Mit Biolösungen zu einer nachhaltigeren Wirtschaft
Während weltweit Biolösungen die grüne Agenda vorantreiben, stehen veraltete Rechtsvorschriften in Europa der Ausschöpfung des vollen Potenzials von Biolösungen im Weg und schwächen darüber hinaus die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft. Eine Koalition führender Wirtschaftsverbände will diese Aufgabe ins Pflichtenheft der nächsten EU-Kommission schreiben.
Am 21. Februar 2024 veranstaltete die European Biosolutions Coalition in Brüssel den ersten "European High-Level Summit on Biosolutions". Interessenvertreter der EU-Institutionen, der Mitgliedstaaten und der Industrie kamen zusammen, um zu erörtern, wie man die Rahmenbedingungen verbessern kann, um in Europa mit Hilfe biotechnologischer Verfahren die Wirtschaft in den kommenden Jahren nachhaltiger und wettbewerbsfähiger zu machen. Bereits heute treiben Biolösungen die grüne Agenda weltweit voran. In der EU und in der Schweiz jedoch stehen veraltete Vorschriften der Ausschöpfung des vollen Potenzials von Biolösungen im Wege und schwächen darüber hinaus die Wettbewerbsfähigkeit Europas und der europäischen Biolösungsunternehmen. Dies hat auch die EU-Kommission erkannt: In ihrer Rede zur Lage der Union und der anschliessenden Absichtserklärung an das Europäische Parlament hat Kommissionspräsidentin von der Leyen die Biotechnologie und die Bioproduktion zu einer der wichtigsten Prioritäten für 2024 erklärt. Dies spiegelt sich bislang jedoch nicht im geltenden Rechtsrahmen für Biolösungen.
Ein veralteter Rechtsrahmen verhindert nachhaltige Innovation in Europa
Am High-level Summit forderte Stina Soewarta, Kabinettchefin der Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, die Industrie auf, konkrete Beispiele zu bringen, wo die europäische Gesetzgebung die Entwicklung erfolgreicher und nachhaltiger Biolösungen verhindere, damit man diese gezielt angehen könne. Die Antworten darauf gaben Vertreter von Unternehmen, die mit Biolösungen arbeiten und ständig an regulatorische Grenzen stossen:
Die Iprona GmbH produziert im österreichischen Güssing beispielsweise Naturstoffe aus Beeren. Als Abfallprodukt bleiben 200 Tonnen Beerenkerne übrig, welche Iprona beim Familienunternehmen Münzer zu Biokraftstoff verarbeiten lässt. Weil Beerenkerne aber von der EU-Gesetzgebung als Lebensmittelreste qualifiziert werden, für die höhere Anforderungen gelten, dürfen diese nicht gemeinsam mit anderen Naturprodukten zu Biokraftstoff verarbeitet werden. Das führt zu einem erheblichen Zusatzaufwand und macht die Verarbeitung praktisch unrentabel.
Auch Schweizer Unternehmen sind davon betroffen. Beispielsweise hat das Schweizer Pionierunternehmen HEIQ ein Herstellungsverfahren entwickelt, mit dem ein klimapositives Garn aus Zellulose hergestellt werden kann. Während des Wachstums binden die Garne Kohlenstoff aus der Atmosphäre. Sie sind nachhaltig und endlos zirkulär. Und sie haben ähnliche qualitative Eigenschaften wie bestehende, auf Erdölbasis hergestellte Garne. In seinen Ausführungen zeigte Marco Centonze, CEO des Schweizer Textiltechnologie-Unternehmens HEIQ, auf, dass trotz dieser fundamentalen Unterschiede, dieselben Rechtsvorschriften für seine Produkte gelten würden, wie für Chemieerzeugnisse.
Um eine Diskussion für verbesserte Rahmenbedingungen für Biolösungen in der nächsten Legislaturperiode anzustossen, hat die European Biosolutions Coalition ein Manifest veröffentlicht. Es enthält vier Prinzipien, die bei der Behandlung von Biolösungen berücksichtigt werden sollten, sechs politische Empfehlungen zur Erreichung eines grünen und biobasierten Paradigmenwechsels und acht konkrete Vorschläge zur Verbesserung des europäischen Gesetzesrahmens.
Europäische Zusammenarbeit ist entscheidend für den Erfolg
Wenn Europa in diesem Bereich eine namhafte Rolle spielen und nicht erneut von anderen Weltregionen abgehängt werden will, muss es bei der Erarbeitung wettbewerbsfähiger Rahmenbedingungen für Biolösungen zusammenarbeiten. Die Wertschöpfungsketten sind international vernetzt. Ein europaweit harmonisierter, für die Industrie einfach einzuhaltender Rechtsrahmen ist dabei ein Kernelement für den Aufbau einer starken nachhaltigen Wirtschaft.
Nun gilt es, dieses Programm in der nächsten Legislatur umzusetzen.