Die mo­der­ne grie­chi­sche Tra­gö­die

In der grie­chi­schen Tra­gö­die steckt der Held häu­fig in einer aus­weg­lo­sen Lage. Wie auch immer er sich ent­schei­det, seine Hand­lung hat schlim­me Fol­gen. Das mo­der­ne Grie­chen­land be­fin­det sich in einer ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on. Die Re­gie­rung hat zwei Op­tio­nen: die For­de­run­gen der Troi­ka ohne Wenn und Aber um­set­zen und das Land vor dem Zah­lungs­aus­fall zu be­wah­ren, oder der in­nen­po­li­ti­schen Stim­mung nach­ge­ben. So oder so: der Preis wird hoch sein – po­li­tisch und wirt­schaft­lich.

Doch an­ders als bei Ais­chy­los und So­pho­kles ist die Aus­weg­lo­sig­keit die­ses Kon­flikts weit­ge­hend selbst ver­schul­det. Die po­li­ti­sche Füh­rung hat durch das Pro­vo­zie­ren der Geld­ge­ber ers­tens in­nen­po­li­tisch die Stim­mung auf­ge­heizt. Bei jedem Ein­ge­ständ­nis von­sei­ten Grie­chen­lands droht ihr nun ein Ge­sichts­ver­lust. Was die Re­gie­rung aber wohl wenig be­dacht hat, ist zwei­tens, dass diese Pro­vo­ka­tio­nen es auch den Gläu­bi­gern ver­un­mög­li­chen wer­den, Kom­pro­mis­se ein­zu­ge­hen. Sie hat die Ge­ber­län­der selbst dazu ge­zwun­gen, un­nach­gie­big zu sein. Tsi­pras und Va­rou­fa­kis kön­nen zwar noch zu­rück­kreb­sen und die For­de­run­gen der Troi­ka um­set­zen. Doch das Ri­si­ko ist hoch, dass sie in den ei­ge­nen Rei­hen jeden Rück­halt ver­spie­len und Neu­wah­len not­wen­dig wür­den: ein po­li­ti­sches De­sas­ter. Die Al­ter­na­ti­ve be­steht darin, die Troi­ka-Vor­schlä­ge zu miss­ach­ten und auf volle Kon­fron­ta­ti­on zu set­zen. Dann bleibt am Ende wohl nur der «Grex­it», also der Aus­tritt Grie­chen­lands aus der Euro-Zone: ein öko­no­mi­sches De­sas­ter. Wird das Pu­bli­kum ge­läu­tert aus der Vor­stel­lung der mo­der­nen grie­chi­schen Tra­gö­die ent­las­sen? Zu hof­fen ist es. Denn ohne Ein­sicht, dass die Staats­fi­nan­zen in allen Euro-Län­dern im Lot sein müs­sen, damit der Euro lang­fris­tig über­lebt, wird es nicht gehen. Und dies gilt nicht nur für Grie­chen­land.