«Mo­dern Money Theo­ry»: Voo­doo-Öko­no­mie oder po­li­ti­sche Stra­te­gie?

Von Ame­ri­ka her brei­tet sich der­zeit eine ver­lo­cken­de Idee na­mens «Mo­dern Money Theo­ry» (MMT) nach Eu­ro­pa aus. Ihr Kern­ge­dan­ke: Der Staat muss sich nicht ver­schul­den oder Steu­ern ein­trei­ben, wenn er Aus­ga­ben be­schliesst – er kann das Geld ein­fach via No­ten­bank be­reit­stel­len.

Die Steu­er­po­li­tik und die Her­aus­ga­be von Staats­ob­li­ga­tio­nen wären ge­mäss MMT nur noch dazu da, das fi­nan­zi­el­le Gleich­ge­wicht in der Volks­wirt­schaft si­cher­zu­stel­len und damit In­fla­ti­on zu ver­hin­dern. Dies alles unter der Prä­mis­se, dass der Staat nie plei­te­ge­hen kann, weil er ja über das No­ten­bank­mo­no­pol ver­fügt. Wann immer er Geld be­nö­tigt, kann er es in un­be­schränk­tem Um­fang her­stel­len.

Par­al­le­len zu Voll­gelld

In der Schweiz haben wir 2018 über eine Vor­la­ge ab­ge­stimmt, die ähn­li­che Ideen um­set­zen woll­te: die Voll­geld­in­itia­ti­ve. Sie wurde mit 75 Pro­zent Nein-Stim­men ab­ge­lehnt. Auch die Mo­dern Money Theo­ry meint, die Geld­po­li­tik müsse in den Dienst der Fi­nanz­po­li­tik ge­stellt wer­den. Beide Ideen wol­len im Grund­satz, dass die Un­ab­hän­gig­keit der No­ten­ban­ken auf­ge­ho­ben wird und die läs­ti­ge Bud­ge­t­re­strik­ti­on bei Staats­aus­ga­ben fällt.

In­fla­ti­on kann kaum recht­zei­tig ge­bremst wer­den

Doch es han­delt sich um eine Voo­doo-Theo­rie. Die Ge­spens­ter, die man ruft, wird man so rasch nicht wie­der los. Kann der Staat Aus­ga­ben­pro­gram­me ein­fach be­schlies­sen, ohne sich um die Fi­nan­zie­rung zu küm­mern, wird dies böse enden. Das Bei­spiel Ve­ne­zue­la zeigt der­zeit ein­drück­lich, was pas­siert, wenn sich die Re­gie­rung hem­mungs­los am Topf der Geld­po­li­tik be­die­nen kann. Die In­fla­ti­on könn­te 2018 bei einer Mil­li­on Pro­zent ge­le­gen haben, so genau lässt sich dies bei einer der­art ga­lop­pie­ren­den Teue­rung aber nicht er­mit­teln. Geld wird in Ve­ne­zue­la nicht mehr ge­zählt, son­dern ge­wo­gen. Ähn­li­che Bei­spie­le in der Ge­schich­te fin­den sich viele. Die Deut­schen haben die Hy­per­in­fla­ti­on der Wei­ma­rer-Re­pu­blik immer noch im Ge­dächt­nis. Ihre Vor­fah­ren ver­lo­ren da­mals gros­se Teile ihres Ver­mö­gens.

Wenn man sich an den kurz­fris­ti­gen Segen einer Staats­fi­nan­zie­rung durch die No­ten­bank erst ein­mal ge­wöhnt hat, rückt man nicht ein­fach wie­der davon ab.

Auch in Ve­ne­zue­la oder im Deutsch­land der Zwi­schen­kriegs­jah­re hätte die Po­li­tik durch Steu­er­er­hö­hun­gen die Geld­men­ge ein­gren­zen kön­nen. Doch die Ge­spens­ter las­sen sich nicht so schnell ver­scheu­chen: Wenn man sich an den kurz­fris­ti­gen Segen einer Staats­fi­nan­zie­rung durch die No­ten­bank erst ein­mal ge­wöhnt hat, rückt man nicht ein­fach wie­der davon ab. Selbst wenn die Volks­wirt­schaft spä­ter kol­la­bie­ren soll­te. Zwar stimmt es, dass der Staat in ein­hei­mi­scher Wäh­rung nicht Bank­rott gehen kann. Doch im Aus­tausch mit an­de­ren Län­dern kann er sehr wohl zah­lungs­un­fä­hig wer­den, weil nie­mand wert­lo­ses Geld ak­zep­tiert.

Nur eine po­li­ti­sche Stra­te­gie?

Neh­men wir an, die USA wür­den den Ver­heis­sun­gen der MMT nicht wi­der­ste­hen und die No­ten­bank würde der Re­gie­rung Trump à dis­cre­ti­on Geld für den Mau­er­bau, für neue Rüs­tungs­gü­ter und In­ves­ti­tio­nen in die In­fra­struk­tur zur Ver­fü­gung stel­len. Selbst­ver­ständ­lich würde dies die Kon­junk­tur kurz­fris­tig an­kur­beln. Auf­grund der schon jetzt tie­fen Ar­beits­lo­sen­zah­len käme es rasch zu Knapp­hei­ten auf dem Ar­beits­markt. Die Löhne wür­den stei­gen. Die Prei­se auch. Die Po­li­tik müss­te ge­mäss MMT nun die Steu­ern rasch an­he­ben, um die In­fla­ti­on zu be­kämp­fen. Die Er­fah­rung zeigt, dass das nicht ge­schieht. Aber viel­leicht ist MMT gar keine öko­no­mi­sche Theo­rie, son­dern viel­mehr eine po­li­ti­sche Stra­te­gie. Ob­wohl sich ihre Ver­tre­ter auf John May­nard Keynes be­ru­fen, knüp­fen sie viel­mehr an die Marx’sche Ar­gu­men­ta­ti­on an, das Ka­pi­tal beute die Ar­bei­ter aus. Ent­spre­chend liegt der rich­ti­ge Zins­satz in den Augen der MMT-Ver­tre­ter bei Null. Nie­mand soll aus Geld Geld ma­chen kön­nen. Und MMT-Ver­tre­ter ver­lan­gen noch mehr: Sie wol­len, dass der Staat die Be­schäf­ti­gung zu Hun­dert Pro­zent ga­ran­tiert. In einer Re­zes­si­on müsse er mehr Per­so­nen ein­stel­len, im Boom könn­ten diese dann in der Pri­vat­wirt­schaft tätig sein. Die Volks­wirt­schaft wird so zum Sand­kas­ten­spiel, bei dem der om­ni­prä­sen­te Staat die Ge­schi­cke lenkt. All dies deu­tet dar­auf hin, dass die MMT-Ver­tre­ter – wort­reich, öko­no­misch kom­pli­ziert und das Per­pe­tu­um Mo­bi­le ver­spre­chend – ein­fach die voll­stän­di­ge Kon­trol­le der Volks­wirt­schaft durch den Staat an­stre­ben.