Lirakrise: Eine stabile Währung lässt sich nicht befehlen
Der Zerfall der türkischen Währung nimmt besorgniserregende Ausmasse an. Die Ursachen sind vielfältig. Doch das Hauptproblem besteht in der fortwährenden Negierung ökonomischer Realitäten durch die türkische Regierung.
Verschiedene Gründe werden für die jetzige Lirakrise genannt: So werden das hohe Leistungsbilanzdefizit der Türkei, die tiefe Sparquote oder die autoritäre Staatsführung als Probleme identifiziert. Wie Beispiele anderer Länder zeigen, führt keiner dieser Gründe für sich alleine genommen zu einer Währungskrise. Die Probleme liegen tiefer: Die Regierung stellt sich vergeblich gegen ökonomische Realitäten.
Erstens lässt sich Preisstabilität nicht befehlen, sondern muss durch die Zentralbank sichergestellt werden. Die zunehmend autoritäre Staatsführung wird dann zum Problem, wenn sie die Zentralbank vereinnahmen will. Beispiele à la Venezuela zeigen schmerzlich: Eine von der Regierung vereinnahmte Geldpolitik kann zu einer Hyperinflation führen und desaströse volkswirtschaftliche Auswirkungen haben. Die Türkei ist zwar noch weit von einer Hyperinflation entfernt, doch die Entwicklung ist besorgniserregend. So betrug die Inflationsrate im Juli 2018 etwa 16 Prozent. Tendenz steigend. Noch wäre also Zeit zu handeln. Die anziehenden Teuerungsraten lassen sich durch starke Zinserhöhungen eindämmen. Doch je länger dies durch die Regierung verhindert wird, desto grösser ist die Gefahr, dass die galoppierende Inflation nicht mehr oder nur unter grossen Opfern gestoppt werden kann.
Schädlicher Konfrontationskurs
Zweitens lässt sich Investitionssicherheit nicht befehlen – es braucht dafür eine auf Stabilität ausgerichtete Politik. Die Volkswirtschaft der Türkei bezahlt einen hohen Preis für den Streit mit den USA. Dabei sind nicht nur die Zölle auf Stahl und Aluminium von Bedeutung. Viel wichtiger ist es, dass die Regierung bei jeder Gelegenheit unterstreicht, dass sie am Konfrontationskurs festhalten will. Die internationalen Anleger fragen sich: Muss man gar mit einem Austritt der Türkei aus der Nato rechnen? Diese Unsicherheit schadet dem Wirtschaftsstandort Türkei erheblich.
Nicht im Interesse der Schweiz
Drittens lässt sich schliesslich der Aussenwert einer Währung nicht befehlen, denn dieser ist das Resultat von Angebot und Nachfrage. Wenn sich nun die Anleger von der Lira trennen – sei dies aufgrund der Inflationserwartungen oder sei dies aufgrund der Investitionsunsicherheit – sinkt die Nachfrage nach Lira. Bei gleichbleibendem (oder gar steigendem) Angebot an Lira resultiert ein Angebotsüberhang: Der Wert der Währung fällt. Es ist zu hoffen, dass die ökonomischen Gesetzmässigkeiten in der Türkei wieder stärker beachtet werden. Sonst droht am Bosporus eine Abwärtsspirale, an der die Schweiz kein Interesse haben kann.