Businessmann lehnt mit verschlossenen Armen einen Handshake ab

WTO: Blo­cka­de in der Streit­schlich­tung trifft auch die Schweiz

Die Krise der Welt­han­dels­or­ga­ni­sa­ti­on ver­schärft sich wei­ter. Weil die USA die Be­stä­ti­gung von Rich­tern blo­ckier­te, ist die Re­kurs­in­stanz der WTO-Streit­schlich­tung seit heute hand­lungs­un­fä­hig. Die mul­ti­la­te­ra­le Eis­zeit stellt auch die Schweiz vor gros­se Her­aus­for­de­run­gen.

WTO

Es ist eine der zen­tra­len Er­run­gen­schaf­ten der Welt­han­dels­or­ga­ni­sa­ti­on (WTO) und ein gros­ser Ver­hand­lungs­er­folg von in­ter­na­tio­na­ler Zu­sam­men­ar­beit: der Streit­schlich­tungs­me­cha­nis­mus. Seit der Grün­dung der WTO vor 24 Jah­ren wurde das Schieds­ge­richt ins­ge­samt 592 Mal an­ge­ru­fen.

Stär­ke des Rechts dis­zi­pli­niert die Mäch­ti­gen

Das WTO-Streit­schlich­tungs­sys­tem stärkt ins­be­son­de­re die Stim­me der klei­nen und mitt­le­ren Volks­wirt­schaf­ten. Denn Ver­stös­se gegen be­ste­hen­des WTO-Recht durch mäch­ti­ge Staa­ten kön­nen so wir­kungs­voll ge­ahn­det wer­den. Auch die Schweiz nutzt den Streit­bei­le­gungs­me­cha­nis­mus aktiv und war bis­her in 34 Fäl­len in­vol­viert – dabei noch nie als An­ge­klag­te.

Der Streit­schlich­tungs­me­cha­nis­mus hat je­doch auch seine Kri­ti­ker. Ge­for­dert wer­den etwa stär­ke­re Re­form­an­stren­gun­gen und kür­ze­re Be­ar­bei­tungs­zei­ten von Streit­fäl­len. Gleich­wohl wurde die Be­stä­ti­gung von Rich­tern bis­her nie in­fra­ge ge­stellt: Lie­ber am fah­ren­den Zug re­pa­rie­ren, an­statt ihn ent­glei­sen zu las­sen.

Ohne Rich­ter keine Recht­spre­chung

Doch der Wind hat ge­dreht: Die USA haben den Druck auf das mul­ti­la­te­ra­le Welt­han­dels­sys­tem er­höht und blo­ckie­ren seit rund zwei Jah­ren die Be­stä­ti­gung der Rich­ter für die Be­ru­fungs­in­stanz des WTO-Schieds­ge­richts (ap­pel­la­te body). Dies ob­wohl sie zu den stärks­ten Nut­zern der Streit­schlich­tung ge­hö­ren. Von ur­sprüng­lich sie­ben Rich­tern ist ab heute daher le­dig­lich noch eine Per­son im Amt. Drei wären für die Be­hand­lung eines Streit­falls nötig. Sämt­li­che Ret­tungs­ver­su­che sind bis­her ge­schei­tert. Damit ist die Be­ru­fungs­in­stanz erst­mals in der Ge­schich­te der WTO hand­lungs­un­fä­hig.

WTO-Krise war ab­seh­bar

Dass sich die Krise der WTO damit wei­ter ver­schärft ist auch für die Schweiz höchst be­un­ru­hi­gend. 98 Pro­zent des Welt­han­dels ba­sie­ren auf WTO-Recht. Be­son­ders pro­ble­ma­tisch: Wie im Wes­tern kann ab heute auch in der WTO der an­ge­schos­se­ne She­riff nur noch be­grenzt für die Ein­hal­tung von Recht und Ord­nung sor­gen. Kann die WTO-Streich­sch­lich­tung nicht rasch wie­der voll­stän­dig funk­ti­ons­fä­hig ge­macht wer­den, ver­lie­ren ge­ra­de klei­ne Staa­ten ohne macht­po­li­ti­sche In­stru­men­te eine wich­ti­ge Mög­lich­keit, um die Mäch­ti­gen bei Ver­stös­sen gegen WTO-Recht in die Schran­ken zu wei­sen.

Die Schweiz ist drei­fach ge­for­dert

Für die of­fe­ne und in­ter­na­tio­nal stark ver­netz­te Schweiz sind dies gros­se Her­aus­for­de­run­gen. An­ders als die Be­ru­fungs­in­stanz der WTO-Streit­schlich­tung ist sie je­doch kei­nes­wegs hand­lungs­un­fä­hig:

  1. Die Schweiz muss sich mit aller Kraft für die Wie­der­her­stel­lung der um­fas­sen­den Funk­ti­ons- und Hand­lungs­fä­hig­keit des WTO-Sys­tems ein­set­zen.
  2. An­ge­sichts der Krise der WTO sind Frei­han­dels­ab­kom­men die beste Al­ter­na­ti­ve. Des­halb haben Ab­schot­tungs­re­fle­xe in der Han­dels­po­li­tik kei­nen Platz. Dies be­trifft auch die Blo­cka­de rund um das InstA.
  3. Die Schweiz muss für den Han­del uni­la­te­ral han­deln: Nötig sind etwa der Ver­zicht auf In­ves­ti­ti­ons­kon­trol­len, der Abbau der Im­port­zöl­le auf In­dus­trie­pro­duk­te oder die Di­gi­ta­li­sie­rung sämt­li­cher Zoll­pro­zes­se.