Neue AHV-Zahlen lösen das Grundproblem nicht
Die Entwicklung der AHV-Finanzen wird regelmässig aktualisiert und publiziert. Das Zahlenmaterial ist die wichtigste Grundlage, wenn es darum geht, den Zustand des wichtigsten Sozialwerks der Schweiz zu erfassen. Dass Formelfehler des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV) dazu geführt haben, dass die künftige finanzielle Entwicklung der AHV zu negativ dargestellt wurde, ist ärgerlich und bedauerlich. Am Grundproblem ändern aber auch die neuen Finanzperspektiven nichts: Die AHV schreibt wegen der Alterung bald rote Zahlen, und die 13. Rente verschärft das Problem. Damit die AHV über die Zeit leistungsfähig bleibt, ist eine neue Reform unverändert nötig.
Korrekte Datengrundlagen sind wichtig, keine Frage. Damit das Vertrauen in die AHV-Zahlen wiederhergestellt werden kann, müssen die Ursachen des Formelfehlers beim BSV gefunden werden. Die AHV als grösstes Sozialwerk ist für die Schweiz zu wichtig, als dass mit Unsicherheiten über Zahlen und finanzielle Entwicklungen jetzt fortlaufend Politik betrieben wird. Die definitiven korrigierten AHV-Finanzperspektiven, die das BSV im September veröffentlichen will, müssen darum robust sein. Externe Querprüfungen sollen das sicherstellen.
Die neuen Zahlen werden jedoch nichts am Grundproblem ändern. Die nach dem Umlageprinzip finanzierte AHV kippt mit der demografischen Entwicklung in eine finanzielle Schieflage. Es verlassen immer mehr Leute altershalber den Arbeitsmarkt und die Renten müssen infolge der zunehmenden Lebenserwartung länger ausbezahlt werden. Die steigenden AHV-Ausgaben sind durch die bestehenden Einnahmen nicht mehr gedeckt. Gemäss den neuen Zahlen beträgt das Defizit per 2030 immer noch zwei Milliarden Franken und steigt bis 2033 auf vier Milliarden Franken an – pro Jahr. Die Finanzierungslücke wird in den Folgejahren noch grösser.
Auch die Kosten der 13. Altersrente ändern sich durch die Korrektur der Finanzperspektiven kaum. Mit der Auszahlung der Zusatzrente ab 2026 kommt die AHV wie bisher sofort in den negativen Bereich und die Mehrausgaben betragen bis 2030 immer noch fünf Milliarden. Die Wirtschaft hat sich klar gegen eine Finanzierung der 13. AHV-Rente über Lohnbeiträge ausgesprochen. Wie der Bundesrat bezüglich Finanzierung der 13. AHV-Rente weiter verfahren will, wird er demnächst entscheiden. Klar ist, dass für eine zusätzliche Belastung der Erwerbstätigen jetzt erst recht kein Raum besteht. Ob die 13. Rente über einige Jahre mit den bestehenden Mitteln finanziert werden kann, notfalls unter Anzapfung des AHV-Fonds, wird jetzt ernsthaft zu diskutieren sein. Im Interesse des Bundeshaushalts und anderer Aufgabengebiete mit akut hohem Finanzbedarf ist der Bundesbeitrag wie geplant vorläufig nicht zu erhöhen.
Klar ist gleichzeitig auch, dass die aktualisierten Perspektiven keine Grundlage für noch mehr Leistungsausbau bieten und dass die vom Parlament verbindlich vom Bundesrat bis Ende 2026 verlangte neue Reform zur Stabilisierung der AHV nach wie vor nötig ist. Die AHV – da helfen auch verbesserte Formeln nichts – wird in Kürze wieder mehr Leistungen auszahlen als sie Beiträge einnimmt. Ändert sich mittelfristig nichts an diesem Missverhältnis, bedeutet das nichts Gutes für die AHV und für alle, die auf sie angewiesen sind. Den Handlungsbedarf klein zu reden mit dem Argument, dass den Zahlen und Prognosen des BSV ohnehin nicht zu trauen ist, heisst, dem Publikum bewusst und willentlich Sand in die Augen zu streuen. Dem BSV wird man bei seinem Formelfehler keinen Vorsatz vorwerfen können. Jenen, die die Probleme der AHV jetzt kleinreden, schon.