Wer be­stimmt die Re­geln in der Schweiz?

Der welt­wei­te Schutz von Men­schen­rech­ten und Um­welt geht uns alle an. Nach­hal­ti­ge Lö­sun­gen in die­sem kon­flikt­träch­ti­gen Hand­lungs­feld sind ge­fragt. Keine gute Idee ist es, Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen fak­tisch zu staat­li­chen Voll­zugs­or­ga­nen zu ma­chen.

Ende No­vem­ber stim­men wir über die so­ge­nann­te Kon­zern-Ver­ant­wor­tungs-In­itia­ti­ve ab. An­ge­sichts deren weit­ge­hen­den For­de­run­gen lohnt sich ein Blick auf den In­itia­tiv­text. Geht es hier wirk­lich um den bes­se­ren Schutz von Mensch und Um­welt? Im­mer­hin hielt es das Par­la­ment für not­wen­dig, die­ser In­itia­ti­ve eine Al­ter­na­ti­ve ge­gen­über­zu­stel­len. Mit gutem Grund, denn die In­itia­ti­ve schiesst am Ziel vor­bei. Der Ge­gen­vor­schlag hin­ge­gen bringt die Schwei­zer Wirt­schaft im Be­reich der ge­sell­schaft­li­chen Ver­ant­wor­tung in­ter­na­tio­nal an die Spit­ze.

Warum die In­iti­an­ten die­sen weit­ge­hen­den Ge­gen­vor­schlag trotz­dem ab­wer­ten, liegt auf der Hand: Ihre In­itia­ti­ve will in den Un­ter­neh­men eine um­fas­sen­de welt­wei­te Sorg­falts­prü­fung durch­set­zen, und zwar mit einer Kom­bi­na­ti­on aus einer ver­schul­dens­un­ab­hän­gi­gen Haf­tung und einer Be­weis­last­um­kehr. Eine solch gif­ti­ge La­dung an Rechts­ri­si­ken hätte un­mit­tel­bar Aus­wir­kun­gen auf Un­ter­neh­men: Un­kla­re Re­geln müss­ten im Streit­fall zu­erst von Ge­rich­ten be­ur­teilt wer­den. Das führt kaum zu einer bes­se­ren Com­p­li­an­ce, son­dern er­stickt un­ter­neh­me­ri­sche Ak­ti­vi­tä­ten – ge­ra­de auch im Be­reich der Cor­po­ra­te So­ci­al Re­s­pon­si­bi­li­ty. Schlimms­ten­falls führt dies zu einem Rück­zug von Schwei­zer Un­ter­neh­men aus Ge­bie­ten mit hohen Rechts­ri­si­ken, zum Scha­den der lo­ka­len Be­völ­ke­rung.

Die Me­cha­nik der In­itia­ti­ve er­mög­licht Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen (NGO), den Un­ter­neh­men ihre ei­ge­nen Vor­stel­lun­gen von ak­zep­ta­blem Ver­hal­ten zu dik­tie­ren. Fak­tisch führt dies zu einer Re­gu­lie­rung durch Pri­va­te und zu einer Auf­sicht der Wirt­schaft durch NGO. Dabei be­steht ein er­heb­li­ches Ri­si­ko, dass diese durch Spen­den fi­nan­zier­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen ideo­lo­gisch und mo­ne­tär mo­ti­viert sind – ohne dabei selbst über­wacht zu wer­den.

Beim Ge­gen­vor­schlag steht die lau­fen­de Ver­bes­se­rung der be­triebs­in­ter­nen Ab­läu­fe im Vor­der­grund, mit dem Ziel, die Wahr­schein­lich­keit von ne­ga­ti­ven Er­eig­nis­sen kon­stant zu re­du­zie­ren.

Beim Ge­gen­vor­schlag des Par­la­ments hin­ge­gen ste­hen nicht der Ein­zel­fall und auf­se­hen­er­re­gen­de Ge­richts­pro­zes­se im Vor­der­grund, son­dern die kon­stan­te Ver­bes­se­rung der be­triebs­in­ter­nen Ab­läu­fe. Das Ziel muss näm­lich sein, die Wahr­schein­lich­keit von ne­ga­ti­ven Er­eig­nis­sen kon­stant zu re­du­zie­ren. Der Ge­gen­vor­schlag auf­er­legt dem Ver­wal­tungs­rat ei­ner­seits weit­ge­hen­de Re­chen­schafts­pflich­ten dar­über, was das Un­ter­neh­men im Be­reich der Nach­hal­tig­keit tut. An­de­rer­seits kom­men ver­bind­li­che Sorg­falts­prü­fungs­pflich­ten in den Be­rei­chen Kin­der­ar­beit und Kon­flikt­mi­ne­ra­li­en hinzu. Wer sich nicht an diese Ver­pflich­tun­gen hält, wird ge­büsst. Die NGO wer­den hier zu kri­ti­schen Be­ob­ach­tern, aber nicht zur fak­ti­schen staat­li­chen Voll­zugs­stel­le.

Klar, dass sich die In­iti­an­ten nicht mit dem grif­fi­gen Ge­gen­vor­schlag ab­fin­den wol­len. Viel­mehr wol­len sie mit Kla­gen gegen Un­ter­neh­men ihre Vor­stel­lun­gen durch­set­zen. Wer hin­ge­gen den welt­wei­ten Schutz von Mensch und Um­welt ver­bes­sern will, un­ter­stützt Lö­sun­gen, die in­ter­na­tio­nal ab­ge­stimmt sind. So, wie es der in­di­rek­te Ge­gen­vor­schlag von Bun­des­rat und Par­la­ment vor­sieht.

 

Erst­pu­bli­ka­ti­on die­ses Bei­trags er­folg­te in «Recht re­le­vant. für Ver­wal­tungs­rä­te» am 26. Ok­to­ber 2020