Er­lahmt der Re­form­wil­le?

Die Lö­sung der Ver­schul­dungs­kri­se sei auf gutem Wege, die geld­po­li­ti­schen «Ba­zoo­kas» der Zen­tral­ban­ken wer­den das schon re­geln. Und die über­eif­rig in An­griff ge­nom­me­nen Struk­tur­re­form­pro­jek­te in den über­schul­de­ten Län­dern könn­ten in eine «Aus­te­ri­täts­fal­le» füh­ren, die letzt­lich auch die Welt­kon­junk­tur ge­fähr­de. Zu die­sem Ein­druck ge­langt, wer ein Fazit des Herbst­mee­tings des In­ter­na­tio­na­len Wäh­rungs­fonds (IWF) in Tokio zu zie­hen ver­sucht. Es wurde viel Zu­ver­sicht ver­brei­tet, viel Lob aus­ge­spro­chen, ins­be­son­de­re für das neue Staats­an­lei­hen­pro­gramm der Eu­ro­päi­schen Zen­tral­bank. Und be­züg­lich des Kon­so­li­die­rungs­pro­zes­ses in ge­wis­sen Län­dern wird eine Ver­lang­sa­mung für op­por­tun ge­hal­ten. Die­sel­be Or­ga­ni­sa­ti­on, die vor nicht allzu lan­ger Zeit Län­dern wie Süd­ko­rea oder Thai­land harte Spar­pro­gram­me ab­ver­lang­te, um an IWF-Kre­di­te zu ge­lan­gen, preist nun ein ge­wis­ses «relâche­ment». Um diese Wende zu recht­fer­ti­gen, wurde in Tokio eine um­strit­te­ne Stu­die prä­sen­tiert, die auf­zei­gen soll, welch im­men­se volk­wirt­schaft­li­che Schä­den ein ri­go­ro­ser Spar­kurs an­rich­ten kann.

Aus kurz­fris­ti­ger kon­junk­tur­po­li­ti­scher Per­spek­ti­ve kön­nen sol­che Äus­se­run­gen ver­ständ­lich sein. Spa­ren und Struk­tur­wan­del sind schmerz­haf­te Pro­zes­se und ma­chen jede Re­gie­rung bei ihren Wäh­lern un­be­liebt. Stel­len die Zen­tral­ban­ken viel bil­li­ges Geld zur Ver­fü­gung, ge­winnt man etwas Zeit, ein biss­chen Wirt­schafts­wachs­tum. Aber es be­steht auch die gros­se Ge­fahr, dass die grund­le­gen­den Pro­ble­me auf die lange Bank ge­scho­ben wer­den und man das Ende des Tun­nels nie er­reicht. Ge­ra­de der IWF als eine Or­ga­ni­sa­ti­on, die nicht den Lau­nen der Ta­ges­po­li­tik aus­ge­setzt ist, soll­te kon­se­quent Klar­text spre­chen und hier eine Ge­gen­po­si­ti­on ein­neh­men. Es ist nicht seine Auf­ga­be, kurz­le­bi­ge Er­fol­ge ins Schau­fens­ter zu stel­len und bei Struk­tur­re­for­men die Hand­brem­se zu zie­hen, son­dern die lang­fris­ti­ge Ent­wick­lung im Auge zu be­hal­ten und die dafür er­for­der­li­chen schmerz­haf­ten Schrit­te wohl­wol­lend zu be­glei­ten.