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Stipendien: Gezielte Unterstützung statt Giesskanne

Die «Stipendieninitiative» des Verbands der Schweizer Studierendenschaften (VSS) ist mit rund 115'000 gültigen Unterschriften eingereicht worden. Sie will die Vergabe von Ausbildungsbeiträgen neu zentralisieren und zur Sache des Bundes machen. Auch sollen Beträge in weitaus grösserem Umfang gewährleistet werden. economiesuisse lehnt die Initiative ab.

​Grundsätzlich ist es zu begrüssen, wenn bei den Ausbildungsbeiträgen versucht wird, eine Ungleichbehandlung durch die Kantone zu vermindern und die Chancengleichheit zu fördern. Trotzdem gibt es sehr grosse Vorbehalte gegenüber der «Stipendieninitiative» des VSS. Gegenwärtig ist das Stipendienwesen dezentral geregelt und Sache der Kantone. Aus Sicht von economiesuisse macht dies Sinn, da die unterschiedlichen kantonalen Bedürfnisse besser berücksichtigt und die Gelder zielgerichtet gesprochen werden können. Zudem ist der ganze Hochschulbereich dezentral gegliedert und grundsätzlich in der Hoheit der Kantone und Regionen.

Gemäss Initiative soll neu der Bund für das Stipendienwesen verantwortlich sein. economiesuisse lehnt diese Zentralisierung ab, da die Beiträge so den heterogenen Bedürfnissen nicht mehr adäquat angepasst werden könnten. Der Bund würde zu stark in kantonale Angelegenheiten eingreifen.

Falsche Anreize für Studierende
Aus dem vorgeschlagenen Verfassungstext geht auch nicht klar hervor, wer beitragsberechtigt ist und wer nicht: «Ausbildungsbeiträge gewährleisten während einer anerkannten tertiären Erstausbildung einen minimalen Lebensstandard.» Dieser Absatz kann so interpretiert werden, dass jede Person, die eine tertiäre Erstausbildung absolviert, beitragsberechtigt ist. Und dies ohne irgendwelche Einschränkungen. Auch gibt es keinerlei Bedingungen, wie erfolgreich und fokussiert eine tertiäre Ausbildung absolviert werden muss. Schliesslich ist der geforderte Minimalbeitrag – gemessen an der materiellen Grundsicherung und den Ausbildungskosten – äusserst hoch. Es ist abschätzbar, dass dadurch sehr hohe Zusatzkosten entstehen.

Die Initiative setzt falsche Signale. So wird für Studierende der Anreiz reduziert, sich um Nebenjobs oder Praktikas zu bemühen, obwohl diese für eine spätere berufliche Tätigkeit äusserst wichtig sind. Die Tendenz, eine tertiäre Ausbildung zu «konsumieren», anstatt sie als Investition in die eigene Zukunft zu sehen, wird verstärkt.

Weniger Geld für diejenigen, die es brauchen
Chancengleichheit ist ein zentrales gesellschaftliches und volkswirtschaftliches Anliegen. Bei den Ausbildungsbeiträgen ist aber immer darauf zu achten, dass wirklich diejenigen Personen unterstützt werden, die durch bestimmte Umstände tatsächlich benachteiligt sind. Bei der «Stipendieninitiative» ist dies nicht der Fall. So besteht die Gefahr, dass benachteiligte Personen am Ende sogar weniger Unterstützung erhalten.