Symbolbild: Flaggen von China und der Schweiz

Frei­han­dels­ab­kom­men Schweiz-China: Hohe Be­deu­tung für die Schweiz

Die Schweiz pro­fi­tiert be­reits heute stark vom Frei­han­dels­ab­kom­men mit China, ob­wohl die­ses Zölle über einen Zeit­raum von zehn Jah­ren ab­baut und des­halb weit davon ent­fernt ist, seine volle Wir­kung zu ent­fal­ten. Dies lässt sich em­pi­risch und an­hand von Fir­men­bei­spie­len be­le­gen. Gleich­zei­tig be­haup­tet der Schwei­ze­ri­sche Bau­ern­ver­band in einer kürz­lich ver­öf­fent­lich­ten Me­di­en­mit­tei­lung, der Nut­zen des Ab­kom­mens sei nicht vor­han­den. Er ver­sucht, dies mit einer Stu­die zu un­ter­mau­ern. So­wohl die Be­haup­tung wie auch die Stu­die sind ir­re­füh­rend, wie die­ses Kurz­pa­pier dar­le­gen wird.

1 Aus­gangs­la­ge

Der Schwei­ze­ri­sche Bau­ern­ver­band hat in einer Me­di­en­mit­tei­lung vom 11. Mai eine Stu­die ver­öf­fent­licht, mit der er den Nut­zen des Frei­han­dels­ab­kom­mens mit China in­fra­ge stellt. Dies ist Teil einer of­fen­sicht­li­chen Kam­pa­gne, um den Wert des Frei­han­dels klein­zu­re­den und über­höh­ten Agrar­pro­tek­tio­nis­mus zu recht­fer­ti­gen.

2 Kernar­gu­men­te des Bau­ern­ver­bands

In sei­ner Stu­die hat der Ver­band die Ex­port­zah­len vor und nach In­kraft­tre­ten des Frei­han­dels­ab­kom­mens mit China ver­gli­chen. Er kommt zum Schluss, dass:

  • Ohne Gold und Phar­ma­pro­duk­te haben die Ex­por­te wert­mäs­sig nur ge­ring­fü­gig zu­ge­legt.
  • Agrar­pro­duk­te wür­den zwar in China stark stei­gen­den Ab­satz fin­den (!), das aber tref­fe vor allem auf ver­ar­bei­te­te Le­bens­mit­tel zu (Kin­der­nah­rung) und somit blie­be wenig bei den Pro­du­zen­ten des Pri­mär­sek­tors hän­gen.
  • Auch die Kä­se­ex­por­te haben mar­kant zu­ge­nom­men, aber es seien vor allem qua­li­ta­tiv min­de­rer Reib­kä­se und sol­cher in Pul­ver­form.

Aus die­ser nicht wi­der­spruchs­frei­en Ar­gu­men­ta­ti­on schliesst der Ver­band, der Nut­zen von Frei­han­dels­ab­kom­men sei über­schau­bar.

3 Ge­ne­rel­le An­mer­kung zum Vor­ge­hen des Bau­ern­ver­bands

Bevor der tat­säch­li­che Nut­zen des Frei­han­dels­ab­kom­mens dar­ge­legt wird, sol­len an die­ser Stel­le kurz grund­sätz­li­che Vor­be­hal­te zum Vor­ge­hen des Bau­ern­ver­bands an­ge­bracht wer­den:

  • Was keine Er­wäh­nung fin­det ist, dass Chi­nas Wirt­schafts­wachs­tum zu­letzt stark ab­ge­kühlt ist und China ent­spre­chend we­ni­ger im­por­tiert hat.
  • Wie auch der Bau­ern­ver­band fest­stellt, hängt es näm­lich stark mit der kon­junk­tu­rel­len Lage ab, ob Ex­por­te zu- oder ab­neh­men. Umso er­staun­li­cher ist es, dass der Bau­ern­ver­band Gold mit­ein­be­zieht. Eben­falls wich­tig sind Wech­sel­kurs­ef­fek­te.
  • Aus­ser­dem be­rück­sich­tigt der Bau­ern­ver­band den Dienst­leis­tungs­han­del nicht.
  • Des Wei­te­ren wird nicht er­wähnt, dass das FHA mit China für Schwei­zer Ex­por­te Über­gangs­fris­ten für die Zoll­sen­kun­gen vor­sieht (zehn Jahre). Es ist somit be­reits klar, dass in den ers­ten drei Jah­ren seit In­kraft­tre­ten die Ef­fek­te noch nicht mar­kant aus­fal­len kön­nen.
  • Zudem wer­den nicht alle Pro­duk­te gleich­be­han­delt, die Zoll­re­duk­tio­nen va­ri­ie­ren stark in ihrer Höhe. Aber der Bau­ern­ver­band geht nicht dar­auf ein, wel­che Pro­duk­te über­haupt vom Ab­kom­men be­trof­fen sind.

4 Tat­säch­li­cher Nut­zen des Frei­han­dels­ab­kom­mens

Warenhandel

Die Schwei­zer Ex­por­te ohne Gold nach China sind seit dem In­kraft­tre­ten des Frei­han­dels­ab­kom­mens stets po­si­tiv ge­we­sen. Die höchs­ten Wachs­tums­ra­ten wur­den vor dem In­kraft­tre­ten er­reicht, al­ler­dings lässt sich da­durch kein Rück­schluss auf den Nut­zen des Frei­han­dels­ab­kom­mens ma­chen. Die chi­ne­si­sche Wirt­schaft hat sich in den ver­gan­ge­nen Jah­ren stark ab­ge­schwächt, ent­spre­chend rück­läu­fig sind auch die Im­por­te, die China auf­weist. Trotz die­ser Wachs­tums­schwä­che in China haben sich die Schwei­zer Ex­por­te po­si­tiv ent­wi­ckelt. Wäh­rend China 2016 ver­gli­chen mit dem Vor­jahr seine Im­por­te aus dem ge­sam­ten Aus­land um rund fünf Pro­zent ge­senkt hat, hat das Land gleich­zei­tig seine Nach­fra­ge nach Schwei­zer Pro­duk­ten um zehn Pro­zent er­höht. Ei­gent­lich müss­te die Frage des­halb sein, wie sich die Schwei­zer Ex­por­te ohne Frei­han­dels­ab­kom­men in der­sel­ben Si­tua­ti­on be­wegt hät­ten.

Ge­stie­gen sind auch die Dienst­leis­tungs­ex­por­te der Schweiz nach China, die eben­falls vom Frei­han­dels­ab­kom­men ab­ge­deckt wer­den. Dabei haben sie stär­ker zu­ge­nom­men als die to­ta­len Dienst­leis­tungs­ex­por­te der Schweiz. 2017 sind die Schwei­zer Dienst­leis­tungs­ex­por­te ge­samt­haft um etwas we­ni­ger als ein Pro­zent ge­stie­gen, jene nach China haben aber um rund drei Pro­zent zu­ge­nom­men.

DL-Handel

Die Rück­mel­dun­gen un­se­rer Mit­glie­der zei­gen zudem klar: Nicht nur Gross­un­ter­neh­men, son­dern auch zahl­rei­che KMU nut­zen be­reits heute das Ab­kom­men – trotz der mehr­jäh­ri­gen Über­gangs­fris­ten bei den Zoll­re­duk­tio­nen. Aus­ser­dem weist das Ab­kom­men mit China einen wei­te­ren Vor­teil auf: Wäh­rend aus­ser der Schweiz kein kon­ti­nen­tal­eu­ro­päi­sches oder ame­ri­ka­ni­sches Land einen prä­fe­ren­zi­el­len Markt­zu­gang nach China hat, kön­nen wir die­sen sogar noch wei­ter ver­tie­fen. Die Evo­lu­tiv­klau­sel er­laubt es, mit den chi­ne­si­schen Be­hör­den wei­te­re Han­dels­hemm­nis­se ab­zu­bau­en.

5 Nut­zen dar­ge­stellt an ei­ni­gen, kon­kre­ten Bei­spie­len

Das Frei­han­dels­ab­kom­men mit China hat be­reits jetzt viel be­wirkt, ob­wohl es auf­grund der Über­gangs­fris­ten noch weit vor der Ent­fal­tung des ei­gent­li­chen Po­ten­zi­als steht. Hier seien ei­ni­ge Bei­spie­le ge­nannt:

  • Uh­ren­in­dus­trie: Die ZHAW hat in einer Stu­die ge­zeigt, dass die Uh­ren­in­dus­trie 2016 dank des Ab­kom­mens 27 Mil­lio­nen Fran­ken we­ni­ger an Zöl­len zah­len muss­te. Zudem er­mög­lich­te es den Un­ter­neh­men, bei ihren in China ein­ge­kauf­ten Vor­leis­tun­gen eben­falls 3,6 Mil­lio­nen Fran­ken ein­zu­spa­ren. Um das Bei­spiel noch kon­kre­ter zu ma­chen: Es gibt einen Uh­ren­her­stel­ler, der be­reits im ers­ten Jahr 4,7 Mil­lio­nen Fran­ken Zölle we­ni­ger be­zah­len muss­te und in den nächs­ten zehn Jah­ren vor­aus­sicht­lich 100 Mil­lio­nen Fran­ken spa­ren wird.
     
  • Firma Bau­mann: Die Firma Bau­mann be­schäf­tigt 450 Mit­ar­bei­ten­de in der Schweiz und stellt Me­tall­fe­dern her. Diese ex­por­tiert das Un­ter­neh­men auch nach China. Die Zölle wer­den in den nächs­ten Jah­ren von zwölf auf null Pro­zent ge­senkt. Das ist für die Firma ein ent­schei­den­der Wett­be­werbs­vor­teil und gleicht teil­wei­se aus, dass der star­ke Fran­ken die Mar­gen ge­drückt hat.
     
  • Fleisch­pro­du­zen­ten: Wäh­rend in der Schweiz vom Schwein ei­gent­lich fast nur die Fi­let­stü­cke ge­ges­sen wer­den und Füsse, Schwänz­li und Schnörr­li nie­man­den in­ter­es­sie­ren, wären das in China De­li­ka­tes­sen. Die Zölle auf diese Pro­duk­te wer­den durch das Frei­han­dels­ab­kom­men ge­senkt. Für die Fleisch­ver­ar­bei­ter eine gros­se Chan­ce, die ei­ni­ge Be­trie­be be­reits er­kannt, ent­spre­chend In­ves­ti­tio­nen in die Pro­duk­ti­on ge­tä­tigt und so Ar­beits­plät­ze ge­schaf­fen haben1.

6 All­ge­mei­ner Nut­zen von Frei­han­dels­ab­kom­men

Über den all­ge­mei­nen Nut­zen von Frei­han­dels­ab­kom­men für die Schweiz gibt es erst we­ni­ge Stu­di­en. Grund­sätz­lich lässt sich de­skrip­tiv fest­hal­ten, dass mit dem Aus­bau des Net­zes an Frei­han­dels­ab­kom­men auch die Schwei­zer Ex­por­te zu­ge­nom­men haben. Al­ler­dings ist das kein Beleg für eine Ur­säch­lich­keit.

Gesamtwirtschaftlicher Nutzen

Auch lässt sich für die Schweiz fest­hal­ten, dass nach dem In­kraft­tre­ten eines Frei­han­dels­ab­kom­mens die Ex­por­te stär­ker wach­sen. So hält eine Stu­die des Seco fest: «Schwei­zer Wa­ren­ex­por­te wuch­sen von 1988 bis 2014 durch­schnitt­lich um 4,1 Pro­zent pro Jahr, wäh­rend die Aus­fuh­ren an Frei­han­dels­part­ner aus­ser­halb der EU/EFTA in den ers­ten vier Jah­ren nach In­kraft­tre­ten des je­wei­li­gen FHA um durch­schnitt­lich über 8,5 Pro­zent pro Jahr zu­nah­men.»2 In die­ser Stu­die wer­den die jähr­lich mög­li­chen Zoll­ein­spa­run­gen durch Frei­han­dels­ab­kom­men (ohne China und EFTA/EU) für Schwei­zer Fir­men auf 400 Mil­lio­nen Fran­ken ge­schätzt. Diese Ein­spa­run­gen ma­chen Schwei­zer Pro­duk­te im Aus­land be­deu­tend wett­be­werbs­fä­hi­ger oder kön­nen für In­ves­ti­tio­nen ge­nutzt wer­den.

Index

Eben­falls in­ter­es­sant ist die Kor­re­la­ti­on zwi­schen dem In­kraft­tre­ten von Frei­han­dels­ab­kom­men und der Di­rekt­in­ves­ti­tio­nen. «Der Ka­pi­tal­be­stand der Schwei­zer Di­rekt­in­ves­ti­tio­nen im Aus­land wuchs in den Jah­ren 1988 bis 2007 durch­schnitt­lich um 12,6 Pro­zent. In den Part­ner­län­dern hin­ge­gen be­trug der Ka­pi­tal­zu­wachs im Durch­schnitt in den ers­ten vier Jah­ren nach In­kraft­tre­ten des je­wei­li­gen FHA 18 Pro­zent»3.

Letzt­lich bleibt zu er­wäh­nen, dass viele Frei­han­dels­ab­kom­men Be­stim­mun­gen über den Schutz des geis­ti­gen Ei­gen­tums, den In­ves­ti­ti­ons­schutz sowie des öf­fent­li­chen Be­schaf­fungs­we­sens ent­hal­ten.

Der po­si­ti­ve Ef­fekt die­ser Li­be­ra­li­sie­run­gen auf den Han­del lässt sich hier zwar nicht quan­ti­fi­zie­ren, die An­nah­me, dass es kei­nen gibt, scheint aber wenig plau­si­bel.

7 Zu­sam­men­fas­sung 

  • Die Schwei­zer Wirt­schaft hat stark vom Netz an Frei­han­dels­ab­kom­men pro­fi­tiert – das trifft auch auf jenes mit China zu, das ins­be­son­de­re auch von KMU ge­nutzt wird.
  • Auch wenn es keine Kau­sa­li­täts­stu­die gibt zum Frei­han­dels­ab­kom­men mit China und die­ses auf­grund der Über­gangs­fris­ten noch gar nicht seine volle Wir­kung ent­fal­ten kann, lässt sich fest­hal­ten: Wäh­rend China 2016 ver­gli­chen mit dem Vor­jahr seine Im­por­te aus dem ge­sam­ten Aus­land um rund fünf Pro­zent ge­senkt hat, hat das Land gleich­zei­tig seine Nach­fra­ge nach Schwei­zer Pro­duk­ten um zehn Pro­zent er­höht. 2017 sind die Schwei­zer Dienst­leis­tungs­ex­por­te ge­samt­haft um etwas we­ni­ger als ein Pro­zent ge­stie­gen, jene nach China haben aber um rund drei Pro­zent zu­ge­nom­men.
  • Durch­schnitt­lich wach­sen die Ex­por­te fast dop­pelt so stark mit Län­dern, mit denen die Schweiz ein Frei­han­dels­ab­kom­men ge­schlos­sen hat.
  • Es wird ge­schätzt, dass Schwei­zer Fir­men dank tie­fe­rer Zölle pro Jahr 400 Mil­lio­nen Fran­ken spa­ren könn­ten als di­rek­te Folge der Frei­han­dels­ab­kom­men – und in die­ser Zahl ist China nicht mit­be­rück­sich­tigt.
  • Zudem muss die stra­te­gi­sche Dy­na­mik be­rück­sich­tigt wer­den: Die meis­ten Staa­ten stre­ben nach Frei­han­dels­ab­kom­men. Wenn die Schweiz keine wei­te­ren Ab­kom­men ab­schliesst, gerät un­se­re Ex­port­wirt­schaft ins Hin­ter­tref­fen.

 

1Es muss an­ge­merkt wer­den, dass China zwar die Zölle senkt, aber nicht vor nicht-ta­ri­fä­ren Mass­nah­men ab­sieht. So müs­sen sich Schwei­zer Metz­ge­rei­en von chi­ne­si­schen Be­hör­den kon­trol­lie­ren las­sen, bevor sie nach China ver­kau­fen dür­fen. Diese nicht-ta­ri­fä­ren Han­dels­hemm­nis­se füh­ren teil­wei­se dazu, dass das Ab­kom­men nicht ge­nutzt wird. Al­ler­dings hat das Ab­kom­men auf­grund der Evo­lu­tiv­klau­sel die Schaf­fung eines ge­mein­sa­men Aus­schus­ses zur Folge, in der die Schweiz genau sol­che Hemm­nis­se the­ma­ti­sie­ren und somit den Abbau die­ser an­re­gen kann.

2Mül­ler L. & Nuss­bau­mer T. (2016). Wirt­schaft­li­che Be­deu­tung der Frei­han­dels­ab­kom­men für die Schweiz Fokus auf Part­ner aus­ser­halb der EU.

3Abt, M. (2009). Be­deu­tung der Frei­han­dels­ab­kom­men mit Part­nern aus­ser­halb der EU. In «Die Volks­wirt­schaft».