Summit Room in New Delhi: Als uns der indische Handels- und Industrieminister unterbrach
Das Wichtigste in Kürze:
- Nach Unterzeichnung des Freihandelsabkommens im vergangenen Jahr kam diese Woche eine hochrangige Delegation der EFTA-Regierungen nach New Delhi, begleitet von rund 100 Unternehmensvertretern.
- In New Delhi eröffnete der indische Handels- und Industrieminister Piyush Goyal den India-EFTA Dedicated Desk. Das Interesse an Direktinvestitionen ist sehr gross – sowohl auf Seiten der Unternehmen als auch Indiens.
- Den Schweizer Unternehmen eröffnen sich dank des Freihandelsabkommens grosse Chancen.
Piyush Goyal – seines Zeichens Handels- und Industrieminister Indiens und damit der weltweit fünftgrössten Volkswirtschaft – unterbrach kurz den Ablauf und sagte: «You are all kind and diplomatic. Better tell me your real issues and we will help you». Von diesem Moment an verlief der Runde Tisch im Summit Room des G-20 Konferenzzentrums in New Delhi tatsächlich anders.
Unter der Leitung von Staatssekretärin Helene Budliger waren über 30 Schweizer Unternehmensvertreter nach New Delhi gereist. Auch die EFTA-Partner liessen sich nicht bitten und kamen in grosser Zahl. Rund 100 Unternehmen waren vor Ort, um über Direktinvestitionen zu sprechen. Anlass des Austausches mit Piyush Goyal war die offizielle Eröffnung des «India-EFTA dedicated Desk». Dieses soll Ansprechpartner für EFTA-Unternehmen bei der Ansiedlung in Indien sein. Da der Aufbau eigener Betriebsstätten und Tochtergesellschaft nicht über Nacht geschieht, wurde die Kontaktstelle bereits vor Ratifizierung des Freihandelsabkommens eröffnet.
Sowohl die EFTA-Länder als auch Indien haben ein Interesse an einem zügigen Vorgehen. Indien will seine eigene Industrie massiv ausbauen – unter «Make in India» soll das Land zu einem zentralen Produktionsstandort in der Weltwirtschaft werden. Dabei geht es nicht primär um nationalistisches Prestige, sondern um die dringende Notwendigkeit der Schaffung von Jobs. Geschätzte 90 Prozent der Erwerbstätigen arbeiten im informellen Sektor. Indiens Bevölkerung wächst und ist jung. Auch 2030 wird das Durchschnittsalter 30 Jahre betragen. Daher braucht es jetzt Jobs. Damit die indische Industrie aber die ihr zugedachte Rolle als Jobmotor auch spielen kann, muss die internationale Wettbewerbsfähigkeit rasch verbessert werden. Und damit kommen ausländische Direktinvestitionen ins Spiel. Sie schaffen nicht nur die dringend benötigten Arbeitsplätze mit hohen Qualifikationen, sondern erhöhen auch die internationale Wettbewerbsfähigkeit. In der Schweizer Delegation waren dann auch KMU und Grossunternehmen mit starkem Interesse an Investitionen in Indien dabei.
Auch aus Schweizer Sicht ist Indien interessant: Die Prognosen gehen von einem Wirtschaftswachstum von durchschnittlich 6-9 Prozent jährlich aus. Die Nachfrage nach Industrieprodukten wird also zunehmen – und eine Produktion vor Ort verbessert die Marktpenetration. Die Einweihung einer grossen Anlage zur Herstellung von Verpackungsmaterial der SIG am letzten Tag zeigte deutlich. Indien ist ein Markt mit eigenen Dimensionen.
Das Gleiche gilt bei Finanz- und Versicherungsdienstleistungen, Infrastrukturen oder der Nachhaltigkeit: Bei fortgesetztem Wachstum wird Indien rasch an Bedeutung zunehmen für viele Schweizer Unternehmen. Das EFTA-Freihandelsabkommen mit Indien bietet dabei strategische Vorteile: Es ist das erste eines westlichen Landes. Damit es unsere Unternehmen auch nutzen können, ist eine rasche Genehmigung im Nationalrat sehr wichtig.
Und wie ging es bei den Gesprächen im Summit Room weiter? Tatsächlich hat die Schweizer Wirtschaftsdelegation in einem interaktiven Austausch Themen wie Steuern, öffentlichem Beschaffungswesen, Transparenz der Regulierungen, Beschränkungen im Detailhandel oder Aufsichts- und Bewilligungen angesprochen. Eine Vertiefung der Fragen wurde vereinbart. Einmal mehr zeigte sich, wie wertvoll es sein kann, vom indischen Handels- und Industrieminister Piyush Goyal unterbrochen zu werden.