Zur Nach­hal­tig­keit ge­hört der Schul­den­ab­bau

Die Co­ro­na­kri­se hat prä­ze­denz­lo­se Aus­wir­kun­gen für die Ver­schul­dung des Bun­des. Die Grund­la­gen zu schaf­fen, um die Ver­schul­dung wie­der ab­zu­tra­gen, ist Auf­ga­be der Po­li­tik. Die Mit­tel dazu ste­hen zur Ver­fü­gung, auch wenn der Schul­den­ab­bau viele Jahre dau­ern wird. Die Po­li­tik steht in der Ver­ant­wor­tung ge­gen­über der wich­tigs­ten fi­nanz­po­li­ti­schen In­sti­tu­ti­on der Schweiz, der Schul­den­brem­se – und ge­gen­über kom­men­den Ge­ne­ra­tio­nen, die mit neuen Kri­sen kämp­fen wer­den.

Auch aus­ser­or­dent­li­che Aus­ga­ben füh­ren zu einer Neu­ver­schul­dung, die ge­mäss den Re­geln der Schul­den­brem­se wie­der ab­ge­tra­gen wer­den muss.

Die Co­ro­na­kri­se mag in ver­schie­de­ner Hin­sicht prä­ze­denz­los sein – für die Ver­schul­dung des Bun­des ist sie es ganz be­stimmt. Noch nie hat der Bund in so kur­zer Zeit so hohe Schul­den ge­macht. Die Wirt­schaft hat von An­fang an dafür plä­diert, die Co­ro­na-Aus­ga­ben von be­reits über 30 Mil­li­ar­den Fran­ken ge­son­dert zu be­han­deln, weil sie un­mög­lich im or­dent­li­chen Haus­halt un­ter­zu­brin­gen sind. Aus­ser­or­dent­li­che Aus­ga­ben kann der Bund theo­re­tisch un­be­schränkt tä­ti­gen, die Schul­den­brem­se bie­tet dafür ein Ven­til. Aber auch aus­ser­or­dent­li­che Aus­ga­ben füh­ren zu einer Neu­ver­schul­dung, die ge­mäss den Re­geln der Schul­den­brem­se wie­der ab­ge­tra­gen wer­den muss. Ein zwei­tes Ven­til er­laubt, die nor­ma­le ge­setz­li­che Amor­ti­sa­ti­ons­dau­er von sechs Jah­ren not­falls zu ver­län­gern. 

Für eben noch ge­wälz­te Ideen, Kre­dit­res­te und Son­der­ein­nah­men für an­de­re Zwe­cke als den Schul­den­ab­bau zu ver­wen­den, be­steht nach Co­ro­na kein Platz mehr.

Für die Wirt­schaft steht nicht so sehr die Dauer des Schul­den­ab­baus im Vor­der­grund, son­dern die Ver­bind­lich­keit. Diese kann her­ge­stellt wer­den, indem be­stimm­te Mit­tel für den Schul­den­ab­bau re­ser­viert wer­den: Kre­dit­res­te, Ge­winn­aus­schüt­tun­gen der Schwei­ze­ri­schen Na­tio­nal­bank (SNB) und aus­ser­or­dent­li­che Ein­nah­men. Kre­dit­res­te flies­sen be­reits heute in den Schul­den­ab­bau; das Par­la­ment kann fest­le­gen, dass sie spe­zi­ell für die Til­gung der aus­ser­or­dent­li­chen Co­ro­na­schul­den ein­ge­setzt wer­den. Auch aus­ser­or­dent­li­che Ein­nah­men, die im letz­ten Jahr zum Bei­spiel aus der Ver­stei­ge­rung der 5G-Li­zen­zen an­fie­len, wer­den heute schon für den Schul­den­ab­bau ge­braucht; auch an die­ser Regel ist fest­zu­hal­ten. Für eben noch ge­wälz­te Ideen, Kre­dit­res­te und Son­der­ein­nah­men für an­de­re Zwe­cke als den Schul­den­ab­bau zu ver­wen­den, be­steht nach Co­ro­na kein Platz mehr.

Der Ein­satz der SNB-Gel­der er­mög­licht es um­ge­kehrt, die Co­ro­na­schul­den zwar noch immer lang­sam, aber wirk­sam in einem ver­nünf­ti­gen Zeit­ho­ri­zont von un­ge­fähr einer Ge­ne­ra­ti­on ab­zu­bau­en.

Der dem Bund zu­ste­hen­de Teil der SNB-Ge­winn­aus­schüt­tun­gen fliesst heute in den all­ge­mei­nen Bun­des­haus­halt. Um die Mit­tel ist jüngst ein Ge­ran­gel ent­stan­den, nach­dem die jähr­li­che Aus­schüt­tung auf bis zu 4 Mil­li­ar­den Fran­ken er­höht wurde (der Bund er­hält ein Drit­tel, das heisst bis zu 1,3 Mil­li­ar­den Fran­ken). Die Mit­tel sind in vol­lem Um­fang für den Schul­den­ab­bau ein­zu­set­zen. Auf ab­seh­ba­re Zeit ist dies die sinn­volls­te Ver­wen­dung dafür. 

Unter dem Strich und über die Zeit kommt ein der Nach­hal­tig­keit ver­pflich­te­tes Fi­nanz­ge­ba­ren güns­ti­ger, und dazu ge­hört der Schul­den­ab­bau.

Die schwan­ken­den SNB-Ge­win­ne stel­len keine sta­bi­le Quel­le für die Fi­nan­zie­rung von Aus­ga­ben des Bun­des dar. Die Ge­winn­aus­schüt­tun­gen be­tru­gen lange le­dig­lich 1 Mil­li­ar­de Fran­ken jähr­lich (Bun­des­an­teil 330 Mil­lio­nen). In man­chen Jah­ren fie­len sie ganz aus. Erst seit den Ka­pi­tal­markt­in­ter­ven­tio­nen der SNB gegen die Fran­ken­stär­ke sind sie ge­stie­gen. Die Aus­schüt­tungs­re­ser­ven sind je­doch hoch vo­la­til, wie der SNB-Ver­lust von 38,2 Mil­li­ar­den Fran­ken im ers­ten Quar­tal auf­zeigt. Der Bund soll­te keine Ab­hän­gig­keit von die­sen Gel­dern ent­wi­ckeln und in der län­ger­fris­ti­gen Aus­ga­ben­pla­nung nicht mit ihnen rech­nen. Das gilt selbst für die Grund­tran­che von 330 Mil­lio­nen Fran­ken. Auch diese ist in den Schul­den­ab­bau ein­zu­be­zie­hen. Ein Bud­get von 75 Mil­li­ar­den Fran­ken kann auf die­ses Geld ver­zich­ten, der or­dent­li­che Haus­halt des Bun­des würde da­durch nur mi­ni­mal tan­giert. Der Ein­satz der SNB-Gel­der er­mög­licht es um­ge­kehrt, die Co­ro­na­schul­den zwar noch immer lang­sam, aber im­mer­hin wirk­sam in einem ver­nünf­ti­gen Zeit­ho­ri­zont von un­ge­fähr einer Ge­ne­ra­ti­on ab­zu­bau­en. Die Po­li­tik würde zei­gen, dass sie die Schul­den­brem­se, die sich in der Krise so fle­xi­bel ge­zeigt hat, ernst nimmt. Es geht um den Re­spekt und um die Ver­ant­wor­tung ge­gen­über der wich­tigs­ten fi­nanz­po­li­ti­schen In­sti­tu­ti­on der Schweiz.

Der Abbau der Co­ro­na­schul­den muss sich zwei­fel­los an den fi­nanz(-po­li­ti­schen) Rea­li­tä­ten ori­en­tie­ren, wes­halb im Vor­aus de­fi­nier­te fixe jähr­li­che Ab­bau­vor­ga­ben nicht sinn­voll sind. Er darf aber weder ein­fach «ver­ges­sen gehen», noch sich ins End­lo­se ver­schie­ben. Der Bund mag sich ak­tu­ell leicht ver­schul­den. Blei­ben die Schul­den aber be­ste­hen, wer­den künf­ti­ge Ge­ne­ra­tio­nen die Las­ten zu tra­gen haben – und dass aus den Schul­den der­einst ef­fek­tiv Las­ten ent­ste­hen, weil die Zin­sen stei­gen, ist wahr­schein­lich. Das Kon­zept der Nach­hal­tig­keit, wird es ernst ge­nom­men, gilt um­fas­send – nicht nur dort, wo der öf­fent­li­che Ap­plaus winkt, son­dern auch, wo der Buch­hal­ter re­giert. Auch in die­sem 21. Jahr­hun­dert fol­gen sich die Kri­sen. Um­sich­tig und ver­ant­wor­tungs­voll zu han­deln heisst, kon­ti­nu­ier­lich an den Grund­la­gen für ihre gute Be­wäl­ti­gung zu ar­bei­ten. Son­der­las­ten mögen nicht zu ver­mei­den sein – «Co­ro­na» hat ge­zeigt, wie schnell sie ent­ste­hen kön­nen –, sie aber auf­zu­tür­men und vor sich her­zu­schie­ben, wäre falsch. Unter dem Strich und über die Zeit kommt ein der Nach­hal­tig­keit ver­pflich­te­tes Fi­nanz­ge­ba­ren güns­ti­ger, und dazu ge­hört der Schul­den­ab­bau. Neue Ge­ne­ra­tio­nen, die mit neuen Kri­sen kämp­fen, wer­den es dan­ken.