Beine zweier Herren mit Aktentaschen

Offen für ein mo­der­ne­res Kar­tell­recht

eco­no­mie­su­is­se ist be­reit, auf eine Mo­der­ni­sie­rung des Kar­tell­rechts ein­zu­tre­ten. In der am Mitt­woch vor­ge­leg­ten Bot­schaft zu einer weit­rei­chen­den Re­vi­si­on des Kar­tell­ge­set­zes nimmt der Bun­des­rat auch wich­ti­ge An­lie­gen der Wirt­schaft auf. Dazu zäh­len die Be­rück­sich­ti­gung von Com­p­li­an­ce-Pro­gram­men der Un­ter­neh­men und eine rechts­staat­lich bes­se­re Tren­nung der In­sti­tu­tio­nen eben­so wie die Ver­bes­se­run­gen beim Mel­de­ver­fah­ren. Un­ge­nü­gend ist aber die öko­no­mi­sche Ab­klä­rung der Ein­füh­rung eines Teil­kar­tell­ver­bots. Hier wird ein Zu­satz­be­richt not­wen­dig sein.

​Für eco­no­mie­su­is­se ist eine wirk­sa­me Durch­set­zung des Wett­be­werbs zen­tral. Im Sinne einer funk­tio­nie­ren­den Markt­wirt­schaft be­grüsst der Wirt­schafts­dach­ver­band eine Mo­der­ni­sie­rung des Kar­tell­rechts. Sie muss aber auf trans­pa­ren­ten und öko­no­misch klar ab­ge­stütz­ten Grund­la­gen be­ru­hen. Hier ist die Re­vi­si­ons­vor­la­ge noch lü­cken­haft. Wenig be­ach­tet wird in der Dis­kus­si­on lei­der, dass sich die jüngs­te Kar­tell­ge­setz­re­vi­si­on mit der Ein­füh­rung von schar­fen, di­rek­ten Sank­tio­nen gegen Un­ter­neh­men wegen der Über­gangs­fris­ten und der noch aus­ste­hen­den Ent­schei­de der Re­kurs­in­stan­zen in der Pra­xis gar noch nicht voll aus­wir­ken konn­te.

«Com­p­li­an­ce-Pro­gram­men» (Vor­keh­run­gen in Un­ter­neh­men zur Ver­mei­dung von Ge­set­zes­ver­stös­sen) trägt dem Ver­schul­den Rech­nung.

Die Ein­füh­rung eines Ver­bots von fünf Arten von ho­ri­zon­ta­len und ver­ti­ka­len Ab­spra­chen schlägt der Bun­des­rat ent­ge­gen der ur­sprüng­li­chen Ab­sicht unter dem Druck der Fran­ken­stär­ke vor. Sie ist mehr po­li­tisch als öko­no­misch mo­ti­viert und Aus­wir­kun­gen wer­den nicht dar­ge­legt. Be­reits heute be­steht die Mög­lich­keit, gegen solch volks­wirt­schaft­lich schäd­li­che Ab­spra­chen vor­zu­ge­hen. Der Wech­sel zu einem Teil­kar­tell­ver­bot ist somit nicht zwin­gend, kann aber zu Ver­fah­rens­ver­ein­fa­chun­gen füh­ren. Wäh­rend über die Schäd­lich­keit von ho­ri­zon­ta­len Ab­re­den weit­ge­hen­de Ei­nig­keit be­steht, ist die Si­tua­ti­on bei ver­ti­ka­len Ver­ein­ba­run­gen in den Fach­krei­sen stark um­strit­ten.

Je nach kon­kre­tem Ein­zel­fall kön­nen sich sol­che Ver­ein­ba­run­gen volks­wirt­schaft­lich durch­aus po­si­tiv aus­wir­ken. Hier fehlt es an einer ge­nü­gen­den Ana­ly­se in der Bot­schaft. Eine dif­fe­ren­zier­te Be­ur­tei­lung ist not­wen­dig. Im­mer­hin würde mit die­sem Sys­tem­wech­sel eine An­nä­he­rung an die EU er­fol­gen. So könn­te auch die dor­ti­ge reich­hal­ti­ge Fall­pra­xis bes­ser für die Schwei­zer Ent­schei­de be­rück­sich­tigt wer­den. Das würde die Rechts­si­cher­heit für die Un­ter­neh­men stär­ken. Ob die Recht­fer­ti­gungs­grün­de für den not­wen­di­gen un­ter­neh­me­ri­schen Spiel­raum ge­nü­gen, kann erst be­ur­teilt wer­den, wenn die Ver­ord­nung vor­liegt. Sie müs­sen sich je­den­falls an der Pra­xis in der EU ori­en­tie­ren.

In ver­schie­de­nen De­tail­fra­gen muss die Vor­la­ge noch ge­nau­er ge­prüft und hin­ter­fragt wer­den. Dies gilt nicht nur für die volks­wirt­schaft­li­chen Aus­wir­kun­gen, son­dern etwa auch für die Si­cher­stel­lung eines ra­schen erst­in­stanz­li­chen Ent­scheids, das Ge­nü­gen des Mel­de­ver­fah­rens oder die Fol­gen einer Aus­wei­tung von Zi­vil­ver­fah­ren und Kla­ge­le­gi­ti­ma­ti­on. Wo not­wen­dig, sind Zu­satz­be­rich­te zu ver­lan­gen. Die Zeit steht zur Ver­fü­gung. In allen Län­dern dau­ern Kar­tell­ver­fah­ren wegen kom­ple­xer Ab­klä­run­gen lange. Än­de­run­gen im Kar­tell­recht wir­ken sich daher nie kurz­fris­tig, son­dern erst mit­tel­fris­tig aus.

Die vor­ge­schla­ge­nen Än­de­run­gen sind weit­rei­chend und grund­sätz­lich. Der Ent­scheid muss daher auf einer so­li­den Basis und nicht ge­prägt von kurz­fris­ti­gen po­li­ti­schen Mo­ti­ven ge­fällt wer­den. Ge­fähr­lich wäre es auch, in po­pu­lis­ti­scher Ab­sicht in den ma­te­ri­el­len Re­geln von den in­ter­na­tio­na­len Stan­dards in die­sem Be­reich ab­zu­wei­chen. Dies wäre etwa der Fall, wenn kaum durch­setz­ba­re welt­wei­te Lie­fer­ver­pflich­tun­gen mit einem von der Schweiz aus zu kon­trol­lie­ren­den Preis­dik­tat auf­ge­stellt wür­den, wie es die Mo­ti­on Bir­rer-Heimo ver­langt. Der Bun­des­rat ist zu Recht nicht auf die­sen Irr­weg ein­ge­schwenkt.