Es gibt nur eine faire Mehr­wert­steu­er: eine mit Ein­heits­satz

eco­no­mie­su­is­se lehnt die Volks­in­itia­ti­ve «Schluss mit der Mehr­wert­steu­er-Dis­kri­mi­nie­rung des Gast­ge­wer­bes» ab. Die In­itia­ti­ve ver­bes­sert die Mehr­wert­steu­er nicht, im Fokus steht eine ein­sei­ti­ge Bran­chen­lö­sung. Eine Mehr­wert­steu­er, die keine Bran­che dis­kri­mi­niert und auch im Kon­sum für alle gleich fair ist, kennt nur einen Satz: den Ein­heits­satz.
Schwei­zer Gast­wir­te sehen sich bei der Mehr­wert­steu­er un­gleich be­han­delt: Im Laden oder Take-away ver­kauf­te Nah­rungs­mit­tel wer­den zu 2,5 Pro­zent be­steu­ert (re­du­zier­ter Satz), im Re­stau­rant be­trägt der Satz auf Spei­sen da­ge­gen 8,0 Pro­zent (Nor­mal­satz). Die Gas­tro­no­men wol­len das än­dern und ver­lan­gen, dass alle Nah­rungs­mit­tel im Ver­kauf gleich be­han­delt wer­den. Über die In­itia­ti­ve wird am 28. Sep­tem­ber ab­ge­stimmt. Bun­des­rat, Par­la­ment und auch eco­no­mie­su­is­se leh­nen die In­itia­ti­ve ab. Warum?

Hohe Ein­nah­men­aus­fäl­le, wenig Nut­zen für Pri­vat­haus­hal­te
Für den Bun­des­rat und das Par­la­ment ste­hen fi­nanz­po­li­ti­sche Grün­de und die Ver­tei­lungs­wir­kung im Vor­der­grund. Bei An­nah­me der In­itia­ti­ve müss­te der re­du­zier­te Satz wahr­schein­lich um 50 Pro­zent an­ge­ho­ben wer­den, um die Min­der­ein­nah­men von über 700 Mil­lio­nen Fran­ken jähr­lich zu kom­pen­sie­ren. Nah­rungs­mit­tel und Me­di­ka­men­te wür­den in der Folge stär­ker be­steu­ert, ein­zig der Re­stau­rant­be­such würde steu­er­lich güns­ti­ger wer­den. Vor allem Per­so­nen mit hö­he­ren Ein­kom­men, die häu­fig aus­wärts essen gehen, könn­ten pro­fi­tie­ren. Der Bun­des­rat be­fand zudem, dass die Be­wir­tung etwas an­de­res sei als etwa der schlich­te Ver­kauf von Nah­rungs­mit­teln, wes­halb die For­de­rung nach Gleich­be­hand­lung un­ge­recht­fer­tigt sei. Für eco­no­mie­su­is­se spre­chen ins­be­son­de­re auch grund­sätz­li­che Ar­gu­men­te gegen die In­itia­ti­ve.

MWST-Dis­kri­mi­nie­run­gen: ein Grund­satz­pro­blem
Dass Un­gleich­be­hand­lun­gen bei der Mehr­wert­steu­er be­ste­hen, ist be­kannt und po­li­tisch bis heute ge­wollt – eco­no­mie­su­is­se plä­diert seit Lan­gem dafür, dass sie ab­ge­schafft wer­den. Das so­zi­al­po­li­ti­sche Ar­gu­ment für die steu­er­li­che Ver­güns­ti­gung von Nah­rungs­mit­teln stammt aus der Mitte des letz­ten Jahr­hun­derts, sticht heute an­ge­sichts ver­än­der­ter Haus­halts­aus­ga­ben und Kon­sum­be­dürf­nis­se aber kaum noch. Eine über die Gasse ver­kauf­te Brat­wurst stillt den Hun­ger nicht an­ders als jene, die noch im Grill­zelt am Tisch ver­zehrt wird; trotz­dem wird die zwei­te Wurst vom Staat drei­mal höher be­steu­ert. Auch ein steu­er­lich ver­güns­tig­tes Take-away-Lachs­häpp­chen kann so­zi­al­po­li­tisch nicht wert­vol­ler sein als der or­dent­lich be­steu­er­te Kin­der­tel­ler in der Aus­flugs­beiz. Ein Gross­ver­tei­ler-Brot ist zwar tat­säch­lich etwas an­de­res als ein Club-Sand­wich in der Fünf­ster­ne-Lounge. Dafür kos­tet es aber auch zwan­zig­mal we­ni­ger, wes­halb es nicht noch ei­gens steu­er­lich ge­för­dert zu wer­den braucht.

Wenn heute Haus­hal­te we­ni­ger als sie­ben Pro­zent ihrer Aus­ga­ben für Nah­rungs­mit­tel ver­wen­den, muss der Staat den Ver­kauf von Nah­rungs­mit­teln nicht mehr ei­gens steu­er­lich schüt­zen und för­dern. Die Haus­hal­te geben mehr für Mo­bi­li­tät oder das Woh­nen aus, und hier tut er es auch nicht. An­ge­sichts der stark in­di­vi­dua­li­sier­ten Kon­sum­ge­wohn­hei­ten ist es heute kaum mehr mög­lich, einen spe­zi­fi­schen Grund­be­darf zu de­fi­nie­ren, der für alle gel­ten kann. Und selbst dann stellt sich die Frage, ob dafür wirk­lich ein Steu­er­pri­vi­leg gel­ten soll. Be­kannt­lich gibt es wenig Un­ge­ziel­te­res als So­zi­al­po­li­tik über die Mehr­wert­steu­er.

Echte Fair­ness bringt nur der Ein­heits­satz
Hätte die Gas­tro-In­itia­ti­ve gleich lange Spies­se für alle bei der Mehr­wert­steu­er ge­for­dert, sie wäre in der Wirt­schaft auf weit of­fe­ne Türen ge­stos­sen. So aber bleibt sie ein Bran­chen­an­lie­gen, dem der scha­le Ge­schmack eines neuen Steu­er­pri­vi­legs als Ziel­set­zung an­haf­tet. Um in der Spra­che der In­iti­an­ten zu blei­ben: Dass der Kaf­fee der alten Dame steu­er­lich schlech­ter ge­stellt wird als das Mil­lio­närs-Sushi, ist stö­rend. Min­des­tens so stö­rend ist aber die­sel­be steu­er­li­che Schlech­ter­stel­lung von Win­deln und Au­to­kin­der­sit­zen, von Bahn­bil­let­ten und Klo­pa­pier. Und würde der Kaf­fee der alten Dame als Folge der Gas­tro-In­itia­ti­ve künf­tig eben­so steu­er­pri­vi­le­giert wie das Mil­lio­närs-Sushi: die Ab­sur­di­tät des heu­ti­gen Sys­tems wäre per­fekt.

Die ein­zi­ge Lö­sung, die keine Bran­che dis­kri­mi­niert, im Kon­sum für alle gleich fair ist und in der An­wen­dung erst noch ein­fach und kos­ten­güns­tig, ist wei­ter­hin ein ein­heit­li­cher Mehr­wert­steu­er­satz für alle Leis­tun­gen. eco­no­mie­su­is­se bleibt die­sem Ziel ver­pflich­tet. Ein­sei­ti­ge Bran­chen­lö­sun­gen ohne Nut­zen für die brei­te Wirt­schaft, noch für die pri­va­ten und öf­fent­li­chen Haus­hal­te lehnt der Dach­ver­band ab.