Ü65: Für immer Fe­ri­en oder gros­ses Ar­beits­kräf­te­po­ten­zi­al?

Im Rah­men der AHV-Sa­nie­rung muss nach der Sinn­haf­tig­keit des jet­zi­gen Pen­si­ons­al­ters ge­fragt wer­den. Doch auch aus ei­ge­nem An­trieb möch­ten viele Men­schen nach der Pen­sio­nie­rung noch wei­ter­ar­bei­ten.

Viel­leicht ge­hö­ren Sie wie ich zur Ge­ne­ra­ti­on 50p­lus. Kön­nen Sie sich vor­stel­len, bis 65 Jahre voll zu ar­bei­ten und dann – zack, vom einem Tag auf den an­de­ren – nur noch Fe­ri­en zu haben? Ich finde diese Vor­stel­lung gräss­lich. Wie eine ak­tu­el­le Stu­die des Be­ra­tungs­un­ter­neh­mens De­loit­te zeigt, geht es vie­len in der Schweiz wie mir. 40 Pro­zent der be­frag­ten Per­so­nen im Alter zwi­schen 50 und 64 Jah­ren möch­ten über das or­dent­li­che Pen­sio­nie­rungs­al­ter hin­aus ar­bei­ten. Die meis­ten davon möch­ten al­ler­dings nur noch in re­du­zier­tem Um­fang be­schäf­tigt sein (35 Pro­zent), nur fünf Pro­zent wün­schen sich über das Pen­si­ons­al­ter hin­aus eine Voll­zeit­stel­le. Ob Teil­zeit oder Voll­zeit: De­loit­te rech­net vor, dass das Ar­beits­kräf­te­po­ten­zi­al der Ü65 künf­tig rie­sig ist. Wenn diese 40 Pro­zent auch nach 65 er­werbs­tä­tig blei­ben, wären dies rund 580'000 Per­so­nen.

Es fin­det eine mas­si­ve Um­ver­tei­lung von Jung zu Alt statt.

Die Per­so­nen­grup­pe der Ü65 ist bis­her eher als Be­las­tung der So­zi­al­wer­ke ein Thema: Immer we­ni­ger Er­werbs­tä­ti­ge pro Pen­sio­nier­te sor­gen für gros­se Pro­ble­me bei der Al­ters­vor­sor­ge. Die AHV muss sa­niert wer­den, der Um­wand­lungs­satz bei den Pen­si­ons­kas­sen ist zu hoch. Kurz­um: Es fin­det eine mas­si­ve Um­ver­tei­lung von Jung zu Alt statt, die drin­gend kor­ri­giert wer­den muss. Die Stu­die von De­loit­te aber sieht in der Per­so­nen­grup­pe der Ü65 eine Lö­sung für den zu­neh­men­den Ar­beits­kräf­te­man­gel in der Schweiz. Auch wenn nur ein Teil der Per­so­nen wei­ter­ar­bei­tet, die heute noch – zack – in Pen­si­on gehen, würde das Schwei­zer Ar­beits­kräf­te­po­ten­zi­al bes­ser aus­ge­nutzt. Dazu brau­che es aber eine Ver­hal­tens­än­de­rung von Ar­beit­neh­mern und Ar­beit­ge­bern, neue Ar­beits­mo­del­le und eine Fle­xi­bi­li­sie­rung des Ren­ten­al­ters. In eine ähn­li­che Rich­tung ar­gu­men­tiert der Phi­lo­soph Lud­wig Has­ler in sei­nem neu­es­ten Buch «Für ein Alter, das noch was vor­hat». Er fragt sich: «Kann es wirk­lich sein, dass man sich mit der Pen­sio­nie­rung für die nächs­ten 25 Jahre zur Ruhe setzt oder von einer Kreuz­fahrt zur nächs­ten hetzt?» Auch Ü65 soll­ten an der Zu­kunft mit­wir­ken, auch wenn diese viel­leicht nicht mehr die ei­ge­ne sein werde. Men­schen seien zu­frie­de­ner, wenn sie etwas mehr be­we­gen als nur sich selbst.

Auch Ü65 soll­ten an der Zu­kunft mit­wir­ken, auch wenn diese viel­leicht nicht mehr die ei­ge­ne ist.

Bei Has­ler steht die Sinn­stif­tung einer be­zahl­ten oder un­be­zahl­ten Tä­tig­keit im Vor­der­grund. Bei De­loit­te die bes­se­re Aus­nut­zung des Ar­beits­kräf­te­po­ten­zi­als. Wich­tig ist, dass wir end­lich dar­über nach­zu­den­ken be­gin­nen, ob «zack, ab heute habe ich für immer Fe­ri­en» in der heu­ti­gen Zeit noch rich­tig und sinn­haft ist.