Plä­doy­er gegen eine «vi­sio­nä­re» Steu­er­po­li­tik

E-Mail-, Bit-, Ro­bo­ter- oder auch Mi­kro­fi­nanz­trans­ak­ti­ons-Steu­ern – die Liste neuer Steu­e­r­ide­en ist lang. Die zu­grun­de lie­gen­den Mo­ti­ve klin­gen ver­traut. Wäh­rend man sich im Zeit­al­ter des auf­kom­men­den In­ter­nets vor ne­ga­ti­ven Fol­gen fürch­te­te, so sorgt man sich heute um die Kon­se­quen­zen des di­gi­ta­len Wan­dels. Zwar gehen die lau­fen­den Ent­wick­lun­gen und Pro­zes­se nicht schmerz­frei über die Bühne. Aber wir kön­nen sie nicht auf­hal­ten und soll­ten es auch nicht.

Vor 20 Jah­ren wurde eine neue Steu­er er­fun­den: die E-Mail- oder Bit-Tax. Die Idee kam aus den USA, In­ter­es­se zeig­te man aber auch in der EU-Kom­mis­si­on und der UNO. Die neue Steu­er soll­te alles für alle sein: gegen Staus und «Schund» im In­ter­net soll­te sie hel­fen, die als pro­ble­ma­tisch be­trach­te­te Ent­wick­lung «ins Vir­tu­el­le» über­haupt ver­lang­sa­men, die Ver­lie­rer des an­bre­chen­den In­for­ma­ti­ons­zeit­al­ters mit ihren Ein­nah­men ent­schä­di­gen, die staat­li­chen So­zi­al­wer­ke si­chern, das Klima und die Welt­mee­re ret­ten und vie­les mehr. Das In­ter­net war neu und was man sich davon ver­sprach, im Guten wie im Schlech­ten, war of­fen­bar im­mens.

Heute macht wie­der eine neue Steu­er, die Ro­bo­ter­steu­er, von sich Reden. Die Mo­ti­ve dafür klin­gen ver­traut: der Wan­del zum Di­gi­tal­zeit­al­ter soll ver­lang­samt wer­den, weil Ar­beit – wie be­fürch­tet wird – breit­flä­chig durch Au­to­ma­ti­sie­rung er­setzt wird, soll statt­des­sen Ka­pi­tal be­steu­ert wer­den (i.E.: Ro­bo­ter), mit den Ein­nah­men sol­len die So­zi­al­sys­te­me ab­ge­si­chert und die Ver­lie­rer des di­gi­ta­len Wan­dels auf­ge­fan­gen wer­den. Pro­mi­nen­te Für­spre­cher der Idee stam­men aus den USA (Bill Gates, aus­ge­rech­net), fin­den sich aber auch in EU-Staa­ten und der Schweiz.

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Nun mag der di­gi­ta­le Wan­del fol­gen- und dabei nicht nur se­gens­reich sein (das Ur­teil wer­den Spä­te­re fäl­len). Das traf schon für einen sei­ner Väter, das In­ter­net, zu. Die Be­fürch­tun­gen hin­sicht­lich der «dis­rup­ti­ven» Fol­gen des In­ter­nets haben sich je­doch nicht be­wahr­hei­tet. Die Welt ist durch den glo­ba­len Da­ten­aus­tausch kaum un­ge­rech­ter ge­wor­den. Das Ge­gen­teil ist der Fall: selbst Skep­ti­ker sehen im In­ter­net heute mehr die Lö­sung als das Pro­blem. Auf die Idee, E-Mails oder den Zu­gang zu elek­tro­ni­scher In­for­ma­ti­on mit einer Steu­er künst­lich zu be­schrän­ken, käme heute wohl nie­mand mehr. Wel­chen Nut­zen also hätte eine Bit-Steu­er ge­habt? Wel­chen (grös­se­ren) Scha­den hätte sie an­ge­rich­tet? Wer­den wir in 20 Jah­ren etwas ganz Ähn­li­ches über die Ro­bo­ter­steu­er sagen, dass sie näm­lich zum Glück nie ein­ge­führt wurde?

Dass Ent­wick­lun­gen neben neuen Mög­lich­kei­ten auch Pro­ble­me schaf­fen, ist eine Bin­sen­wahr­heit. Der Web­stuhl wurde von der Web­ma­schi­ne ab­ge­löst und an ihrer Stel­le wird viel­leicht bald ein 3D-Dru­cker ste­hen. Die­ser Pro­zess geht nicht schmerz­frei, aber wir kön­nen ihn nicht auf­hal­ten und soll­ten es auch nicht. Wer wünscht sich ernst­haft ins vor­in­dus­tri­el­le Zeit­al­ter zu­rück? Wir soll­ten den Wan­del be­glei­ten, kri­tisch, aber letzt­lich un­ter­stüt­zend, weil wir nur so das Beste aus ihm ma­chen und seine Chan­cen nut­zen kön­nen. Mit dem Steu­er­schlag­ham­mer gegen grund­le­gen­den wirt­schaft­li­chen oder ge­sell­schaft­li­chen Wan­del vor­zu­ge­hen, ist zweck­los. So über­haupt Wir­kung ent­steht, dürf­te sie nicht vor­teil­haft sein. 

Die Ver­rech­nungs­steu­er für die Schwei­zer Volks­wirt­schaft we­ni­ger be­las­tend aus­zu­ge­stal­ten oder die Mehr­wert­steu­er end­lich von Bü­ro­kra­tie zu be­frei­en, ist zwar we­ni­ger vi­sio­när, am Ende aber für uns alle er­gie­bi­ger.

Hin­ge­gen soll­ten wir die ef­fek­ti­ven Pro­ble­me, die wir sehen, lösen und an­er­kann­te Feh­ler kor­ri­gie­ren. Das ist an­spruchs­voll genug, wie die schwie­ri­ge Dis­kus­si­on um die Un­ter­neh­mens­be­steue­rung ak­tu­ell zeigt; oder die schein­ba­re Un­mög­lich­keit, die Ver­rech­nungs­steu­er für die Schwei­zer Volks­wirt­schaft we­ni­ger be­las­tend aus­zu­ge­stal­ten; oder die Mehr­wert­steu­er end­lich von Bü­ro­kra­tie zu be­frei­en. An­ders als eine aus dem Hut ge­zau­ber­te Bit-, Ro­bo­ter- oder auch Mi­kro­fi­nanz­trans­ak­ti­ons-Steu­er sind diese The­men nicht vage und mit luf­ti­gen Ver­spre­chun­gen ver­bun­den. Die Lö­sun­gen sind un­mit­tel­bar re­le­vant und die Ge­win­ne greif­bar. Wir soll­ten un­se­re Tat­kraft dar­auf ver­wen­den. Das ist viel­leicht we­ni­ger «vi­sio­när», am Ende aber für uns alle er­gie­bi­ger.