen Bewirtschaftung von Aquakulturen und Fischereigründen. 

Völkerrechtlich verbindlich

Wie alle Vertragskapitel ist auch jenes zu Handel und nachhaltiger Entwicklung für beide Parteien völkerrechtlich verbindlich. Im Falle von Unstimmigkeiten bezüglich der Auslegung und Anwendung der Bestimmungen des Kapitels zu Handel und nachhaltiger Entwicklung können beide Vertragsparteien im Gemischten Ausschuss oder im Rahmen des Streitbeilegungsmechanismus Konsultationen beantragen. Möglich ist auch, sich von einschlägigen internationalen Organisationen oder Stellen entsprechend beraten zu lassen. Nicht vorgesehen ist hingegen die Einsetzung eines Schiedsgerichts. 

Im Zentrum stehen für die EFTA-Staaten nicht Zwangsmassnahmen, sondern vielmehr der konstruktive Dialog und die langfristige Zusammenarbeit mit ihren Vertragspartnern. Diesen kooperativen – statt machtpolitischen – Ansatz verfolgt übrigens auch die EU. Er wird durch das Engagement der Schweiz beim gezielten Kapazitätsaufbau Indonesiens im Bereich der nachhaltigen Entwicklung unterstrichen (separate Zusatzvereinbarung). Dazu zählt etwa die Stärkung der Exportfähigkeit lokaler Firmen oder der Nachhaltigkeit in agrarischen Lieferketten (z. B. Palmölproduktion, nachhaltige Produktionsbedingungen für Kleinbauern). Der Einbezug des Privatsektors ist dabei ein wichtiger Bestandteil.
 

Globale Vernetzung stärkt nachhaltige Entwicklung

Mit ihren vergleichsweise hohen Nachhaltigkeitsstandards erzielen Schweizer Unternehmen dann den grösstmöglichen positiven Einfluss auf die globale nachhaltige Entwicklung, wenn sie exportieren, importieren und im Ausland investieren. Ziel muss sein, möglichst viele Märkte, Unternehmen und Arbeitnehmende in internationale Wertschöpfungsketten zu integrieren und entsprechende Handelsgewinne für alle zugänglich zu machen (siehe Link zu unserem dossierpolitik über Handel & Nachhaltigkeit in der nachfolgenden Box). 

So haben die Vereinten Nationen in der Agenda für eine nachhaltige Entwicklung bis 2030 festgehalten, dass der internationale Handel als Motor für inklusives Wirtschaftswachstum und die Armutsbekämpfung sowie als wichtiges Mittel zur Erreichung der Ziele der nachhaltigen Entwicklung (Sustainable Development Goals; SDGs) unerlässlich ist. Diesem Grundsatz ist auch das umfassende Nachhaltigkeitskapitel im Freihandelsabkommen der EFTA mit Indonesien verpflichtet. Ein Verzicht auf eine Vertiefung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen dürfte es für die Schweiz jedoch schwieriger machen, einen aktiven Beitrag zur nachhaltigen ökonomischen, sozialen und ökologischen Entwicklung Indonesiens zu leisten.

Nachhaltigkeit hat drei Dimensionen

Bei Diskussionen zur Nachhaltigkeit geht oft vergessen, dass diese nicht nur aus einer ökologischen, sondern auch aus einer ökonomischen und sozialen Dimension besteht. Diese Dimensionen können sich gegenseitig beeinflussen, verstärken oder auch konkurrenzieren. Deshalb dürfen sie nicht voneinander getrennt betrachtet werden. Für die Schweizer Aussenwirtschaft ist eine nachhaltige Entwicklung entlang aller drei Dimensionen zentral. Denn nur mit einem nachhaltigen und schonungsvollen Einsatz der Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital lässt sich die wirtschaftliche Tätigkeit auf Dauer sichern. Schweizer Unternehmen haben also ein grosses Interesse an gesunden und gut ausgebildeten Mitarbeitenden (die produktiv sind), an einer intakten Umwelt (die auch in Zukunft natürliche Ressourcen bereitstellt) und an einer Rendite für das eingesetzte Kapital (die wiederum davon abhängt, ob die Kunden die angebotenen Produkte und Dienstleistungen attraktiv finden).

Mit ihrem Engagement in Ländern wie Indonesien schaffen Schweizer Firmen neue Arbeitsplätze vor Ort, erhöhen den Wohlstand und reduzieren die Armut, auch dank Wissens- und Technologietransfers (ökonomische Dimension). Damit verschaffen sie der lokalen Bevölkerung einen besseren Zugang zu Bildung und Gesundheit (soziale Dimension). Mit steigendem Einkommen nimmt der Konsum der lokalen Bevölkerung zu, was aus sozialer und ökonomischer Sicht sehr wünschenswert ist. Mittelfristig kann dies zwar einen höheren CO2-Verbrauch bewirken, ermöglicht es der Lokalbevölkerung aber längerfristig, in nachhaltige Güter wie beispielsweise effizientere Klimaanlagen zu investieren. Zudem verhilft die Einführung von neuen Technologien zu einer ressourcenschonenderen Produktion (ökologische Dimension). 

Lesen Sie hierzu unser dossierpolitik Handel & Nachhaltigkeit.

Nachhaltige Palmölproduktion wird gestärkt

Palmöl ist für Indonesien eines der wichtigsten Exportprodukte überhaupt. Das Exportvolumen belief sich 2019 auf 35,7 Millionen Tonnen. Damit ist Indonesien – noch vor Malaysia – der weltweit grösste Palmölexporteur. Die Palmölproduktion gehört generell zu einem der bedeutendsten Wirtschaftszweige in Indonesien. Sie hat gemäss einem Experten der Stanford University zwischen 2000 und 2016 in Indonesien 1,3 Millionen Menschen aus der Armut befreit. Rund 40 Prozent des produzierten Palmöls werden von Kleinbauern geerntet. 

Es ist deshalb offensichtlich, dass ein Abkommen ohne Zugeständnisse im Palmölbereich die Interessen Indonesiens nicht angemessen berücksichtigt hätte und kaum zustande gekommen wäre. Umgekehrt hätte die Schweiz beispielsweise kein Abkommen unterzeichnet, das keine ausreichenden Exporterleichterungen für die Uhrenindustrie beinhaltet hätte.

Nur 0,0001 Prozent der Palmölexporte Indonesiens gehen in die Schweiz

Die Schweiz importiert jedoch nur sehr geringfügige Mengen an Palmöl aus Indonesien: 2019 waren es lediglich 35 Tonnen – dies sind 0,16 Prozent der totalen Schweizer Palmölimporte (siehe folgende Grafik). 

Die totalen Palmölimporte der Schweiz haben seit 2015 um fast 25 Prozent abgenommen (siehe obenstehende Grafik). Zudem ist auch der Anteil der totalen Palmölimporte der Schweiz gemessen an den globalen Palmölimporten mit 0,04 Prozent marginal – ganz im Gegensatz zu den Schwergewichten Indien, China und der EU, die zusammen 46 Prozent der weltweiten Palmölimporte auf sich vereinen (siehe nachfolgende Grafik).

Aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive ist der bilaterale Palmölhandel mit Indonesien von untergeordneter Bedeutung. Gleichwohl ist Palmöl etwa für die verarbeitende Schweizer Lebensmittelindustrie ein wichtiger Rohstoff mit vorteilhafter Ertragsbilanz (rund viermal ergiebiger als Raps- oder Sonnenblumenöl, konstante und dauerhafte Erträge während bis zu 30 Jahren, weniger krankheitsanfällig). Oft kann es aufgrund seiner besonderen chemischen Eigenschaften (fest bei Zimmertemperatur, geschmacksneutral) zudem schwer mit anderen Fetten ersetzt werden.

Nur nachhaltiges Palmöl profitiert vom Abkommen

Die Palmölproduktion führt jedoch auch zu ökologischen und sozialen Problemen, die adressiert werden müssen. Mit einer spezifischen Bestimmung zu Produktion und Handel von pflanzlichen Ölen im Abkommen wird diesem Umstand denn auch explizit Rechnung getragen. So verpflichten sich die Vertragsparteien dazu, die Gesetze zum Schutz von Urwäldern und anderen Ökosystemen effektiv umzusetzen, die Abholzung, die Entwässerung von Torfmooren sowie Brandrodungen zu stoppen und die Rechte der indigenen Bevölkerung und der Arbeitnehmenden zu respektieren. Auch sollen die Entwicklung und Anwendung von Zertifizierungsprogrammen und Produktionsstandards für Erzeugnisse aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern gestärkt werden. 

Der Bundesrat wird in einer Verordnung die konkreten Bedingungen für die Einfuhr von nachhaltig produziertem Palmöl unter dem Freihandelsabkommen regeln. Die entsprechende Verordnung wird zusammen mit dem Abkommen in Kraft treten und hält fest, welche Zertifizierungssysteme als Nachweis für eine nachhaltige Palmölproduktion gelten und welche Kontrollmechanismen vorgesehen sind.

Vom WWF gegründetes RSPO-Label als Referenz-Standard

Auch der WWF plädiert anstelle eines Boykotts von Palmöl für eine nachhaltige Produktion und eine Kooperation mit dem Privatsektor. In diesem Zusammenhang initiierte er 2004 das weltweit inzwischen wohl bekannteste Label für nachhaltig produziertes Palmöl: Roundtable on Sustainable Palm Oil (RSPO) mit Sitz in Zürich. Dieser Runde Tisch umfasst Palmölproduzenten, Industrie, Handel, Finanzinstitute, Kleinbauern sowie Nichtregierungsorganisationen. Ziel ist, die Zerstörung von artenreichen Tropenwäldern zu verhindern und möglichst viele zur Einhaltung von ökologischen und sozialen Mindeststandards zu bewegen. Der RSPO ist das heute am weitesten verbreitete Label im Palmölsektor: 16,5 Millionen Tonnen Palmöl, rund 19 Prozent der globalen Produktion, sind nach ihm zertifiziert. Mittlerweile zählt er mehr als 4800 Mitglieder entlang der gesamten Lieferkette.

Im Jahr 2007 hat der RSPO erstmals eine Reihe von Prinzipien und Kriterien definiert, bei deren Anwendung der Anspruch einer nachhaltigen Palmölproduktion erfüllt ist. Im November 2018 haben die Mitglieder des RSPO neue Richtlinien verabschiedet und damit die Anforderungen an RSPO-zertifiziertes Palmöl verschärft. Dazu gehören beispielsweise ein Verbot der Erschliessung von Torfböden für den Palmölanbau, ein Verbot für den Einsatz von gefährlichen Pflanzenschutzmitteln, strengere Regelungen in Bezug auf die Rückverfolgbarkeit von Palmölfrüchten sowie höhere Anforderungen für die Einbindung von Kleinbauern.

Als Kriterium für die im Freihandelsabkommen mit Indonesien enthaltenen Zollerleichterungen beim Palmöl plant das Schweizer Wirtschaftsdepartement, sich auf bestehende Labels abzustützen. Dafür hat das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) verschiedene Palmöl-Standards vergleichen lassen. Dabei stellten sich in einer im Mai 2020 publizierten Studie das RSPO- und das POIG-Label (Palm Oil Innovation Group) als die bestklassierten heraus, mit 93 bzw. 91 Prozent Abdeckung aller Benchmarking-Kriterien. Kommt hinzu, dass RSPO-zertifiziertes Palmöl im Schweizer Markt bereits heute stark verbreitet ist. Daher scheint RSPO gemäss den Verfassern der Studie ein geeigneter Referenz-Standard zu sein.

 

Wirtschaft hat grosses Interesse an nachhaltig produziertem Palmöl 

Die Nachfrage nach nachhaltig produziertem Palmöl ist international derzeit noch sehr gering – teilweise auch aufgrund stark abgeschotteter Agrarmärkte der Industrieländer. Auch die Schweiz wies mit Blick auf die inländische Ölsaatproduktion grosse agrarpolitische Sensibilitäten auf. Deshalb beschränken sich die Zollreduktionen für indonesisches Palmöl auf bilaterale Zollkontingente. Diese gelten ausschliesslich für nachhaltig hergestellte Produkte und – zwecks Rückverfolgbarkeit – nur, wenn sie in 22-Tonnen-Tanks eingeführt werden. 

Trotz des begrenzten Angebots gelingt es der verarbeitenden Schweizer Nahrungsmittelindustrie gemäss Branchenschätzung, ihren Bedarf an Palmöl beinahe vollständig mit nachhaltig produziertem Palmöl zu decken. Dies unterstreicht, dass die Schweizer Unternehmen in der Nachhaltigkeit zu den Pionieren gehören. 

Nur wenn nachhaltiges Palmöl stärker nachgefragt wird, bestehen auch produzentenseitig Anreize, die Herstellungsprozesse entsprechend anzupassen. Würde dem Abkommen die innenpolitische Unterstützung versagt, verlöre die Schweiz damit auch ein wertvolles Instrument, um einen aktiven und langfristigen Beitrag zu einer noch stärker nachhaltig ausgerichteten Palmölproduktion in Indonesien zu leisten und entsprechende Bestrebungen vor Ort aktiv zu unterstützen.