OECD-Länderbericht: Insgesamt gute Noten für die Schweiz
In der Vergangenheit hat die OECD beim Länderexamen der Schweiz jeweils den Mahnfinger deutlich erhoben und die Schweiz zu Reformen gedrängt. Der Länderbericht 2019 kommt diesmal ziemlich wohlwollend daher, die Schweiz erhält insgesamt gute Noten. Abstriche gibts bei der Reform der Altersvorsorge oder der mobilitätsbedingten Umweltbelastung.
Die positive Beurteilung durch die OECD kommt nicht von ungefähr, sind doch die meisten makroökonomischen Kennziffern der Schweiz im internationalen Vergleich hervorragend. Der Wohlstand ist sehr hoch, die Arbeitslosigkeit tief bei einer hohen Beschäftigungsquote, der Staat hat seine Finanzen im Griff und die Staatsverschuldung ist gering. Die OECD weist zudem darauf hin, dass die Ungleichheit in der Schweiz in den letzten Jahren nicht zugenommen hat. Während in vielen OECD-Staaten die Einkommen von Arm und Reich auseinandergedriftet sind, ist die Lohnverteilung in der Schweiz stabil geblieben.
Trotz der guten makroökonomischen Eckwerte sieht die OECD aber Handlungsbedarf. Ein grosser Teil der Forderungen bezieht sich dabei auf die Altersvorsorge. So schlägt die Organisation der Schweiz vor, das Rentenalter auf 67 zu erhöhen und dieses dann an die Lebenserwartung anzupassen, den Umwandlungssatz zu flexibilisieren und generell Anreize zu setzen, dass die Menschen länger im Arbeitsprozess tätig sind. Dazu wird im Länderbericht vorgeschlagen, die Einkommenssteuern zu senken und die Mehrwertsteuer zu erhöhen. Dies würde die negativen Arbeitsanreize der Einkommenssteuer reduzieren.
Digitalisierung: weitere Fortschritte nötig
Ein weiterer Forderungskatalog der OECD betrifft die Digitalisierung. Hier hat die Schweiz noch einiges zu tun. So soll der Staat etwa das E-Government ausbauen und verbessern, die Weiterbildung fördern und die Immigration von Hochqualifizierten aus Drittstaaten erleichtern. Damit das elektronische Patientendossier im Gesundheitswesen schnell zu Kosteneinsparungen führt, soll es mit finanziellen Anreizen gefördert werden.
Auch im Umweltbereich erhält die Schweiz gute Noten. Sie hat eine der tiefsten CO2-Intensitäten innerhalb der OECD. Die Industrie hat den Ausstoss in der Vergangenheit stark reduziert. Handlungsbedarf sieht die OECD noch bei der Mobilität und schlägt hier eine Anpassung der Automobilimportsteuer vor. Diese soll nicht mehr in Prozent des Wertes erhoben werden, sondern die Umweltbelastung des Fahrzeugs berücksichtigen.
Nicht alle Forderungen sind praktikabel
Nur auf den ersten Blick erstaunt, dass die OECD nicht explizit fordert, die Schweiz müsse nun das institutionelle Abkommen mit der EU unterzeichnen. Der Bericht bleibt hier unverbindlich: Die aktuelle Situation führe zu Planungsunsicherheit für Unternehmen und gefährde möglicherweise die Standortattraktivität der Schweiz. Wenn die OECD in diesem Punkt auf eine konkrete Empfehlung verzichtet, bedeutet dies wohl vor allem, dass sie sich nicht in die aufgeladene politische Diskussion einmischen möchte.
Nicht alle Forderungen der OECD sind praktikabel. So wird der Wechsel von der Einkommenssteuer hin zur Mehrwertsteuer wohl am Finanzföderalismus scheitern. Praktikabel, aber politisch schwierig ist eine Erhöhung des Rentenalters auf 67. Doch dass die Altersvorsorge reformiert werden muss, steht ausser Frage. economiesuisse hofft, dass das neu gewählte Parlament das Thema nicht mehr auf die lange Bank schiebt und die Altersvorsorge nachhaltig ausgestaltet.