# 09 / 2019
25.03.2019

Die Schweiz ohne Industriezölle: alle profitieren

Ausgangslage: Die Exportnation Schweiz ist mit Protektionismus konfrontiert

Nachdem die USA kürzlich 25 Prozent Importzoll auf Stahl und chinesische Roboter eingeführt haben, hat China umgehend reagiert und 25 Prozent Zoll auf US-amerikanische Sojabohnen und Flugzeuge eingeführt. Die EU wiederum folgte mit 25 Prozent Zollanhebung auf amerikanische Jeans und Jachten. Der internationale Handelsstreit, der im Frühjahr 2018 begonnen hat, hat sich in seiner Entwicklung seither auf weitere Produktkategorien und Länder ausgeweitet. Er wird mit einem Mittel geführt, das in den vorherigen Jahren im Vergleich zu anderen protektionistischen Massnahmen eher unpopulär geworden ist: mit hohen Importzöllen.

Auch in der Schweiz sind Zölle gegenwärtig in aller Munde. Einerseits, weil die Unternehmen teilweise vom aktuellen Handelsstreit betroffen sind und die Politik mithilft, den Schaden abzuwehren. Andererseits werden die sehr hohen Importzölle der Schweiz auf Agrarprodukte zu einem immer höheren Stolperstein beim Abschluss oder bei der Erneuerung von Freihandelsabkommen.

Zurzeit verschafft den Zöllen aber noch ein anderer Aspekt Aufmerksamkeit: Der Bundesrat hat im Dezember 2017 ein Massnahmenpaket zur Bekämpfung der «Hochpreisinsel Schweiz» gutgeheissen. Die wichtigste und weitreichendste Massnahme in diesem Paket ist die unilaterale Aufhebung der Importzölle auf Industriegüter.

Schweizer Unternehmen begrüssen diese Massnahme

Werden die Zölle abgeschafft, würden die Unternehmen in der Schweiz ungefähr 500 Millionen Franken an Zollkosten sowie 100 Millionen an administrativem Aufwand pro Jahr einsparen. Die Konsumentenpreise würden um 0,1 Prozent beziehungsweise 360 Millionen Franken sinken. Schliesslich würde die gesamte Volkswirtschaft profitieren: Das BIP würde gemäss Schätzungen jährlich um 0,1 Prozent beziehungsweise 860 Millionen Franken steigen, das Einkommen pro Kopf um 43 Franken.

Dass die Zollaufhebung die Wirtschaft ankurbelt, ist nicht verwunderlich, denn niedrige Handelshürden sind in einer globalisierten Weltwirtschaft für jeden Staat zentral. Noch mehr trifft dies aber auf die Schweiz zu, eine der international integriertesten Volkswirtschaften der Welt (die Aussenhandelsquote beträgt 84 Prozent). Die Schweiz zeichnet sich ausserdem durch die Produktion innovativer Güter und Dienstleistungen mit hoher Wertschöpfung aus. Entsprechend profitiert sie überdurchschnittlich davon, wenn sie Vorleistungen günstig aus dem Ausland importieren kann. Dies macht die Unternehmen gegenüber ihrer internationalen Konkurrenz wettbewerbsfähiger – auch im Export.

Testimonial Jean-Daniel Pasche

 

Dass die Schweiz ihre Wettbewerbsfähigkeit stärkt, ist dringend nötig: Im jüngsten «Global Competitiveness Report» beispielsweise erreicht die Schweiz keinen Spitzenplatz mehr, sondern lediglich den vierten Platz – nach den USA, Singapur und Deutschland. Beim Indikator Handelsoffenheit – der die Importzölle, die nichttarifären Handelsbarrieren, die Komplexität der Zölle und die Effizienz der Zollveranlagung misst – fällt die Schweiz weit ab gegenüber ihrer Konkurrenz, auf Rang 76.

Über Effizienz und Transparenz von Grenzverwaltungen gibt der «Global Enabling Trade Report» noch detaillierter Aufschluss. Darin zeigt sich: Die Schweiz hat bei Qualität und Umfang der Zolldienstleistungen Nachholbedarf (Platz 19), sowie bei der Zeit, die für Nachweispflichten (Platz 31) und für die Konformität tarifärer und nichttarifärer Regulierungen (Platz 5) bei der Grenze aufgewendet werden muss. Auch bei den diesbezüglichen Kosten (Platz 29 respektive 20) ist die Schweiz wenig kompetitiv.

Unilaterale Aufhebung der Importzölle auf Industriegüter

Als Industriegüter klassifizieren sich alle Güter ausser Agrargüter, Futter- und Lebensmittel. Sie können in Investitionsgüter, Rohstoffe, Halbfabrikate und Konsumgüter (z.B. Fahrräder, Autos, Haushaltsgeräte oder Kleider) unterteilt werden. Eine unilaterale Aufhebung der Importzölle bedeutet, dass die Schweiz den Zollansatz auf jene Güter autonom auf null Franken setzen würde. Sämtliche internationalen Verpflichtungen der Schweiz im Rahmen der WTO oder bestehender Freihandelsabkommen (FHA) blieben unverändert. Industriegüter machen wertmässig 95,2 Prozent (2018) aller Importe in die Schweiz aus. Die Importzölle auf Industriegüter betragen heute durchschnittlich 1,8 Prozent (2017). Sie generieren 40,9 Prozent aller Zolleinnahmen beziehungsweise rund 486 Millionen Franken, was 0,7 Prozent der Bundeseinnahmen entspricht (2016).