Gen­tech­nik­mo­ra­to­ri­um: Was nicht ins Bild passt, wird ver­drängt

Der Na­tio­nal­rat will das Gen­tech­nik­mo­ra­to­ri­um um wei­te­re vier Jahre ver­län­gern. Die De­bat­te war ge­prägt von Vor­ur­tei­len ge­gen­über einer Tech­nik, mit der Nah­rungs­mit­tel her­ge­stellt wer­den, die wir im Aus­land be­den­ken­los essen.

Der Na­tio­nal­rat ist dem Bun­des­rat ge­folgt und will das Gen­tech­nik­mo­ra­to­ri­um um wei­te­re vier Jahre ver­län­gern. Eine Dis­kus­si­on über die Art und Weise, wie Gen­tech­nik da­nach ein­ge­setzt wer­den könn­te, war nicht er­wünscht. Mehr noch: Eine gros­se Min­der­heit woll­te sogar ein de­fi­ni­ti­ves Tech­no­lo­gie­ver­bot be­schlies­sen. Die De­bat­te war ge­prägt von ideo­lo­gisch be­ding­ten Vor­ur­tei­len ge­gen­über einer Tech­nik, mit deren Hilfe Nah­rungs­mit­tel her­ge­stellt wer­den, die so viele Schwei­ze­rin­nen und Schwei­zer im Aus­land be­den­ken­los essen. Üb­ri­gens ohne Spät­fol­gen. 

Ideo­lo­gie ist eine Art ver­fes­tig­te Welt­an­schau­ung, die sich hart­nä­ckig gegen dis­so­nan­te In­for­ma­tio­nen zur Wehr setzt. So hat sich bei vie­len Par­la­men­ta­ri­ern die Sicht­wei­se ze­men­tiert, dass Gen­tech­nik des Teu­fels sei. Wi­der­sprüch­li­che In­for­ma­tio­nen, etwa dass die Tech­no­lo­gie in vie­len Län­dern er­folg­reich an­ge­wandt wird, wer­den ne­giert. Oder es wer­den Re­sul­ta­te wis­sen­schaft­li­cher Un­ter­su­chun­gen schlecht­ge­re­det, die zei­gen, dass bei gen­tech­nisch ver­än­der­ten Pflan­zen we­ni­ger Pes­ti­zi­de not­wen­dig sind. Oder dass keine ge­sund­heit­li­chen Pro­ble­me bei Mensch oder Tie­ren fest­ge­stellt wor­den sind. 

Ko­gni­ti­ve Dis­so­nanz be­sagt, dass In­for­ma­tio­nen, die im Wi­der­spruch zum ei­ge­nen Welt­bild ste­hen, ne­giert oder be­kämpft wer­den.

Die Dis­kus­si­on rund um die Ver­län­ge­rung des Gen­tech­nik­mo­ra­to­ri­ums ist des­halb ein schö­nes An­schau­ungs­bei­spiel für die Theo­rie der ko­gni­ti­ven Dis­so­nanz. Diese be­sagt, dass In­for­ma­tio­nen, die im Wi­der­spruch zum ei­ge­nen Welt­bild ste­hen, ent­we­der ne­giert oder be­kämpft wer­den. Er­in­nern wir uns: Vor ei­ni­gen Jah­ren re­agier­ten Gen­tech-Geg­ner ent­setzt, als im Rah­men des Na­tio­na­len For­schungs­pro­gramms NFP 59 vor einem Su­per­markt Brot aus gen­tech­nisch ver­än­der­tem Ge­trei­de zu Ver­suchs­zwe­cken an die Be­völ­ke­rung ver­teilt wurde. Man woll­te her­aus­fin­den, ob die Schwei­ze­rin­nen und Schwei­zer ge­gen­über sol­chen Nah­rungs­mit­teln wirk­lich so ab­ge­neigt sind. Ein läs­ti­ger Ver­such! Lie­ber möch­te man solch dis­so­nan­te In­for­ma­tio­nen gar nicht ken­nen, damit man im Par­la­ment wei­ter­hin be­haup­ten kann, dass Schwei­zer Kon­su­men­tin­nen und Kon­su­men­ten Nah­rungs­mit­tel mit gen­tech­nisch ver­än­der­ten Zu­ta­ten rund­weg ab­leh­nen. 

Doch ist es nicht eher so, dass der Kon­su­ment heute ein­fach nur be­vor­mun­det wird? Oder dass der For­schungs­platz unter den schlech­ten Rah­men­be­din­gun­gen für die grüne Gen­tech­nik­for­schung lei­det und die Schweiz sich von der in­ter­na­tio­na­len Ent­wick­lung ab­schot­tet? Und dass sich die Land­wirt­schaft die Chan­ce ver­gibt, Pflan­zen ein­set­zen zu kön­nen, die ge­gen­über der Kar­tof­fel­fäu­le oder ge­gen­über dem Mehl­tau re­sis­tent sind?

Für ein Land, das den Titel des In­no­va­ti­ons­welt­meis­ters be­an­sprucht und das wegen feh­len­der Roh­stof­fe auf wis­sen­schaft­li­che For­schung an­ge­wie­sen ist, soll­ten un­be­leg­te, tech­no­lo­gie­feind­li­che Ideo­lo­gi­en ei­gent­lich ein Tabu sein. Hof­fen wir, dass der Stän­de­rat den Ent­scheid des Na­tio­nal­rats kor­ri­giert und dass die Gen­tech­no­lo­gie in vier Jah­ren we­nigs­tens in spe­zi­ell ge­schaf­fe­nen An­bau­ge­bie­ten eine Chan­ce be­kommt.