Entflechten

«Ent­flech­tung 27»: Be­zie­hungs­pfle­ge zwi­schen Bund und Kan­to­nen

Das Wich­tigs­te in Kürze:

  • Die Ver­tei­lung der Auf­ga­ben zwi­schen Bund und Kan­to­nen sorgt immer wie­der für Dis­kus­sio­nen.
  • Im Pro­jekt «Ent­flech­tung 27» wird die Ver­tei­lung ge­gen­wär­tig um­fas­send über­prüft.
  • Das Pro­jekt ist wich­tig: Klare Ver­ant­wort­lich­kei­ten füh­ren zu bes­se­ren und (steu­er-) güns­ti­ge­ren Lö­sun­gen. Der Fö­de­ra­lis­mus wird ge­stärkt.

Die Co­ro­na-Pan­de­mie hat man­che Be­zie­hung auf die Probe ge­stellt. Ei­ni­ge hat­ten Stress, an­de­re lern­ten sich neu ken­nen. Un­ge­wöhn­lich war die Si­tua­ti­on für alle. Das gilt auch für den Bund und die Kan­to­ne. Auch ihre Be­zie­hung wurde auf die Probe ge­stellt. Dar­über, wie sie sich «ge­metz­get» haben, wer­den His­to­ri­ke­rin­nen und Po­li­to­lo­gen spä­ter ur­tei­len. Ein De­sas­ter war es nicht. Neue Liebe wahr­schein­lich auch nicht.

Pan­de­mie hat Auf­ga­ben-Ent­flech­tung ge­bremst

Statt dem Ernst­fall war ei­gent­lich etwas an­de­res ge­plant: Eine The­ra­pie. Nach der gros­sen Fö­de­ra­lis­mus­re­form NFA von 2008 woll­ten Bund und Kan­to­ne ihr Ver­hält­nis über­prü­fen und teil­wei­se neu ord­nen. Kla­re­re Zu­stän­dig­kei­ten waren das Ziel. Nach dem Motto: Wenn jeder neben den Ge­mein­sam­kei­ten über ei­ge­ne Le­bens­be­rei­che ver­fügt, wird das Ge­mein­sa­me noch bes­ser. Bis 2022 soll­ten vier gros­se Auf­ga­ben­ge­bie­te auf Ent­flech­tungs­mög­lich­kei­ten un­ter­sucht wer­den. Das Pro­jekt war als Fort­set­zung des Jahr­hun­dert­werks NFA ge­dacht, das neben der Neu­ord­nung des ei­gent­li­chen Fi­nanz­aus­gleichs die mög­lichst un­ge­teil­te Auf­ga­ben­zu­ord­nung im Bun­des­staat zum Ziel hatte (darum NFA: «Neu­ge­stal­tung des Fi­nanz­aus­gleichs und der Auf­ga­ben­tei­lung zwi­schen Bund und Kan­to­nen»; NFA-Auf­ga­ben­tei­lung: Ent­wick­lung eines Jahr­hun­dert­pro­jekts | eco­no­mie­su­is­se). In der NFA waren Auf­ga­ben er­folg­reich ent­floch­ten wor­den. Ver­schie­de­ne Ver­bund­auf­ga­ben waren je­doch ge­blie­ben. Nach 2008 kam es zu neuen Auf­ga­ben­ver­mi­schun­gen und er­neu­ten Zen­tra­li­sie­run­gen. Das stand (und steht) im Wi­der­spruch zu den zen­tra­len Fö­de­ra­lis­mus­grund­sät­zen der Schweiz, d.h. zur «Sub­si­dia­ri­tät» (grösst­mög­li­che Bür­ger­nä­he) und zur «fis­ka­li­schen Äqui­va­lenz» («wer zahlt, be­fiehlt»). Die Auf­ga­ben­tei­lung soll­te im Pro­jekt «Auf­ga­be­tei­lung II» des­halb wie­der auf­ge­nom­men wer­den. Die Pan­de­mie mach­te dem einen Strich durch die Rech­nung.

«Ent­flech­tung 27» ist brei­ter an­ge­legt

Ende Ja­nu­ar die­ses Jah­res ist die Wie­der­auf­nah­me ge­glückt. Sie stützt sich auf ein Man­dat, in dem der Bun­des­rat und die Kan­to­ne die um­fas­sen­de Neu­über­prü­fung der Auf­ga­ben­tei­lung und die Er­ar­bei­tung von Ent­flech­tungs­vor­schlä­gen ver­ein­bart haben. Das Pro­jekt ist we­sent­lich brei­ter an­ge­legt als der Vor­läu­fer von 2019 und um­fasst 21 Auf­ga­ben­ge­bie­te. Die Reihe der zu prü­fen­den Auf­ga­ben reicht von der in­di­vi­du­el­len Prä­mi­en­ver­bil­li­gung und den Er­gän­zungs­leis­tun­gen über den re­gio­na­len Per­so­nen- und Ag­glo­me­ra­ti­ons­ver­kehr bis zur Wohn­bau­för­de­rung, dem Be­völ­ke­rungs­schutz und der Denk­mal­pfle­ge. Die erste Phase in Form einer Aus­le­ge­ord­nung soll bis im Früh­ling 2026 ab­ge­schlos­sen sein. Der Bun­des­rat und die Kan­to­ne ent­schei­den dann, mit wel­chen Auf­ga­ben kon­kret in den Ent­flech­tungs­pro­zess ge­gan­gen wer­den soll. 2027 sol­len die Er­geb­nis­se vor­lie­gen. Das Pro­jekt heisst des­halb «Ent­flech­tung 27».

Klare Kom­pe­ten­zen für mehr Ef­fi­zi­enz

Die Wirt­schaft un­ter­stützt den Pro­zess. Die staat­li­chen Auf­ga­ben sol­len im In­ter­es­se der Be­völ­ke­rung und der Wirt­schaft mög­lichst wirk­sam und gleich­zei­tig ef­fi­zi­ent, d.h. steu­er­güns­tig, ge­löst wer­den kön­nen. Dafür braucht es einen in sei­nen Struk­tu­ren gut ge­stal­te­ten Fö­de­ra­lis­mus, mit kla­ren Kom­pe­ten­zen und wenig Rei­bungs­flä­chen. Dass nach bald zwan­zig Jah­ren NFA ver­blie­be­ne Alt­las­ten und neue Fehl­ent­wick­lun­gen die fö­de­ra­le Ord­nung wie­der be­las­ten, ist un­ver­kenn­bar. Das zeigt auch die lau­fen­de Be­rei­ni­gung der Bun­des­fi­nan­zen: Fast ein Drit­tel aller Zah­lun­gen des Bun­des gehen an die Kan­to­ne. Der Bund kann seine Aus­ga­ben des­halb kaum an­pas­sen, ohne dass die Kan­to­ne davon be­trof­fen sind. Gleich­zei­tig bringt eine sau­be­re­re Auf­ga­ben­tei­lung auch Ein­spar­po­ten­zi­al auf bei­den Sei­ten, weil jede fö­de­ra­le Ebene selbst ent­schei­den kann, wie die Auf­ga­ben am bes­ten aus­ge­stal­tet und fi­nan­ziert wer­den sol­len. Die Er­war­tung ist des­halb klar: Die «Ent­flech­tung 27» darf keine aka­de­mi­sche Übung blei­ben.