Mit Disziplin und Kontrolle aus dem Regulierungssumpf
- Introduction Executive summary | Positions of economiesuisse
- Chapter 1 Handlungsbedarf
- Chapter 2 Ursachen der wachsenden Regulierungsdichte
- Chapter 3 Mögliche Lösungsansätze
- Chapter 4 Schlussfolgerung: Position der Wirtschaft
- Chapter 5 Anhang: Blick über die Grenze
Anhang: Blick über die Grenze
Unabhängige Prüfstellen im Ausland
Versuche, Regulierung besser in den Griff zu bekommen, gibt es in verschiedenen Ländern. Vorschläge wie «Sunset-Klauseln» oder «one-in, one-out» bestehen bereits in einigen Ländern. Fünf Länder haben unabhängige Gremien für Bürokratieabbau und bessere Rechtssetzung vorgesehen:
- Das Adviescollege toetsing regeldruk (Actal) in den Niederlanden, den
- Nationalen Normenkontrollrat (NKR) in Deutschland, das
- Regulatory Policy Committee (RPC) in Grossbritannien, den
- schwedischen Better Regulation Council (Regelrådet), sowie das
- Regulatory Impact Assessment Board (RIAB) in Tschechien
Gemeinsam treten diese Gremien auch unter dem Namen "RegWatchEurope" auf. Diese Institutionen überwachen und beraten die jeweiligen Regierungen. Die von ihnen behandelten Themen beinhalten die intelligente Regulierung im Allgemeinen sowie die durch Rechtsetzung entstehende Gesamtbelastung, einschliesslich der Verringerung von Verwaltungslasten im Besonderen.
Gemeinsam ist den Gremien, dass sie schlank aufgestellt sind. Der NKR (Deutschland) und der Regelrådet (Schweden) haben je acht Mitglieder, Actal (Niederlande) sogar nur drei. Die Prüfstellen werden zusätzlich von einem Sekretariat unterstützt.
Auch wenn die jeweiligen Aufgaben und Mandate unterschiedlich sind, so sind doch alle in die Prüfung neuer Regelungsvorhaben (ex-ante) eingebunden. Drei dieser Gremien sollen in der Folge etwas genauer angeschaut werden.
Niederlande: Adviescollege toetsing regeldruk (Actal)
Der niederländische Normenkontrollrat Actal wurde im Jahr 2000 gegründet. Es handelt sich hierbei um ein unabhängiges Gremium der politischen Entscheidungsarena. Dessen Auftrag ist die Reduktion von Bürokratiekosten für Unternehmen und Bürger. Actal macht die Auswirkungen politischer Entscheidungen transparent und berät bei der Auswahl der kostengünstigsten Alternative zur Zielerreichung. Hierzu evaluiert Actal die jährlichen Programme der Ministerien. Bei Themen, welche besonderer Aufmerksamkeit bedürfen, berät Actal, betreibt zusätzlich eigene Forschung und ergreift Initiativen.
Alle Vorschläge, auch Initiativen des Parlaments, die mit Bürokratiekosten für Unternehmen und Bürger verbunden sind, müssen Actal vorgelegt werden. Bereits in diesen Vorschlägen müssen die Ministerien zu den Bürokratiekosten und alternativen Regulierungsansätzen berichten. Die Regierungsbehörden sind verpflichtet, hierbei alle relevanten Informationen zur Verfügung zu stellen. Actal prüft die Berechnungen und Überlegungen, wobei relevante Experten hinzugezogen werden. Das Gremium gibt Empfehlungen zur Verbesserung ab oder kann gar empfehlen, dass der Vorschlag zurückgezogen wird. Alle diese Empfehlungen sind aber nicht bindend. Das Ergebnis der Arbeiten ist der sogenannte «Actal-advice», welcher an die Minister und Parlamentarier im Normalfall innerhalb von vier Wochen, maximal acht Wochen, weitergeleitet wird. Neben diesem formalisierten Vorgehen steht Actal auch als informeller Ansprechpartner beratend zur Verfügung.
Actal besteht aus drei unabhängigen Gremiums-Mitgliedern. Der Rat verfügt über ein Sekretariat mit 12 Mitarbeitenden. Actal arbeitet eng mit dem Finanzministerium und dem Innenministerium zusammen. Durch den engen Kontakt zu Mitgliedern des Kabinetts, ein strenges Vorgehen bei der Prüfung von Gesetzesvorschlägen, die Unterstützung von Ministerien sowie die Möglichkeit, über das Parlament, die Medien und Interessengruppen Druck auszuüben, konnte Widerständen gegen Reformen für bessere Rechtsetzung und die Reduzierung von Bürokratiekosten entgegengewirkt werden. Der Beirat arbeitet auch mit Organisationen innerhalb und ausserhalb der Niederlande zusammen, einschliesslich der genannten Schwesterorganisationen in anderen europäischen Ländern.
Grafik 4
Actal bringt sich bei der Entwicklung neuer Regulierungen auf diversen Ebenen in die Diskussion ein.
Deutschland: Nationaler Normenkontrollrat (NKR)
Auch Deutschland hat in den letzten Jahren Anstrengungen zur Reduktion der Bürokratiekosten unternommen. Im September 2006 wurde mit dem Normenkontrollrat (NKR) eine unabhängige Prüfstelle nach holländischem Vorbild (Actal) gegründet. Das Hauptziel war es, anhand eines Standard-Kosten-Modelles rückwirkend die bürokratischen Belastungen durch Informations- und Berichtpflichten zu bewerten. Der NKR besteht aus zehn ehrenamtlichen Mitgliedern, die auf Vorschlag der Bundesregierung vom Deutschen Bundespräsidenten berufen werden. Der NKR ist in seiner Tätigkeit nur an den durch das NKR-Gesetz begründeten Auftrag gebunden und ist ansonsten unabhängig. Bevor Regelungen vom Parlament beschlossen werden, prüft der NKR die von den Ministerien erarbeiteten Schätzungen der Kostenfolgen für Bürger, Wirtschaft und Verwaltung auf deren Nachvollziehbarkeit und Plausibilität. Die zu erwartenden jährlichen und einmaligen Kosten stehen auf dem Prüfstand. Darüber hinaus prüft der NKR, ob Ziel und Notwendigkeit einer Regelung verständlich sind, ob es Alternativen gibt, ob eine Regelung befristet werden soll, ob es Möglichkeiten zur Vereinfachung gibt sowie die Abstimmung mit dem EU-Recht. Die deutsche Wirtschaft kritisiert zuweilen, dass dem Normenkontrollrat die für seine Tätigkeit erforderlichen Kompetenzen fehlen (so sind zahlreiche Gesetze von seiner Überprüfung ausgeschlossen) und er in seiner Beratungstätigkeit eingeschränkt sei. So prüft der NKR nur ca. 30% der Regulierungsprojekte und darf insbesondere bei seinen Evaluationen nicht alle tatsächlich anfallenden Kosten berücksichtigen. Ebenfalls kritisiert wird, dass zur Bürokratiekostenmessung erst wieder sehr viel Bürokratie mit neuen Gremien und Formularen geschaffen wurde und durch die reine Messung der Bürokratiekosten noch keine Bürokratie abgebaut werde.
EU: Bessere Rechtssetzung
Auf Stufe der EU besteht eine interinstitutionelle Vereinbarung „Bessere Rechtsetzung“. Europäische Konzepte und Rechtsvorschriften sollen von Beginn an so ausgestaltet sein, dass die damit angestrebten Ziele zu möglichst geringen Kosten erreicht werden. Dieser Ansatz soll sicherstellen, dass die EU-Politik offen und transparent durchgeführt, überprüft wird, und durch Einbeziehung der Interessenträger Rückhalt erfährt. Um sicherzustellen, dass die Massnahmen der EU effektiv sind, untersucht die EU-Kommission die voraussichtlichen und tatsächlichen Auswirkungen des politischen und gesetzgeberischen Handelns.
Impact Assessment Institute
2015 wurde sodann das völlig unabhängige, private Impact Assessment Institute gegründet. Dieses hat zum Ziel, unabhängige und wissenschaftlich basierte Analysen zu Regulierungen und Gesetzgebungsvorhaben im weiteren Sinne abzugeben. Das Institut wurde im Mai 2016 formell als Stiftung unter belgischem Recht konstituiert.
Grossbritannien: Regulatory Policy Committee (RPC)
Das Regulatory Policy Committee (RPC) wurde im Jahr 2009 gegründet. Als unabhängige Stelle überprüft es die vorgeschlagenen regulatorischen Massnahmen. Im Jahre 2012 wurde das RPC zu einem unabhängigen, nicht verwaltungsabhängigen Beratungsgremium umstrukturiert. Es hat so eine klar definierte, permanente Funktion innerhalb der Regierung. Es ist aber keine behördliche Stelle und kann so unabhängig von den Ministerien operieren. Das RPC analysiert die Qualität der Analysen und Unterlagen, welche vorgeschlagene regulatorische Anpassungen mit sich bringen. Das RPC prüft, ob die von den Behörden geschätzten Kosten oder Einsparungen, welche das Resultat einer regulatorischen Anpassung sind, korrekt sind. Gestützt auf diese Prüfung kann dann entschieden werden, ob mit einem konkreten Vorschlag weitergemacht werden soll.
Wenn die Behörden neue Regulierungen vorschlagen, müssen diese von einem standardisierten impact assessment (IA) begleitet sein. In diesem werden die mit einer Regulierung verbundenen Kosten und Vorzüge geschätzt und geprüft und die Risiken dargestellt. Ein impact assessment muss klar das von der Behörde mit der Regulierung anvisierte Problem darlegen, wie dagegen vorgegangen werden soll und was die Auswirkungen des Vorschlages sein werden. Das RPC gibt den Behörden eine Meinung zur Qualität der Analysen und der Belege des Impact Assessments ab. Gestützt auf diese Einschätzung kann das verantwortliche Ministerium entscheiden, ob es die Regulierung vorantreiben soll.
Eine wichtige Aufgabe kommt dem RPC auch im Zusammenhang mit dem „one-in, one-out, resp. one- in, two-out“-Verfahren zu. Das RPC prüft auch hierbei die impact assessments und damit die mit der neuen Regulierung verbundenen Kosten.