Kapitaleinlageprinzip und Aktionärsbesteuerung: Eine Quelle neuer Staatseinnahmen​

​​Im Rahmen der letzten Unternehmenssteuerreform wurde die frühere Besteuerung von Kapitaleinlage-Rückzahlungen an Aktionäre aufgehoben. Der Ständerat hat heute eine Motion angenommen, die unvorhergesehene finanzielle Auswirkungen dieser Reform kompensieren will. Dabei sollen auch die Mehreinnahmen berücksichtigt werden. Solche resultieren insbesondere aus Wachstumseffekten und Unternehmenszuzügen. Auch jüngste Neuerungen bei der Besteuerung von Anteilsinhabern führen tendenziell zu staatlichen Mehreinnahmen.
Als letzter Teil der Unternehmenssteuerreform II wurde Anfang 2011 das sogenannte Kapitaleinlageprinzip (KEP) eingeführt. Damit wurde die frühere, verfassungswidrige Besteuerung der Rückzahlung von Kapitaleinlagen an Aktionäre aufgehoben. Dieser Teil der Steuerreform geht auf einen Vorstoss der CVP-Fraktion zurück, worin bereits vor zehn Jahren die steuerliche Entlastung von Risikokapital verlangt wurde. Nationalrat sieht auch Mehreinnahmen 

In der Botschaft und im Bundesbüchlein zur Volksabstimmung von 2008 verzichtete der Bundesrat auf eine Schätzung der finanziellen Folgen dieses Teils der Reform. Inzwischen haben die Unternehmen ihre Kapitaleinlagen bei der Steuerverwaltung angemeldet. Auf dieser Basis hat der Bundesrat nun eine Ausfallschätzung gemacht. Diese basiert aber auf einer statischen Betrachtungsweise und vernachlässigt die dynamischen Effekte. Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats hat schon vor über einem Jahr darauf hingewiesen, dass das KEP auch zu Mehreinnahmen führt. Dementsprechend lehnte der Nationalrat im Dezember 2011 zwei Motionen ab, die das Kapitaleinlageprinzip einschränken wollten. Dessen ungeachtet wurden Anfang dieses Jahres im Ständerat wiederum zwei analoge Motionen eingereicht. 


Ständerat hält an KEP fest

Die beiden Motionen wurden heute zugunsten eines Alternativvorschlags der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerats (WAK-S) zurückgezogen. Damit wurde die Gefahr einer sofortigen Ingangsetzung des Gesetzänderungsverfahrens gebannt, das der Bundesrat für den Fall der Annahme der Motionen angekündigt hatte. Unter faktischer Aushebelung des Nationalrats hätte die Schweiz damit ein standortschädliches Signal gesendet. Eine als Alternative von der WAK-S ausgearbeitete Kommissionsmotion hält nun ausdrücklich am KEP fest. Das ist aus Standortüberlegungen zu begrüssen.


Unternehmenszuzüge und Wachstumseffekte berücksichtigen

Die im Ständerat angenommene Kommissionsmotion verlangt eine Kompensation von Steuerausfällen. Dabei sollen richtigerweise auch Mehreinnahmen berücksichtigt werden. Dies bedingt die Berücksichtigung dynamischer Effekte. So sind wegen des KEP bereits mehrere Grosskonzerne in die Schweiz gezogen. Alleine diese Unternehmen haben Kapitaleinlagen in Höhe von rund 200 Milliarden Franken in die Schweiz gebracht. Die Milderung der Steuerstrafe auf Risikokapital bewirkt zudem einen Wachstumseffekt, der sich mittel- und langfristig auch positiv auf die Steuereinnahmen auswirkt. 


Besteuerung privater Kapitalgewinne als eigentliches Ziel der Debatte?

Aufhorchen lässt die heute im Ständerat seitens des Bundesrats geäusserte Kritik an der Steuerfreiheit privater Kapitalgewinne. Plötzlich soll nun «nicht eigentlich das KEP das ‚Problem‘» sein, sondern die Kombination mit der Steuerfreiheit privater Kapitalgewinne auf Beteiligungsrechten. Äusserungen wie diese bestätigen einen Trend zur Einschränkung der Steuerfreiheit privater Kapitalgewinne. So gilt seit Juli 2012 das Kreisschreiben Nr. 36 zum gewerbsmässigen Wertschriftenhandel. Laut Steuerexperten erhöht dieses neue Kreisschreiben das Risiko insbesondere für Anleger mit höheren Transaktionsvolumen, dass Kapitalgewinne aus der Veräusserung von Wertschriften besteuert werden. Dies kann zu erheblichen Einkommenssteuerbelastungen für Anleger und zu entsprechenden Mehreinnahmen für den Staat führen.


In diesem Zusammenhang ist ebenfalls zu erwähnen, dass auf den 1. Januar 2013 das neue Bundesgesetz über die Besteuerung von Mitarbeiterbeteiligungen in Kraft tritt. Ursprünglich war aus Gründen der Standortattraktivität bei der Besteuerung gesperrter Mitarbeiteroptionen ein Einschlag geplant. Selbst mit diesem Einschlag rechnete der Fiskus noch mit Steuermehreinnahmen. Im Laufe der parlamentarischen Beratung wurde das Fiskalziel aber stärker gewichtet als das Standortziel: Der Einschlag wurde gestrichen. Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) bestätigt in einem Bericht, mit der Neuerung sei nun sowohl bei einer statischen als auch bei einer dynamischen Betrachtung «mit mehr Einnahmen für Bund, Kantone und Gemeinden zu rechnen als im Status quo».


Der ständigen Suche des Fiskus nach immer neuen Einnahmequellen muss Einhalt geboten werden. Ein Blick in den Bundeshaushalt zeigt, dass diese Suche auch unnötig ist. So lassen sich auch nach der Unternehmenssteuer II keine Mindereinnahmen erkennen: Vielmehr erzielte die Verrechnungssteuer 2011 sogar ein Spitzenergebnis. Und für das Jahr 2012 wird erneut mit höheren Einnahmen gerechnet. Auch bei der Einkommenssteuer konnten keine negativen Auswirkungen beobachtet werden.