Di­gi­ta­li­sie­rung: Bitte keine In­dus­trie­po­li­tik!

Was hat die Ro­bo­ter-Steu­er mit einer Son­der­steu­er für Hand­bohr­ma­schi­nen ge­mein­sam? Dank der Bohr­ma­schi­ne kann der Schrei­ner mehr pro­du­zie­ren, und es wer­den in einer Volks­wirt­schaft we­ni­ger Schrei­ner be­nö­tigt. Wenn wir also die Bohr­ma­schi­nen durch eine Steu­er mas­siv ver­teu­ern oder sogar ver­bie­ten wür­den, schü­fen wir dann nicht Ar­beits­plät­ze? Genau diese ver­dreh­te Ar­gu­men­ta­ti­on be­nutzt man bei Ro­bo­tern oder Self­scan­ning-Kas­sen, ohne rot zu wer­den.

Es wird ar­gu­men­tiert, dass diese neuen Hilfs­mit­tel mas­siv be­steu­ert (oder bes­ser ver­bo­ten) wer­den müss­ten, denn sonst wür­den zu viele Ar­beits­plät­ze ver­lo­ren gehen. Ro­bo­ter und an­de­re Ma­schi­nen sind aber ein­fach Ka­pi­tal. Ihr Ein­satz er­höht die Pro­duk­ti­vi­tät der Un­ter­neh­men, die so ihre in­ter­na­tio­na­le Wett­be­werbs­fä­hig­keit stei­gern kön­nen. Und nur weil un­se­re Un­ter­neh­men im in­ter­na­tio­na­len Ver­gleich wett­be­werbs­fä­hig sind, kön­nen sie ihren An­ge­stell­ten auch so hohe Löhne be­zah­len. Mit an­de­ren Wor­ten: Der ef­fi­zi­en­te und in­ten­si­ve Ein­satz von Ka­pi­tal ist not­wen­di­ge Vor­aus­set­zung für eine hohe Wert­schöp­fung pro Mit­ar­bei­ten­den und damit den Er­halt un­se­res Wohl­stands. Son­der­steu­ern oder ein Ver­bot von Ro­bo­tern oder ähn­li­chen Hilfs­mit­teln wären aus öko­no­mi­scher Sicht völ­lig bi­zarr, da sie den Ein­satz einer ef­fi­zi­en­ten Tech­no­lo­gie sinn­los ver­teu­ern wür­den. Mit dem Re­sul­tat, dass zu wenig in die tech­no­lo­gi­sche Ent­wick­lung in­ves­tiert würde. Die Schweiz würde sich mit einer Ro­bo­ter-Steu­er tech­no­lo­gisch ins Ab­seits ma­nö­vrie­ren und wäre in­ter­na­tio­nal nicht mehr kon­kur­renz­fä­hig. Was län­ger­fris­tig einen deut­li­chen Ver­lust von Ar­beits­plät­zen zur Folge hätte.  

Woher kom­men sol­che For­de­run­gen nach Ro­bo­ter-Steu­ern, die wir längst in der Mot­ten­kis­te der Ge­schich­te ein­ge­schlos­sen glaub­ten? Ein we­sent­li­cher Grund liegt wohl darin, dass wir sehr wohl eine Ah­nung davon haben, wel­che Jobs oder Tä­tig­kei­ten durch die Di­gi­ta­li­sie­rung po­ten­zi­ell au­to­ma­ti­siert wer­den könn­ten. Die su­per­ge­schei­ten Ro­bo­ter in den Sci­ence-Fic­tion-Fil­men ver­lei­ten uns sogar zur An­nah­me, dass der Mensch bald in allen Be­rei­chen durch in­tel­li­gen­te Tech­nik über­flü­gelt wird. Im Ge­gen­satz dazu kön­nen wir uns ziem­lich schlecht vor­stel­len, wel­che zu­sätz­li­chen Jobs künf­tig ge­schaf­fen wer­den. Oder hät­ten Sie sich vor ei­ni­gen Jah­ren vor­stel­len kön­nen, dass im Au­gust 2017 viele junge Men­schen eine Lehre als Web­de­si­gner be­gin­nen wür­den? Kurz­um: Wir über­schät­zen die ne­ga­ti­ven und un­ter­schät­zen die po­si­ti­ven Ar­beits­platz­ef­fek­te der Di­gi­ta­li­sie­rung sys­te­ma­tisch. Dies führt zu Ängs­ten, die zu ir­ra­tio­na­len Ab­wehr­re­ak­tio­nen füh­ren. Der Ruf nach staat­li­chen In­ter­ven­tio­nen ver­hallt dann lei­der oft nicht un­ge­hört.

Statt aber dem Re­flex nach Ab­wehr nach­zu­ge­ben, soll­ten wir uns viel­mehr fra­gen, wes­halb wir die bis­he­ri­gen wirt­schaft­li­chen Re­vo­lu­tio­nen so gut ge­meis­tert haben. Die Schweiz ver­fügt über ins­ge­samt gute wirt­schaft­li­che Rah­men­be­din­gun­gen wie po­li­ti­sche Sta­bi­li­tät, hoch­ste­hen­de In­fra­struk­tur, einen guten Zu­gang zu aus­län­di­schen Märk­ten, To­phoch­schu­len oder eine mo­dera­te Steu­er­be­las­tung. Be­son­ders wich­tig er­scheint mir die Qua­li­tät des Bil­dungs­sys­tems. Die ar­beits­markt­na­he be­ruf­li­che Aus­bil­dung ist ein nicht zu un­ter­schät­zen­der Vor­teil, damit wir uns kon­ti­nu­ier­lich an wirt­schaft­li­che und tech­no­lo­gi­sche Ver­än­de­run­gen an­pas­sen kön­nen. Zu un­se­ren Stär­ken ge­hört aber auch, dass wir in der Ver­gan­gen­heit meist den Schal­mei­en­klän­gen wi­der­ste­hen konn­ten, In­dus­trie­po­li­tik zu be­trei­ben.

Pa­cken wir also die Her­aus­for­de­run­gen der Di­gi­ta­li­sie­rung mit Selbst­ver­trau­en an, ver­trau­en auf un­se­re Stär­ken und bauen auf die­sen auf. Dann wird die Schweiz lang­fris­tig als Di­gi­ta­li­sie­rungs­ge­win­ne­rin da­ste­hen.