Gesetzeszeichen

Sam­mel­kla­gen: wei­ter­hin be­rech­tig­te Zwei­fel im Par­la­ment

In den ver­gan­ge­nen Jah­ren hat der Bun­des­rat wie­der­holt die Ein­füh­rung von Sam­mel­kla­gen vor­ge­schla­gen. Die Vor­schlä­ge blie­ben dabei im We­sent­li­chen seit Jah­ren un­ver­än­dert und sie über­zeu­gen wei­ter­hin nicht. Al­ter­na­ti­ven zu Sam­mel­kla­gen wur­den nicht ge­prüft und die Ri­si­ken die­ser neuen Rechts­in­stru­men­te wer­den mas­siv un­ter­schätzt. Es ist daher sehr zu be­grüs­sen, dass die Rechts­kom­mis­si­on des Na­tio­nal­rats be­schlos­sen hat, wei­ter­hin nicht auf die Vor­la­ge ein­zu­tre­ten und statt­des­sen ver­tief­te Ab­klä­run­gen vor­neh­men zu las­sen. Die Kom­mis­si­on mar­kiert wei­ter­hin be­grün­de­te Skep­sis und will sich ein um­fas­sen­des Bild ma­chen.

Der Bun­des­rat hatte am 10. De­zem­ber 2021 die Bot­schaft zu Sam­mel­kla­gen im Zi­vil­pro­zess­recht ver­ab­schie­det. Der Idee, in der Schweiz Sam­mel­kla­gen ein­zu­füh­ren, hatte sich die ge­sam­te Wirt­schaft ent­schlos­sen ent­ge­gen­ge­stellt. So­wohl die gros­sen als auch die klei­nen Un­ter­neh­men sehen im vor­ge­leg­ten Ent­wurf wei­ter­hin einen Grund­satz­ent­scheid für einen ge­fähr­li­chen Sys­tem­wech­sel zu­las­ten un­se­res Wirt­schafts­stand­orts und war­nen vor dem rie­si­gen Miss­brauch­s­po­ten­zi­al von Sam­mel­kla­gen.

Nach­dem die Rechts­kom­mis­si­on des Na­tio­nal­ra­tes be­reits letz­tes Jahr nicht auf die Vor­la­ge ein­ge­tre­ten war und von den Be­hör­den um­fas­sen­de Zu­satz­ab­klä­run­gen ver­langt hatte, bleibt die be­rech­tig­te Skep­sis der Kom­mis­si­ons­mehr­heit auch nach Vor­lie­gen die­ser Ab­klä­run­gen er­hal­ten. So be­fin­det sie Be­fra­gun­gen von di­rekt be­trof­fe­nen Un­ter­neh­men zur Va­li­die­rung der vor­ge­leg­ten Re­gu­lie­rungs­fol­gen­ab­schät­zung für an­ge­bracht. Wei­ter sol­len mög­li­che Si­cher­heits­mass­nah­men zur Ver­hin­de­rung von Miss­brauch von Sam­mel­kla­gen ge­prüft wer­den. Die Wirt­schaft sieht ihre Kri­tik da­durch teil­wei­se be­stä­tigt.

DREI KLARE AR­GU­MEN­TE DER WIRT­SCHAFT GEGEN DIE VOR­LA­GE

1. Die Vor­la­ge ist un­nö­tig

Die Zi­vil­pro­zess­ord­nung wurde erst ge­ra­de re­vi­diert und der Zu­gang zu den Ge­rich­ten ver­ein­facht. Es be­steht kein Hand­lungs­be­darf und auch kein Zwang zum Nach­voll­zug von EU-Re­geln. Ge­ra­de die Si­tua­ti­on in der EU zeigt, dass die Skep­sis in der Schweiz be­grün­det ist. Viele EU-Län­der ver­zö­gern die Um­set­zung der ein­schlä­gi­gen EU-Richt­li­nie oder ver­su­chen, deren ne­ga­tivs­ten Aus­wir­kun­gen im Rah­men der Um­set­zung ein­zu­däm­men.

2. Die of­fen­sicht­li­chen Ri­si­ken der Vor­la­ge müs­sen ernst ge­nom­men wer­den

Ein Blick ins Aus­land, so bei­spiels­wei­se die Nie­der­lan­de, zeigt, dass die dort mög­li­chen Sam­mel­kla­ge-In­stru­men­te eine An­sied­lung einer pro­fes­sio­nel­len «Kla­ge­in­dus­trie» zur Folge hat­ten. Diese «Ame­ri­ka­ni­sie­rung» des Rechts­sys­tems führt zu einer ekla­tant an­de­ren, pro­zess- und streit­süch­ti­gen Rechts­kul­tur. Bei der Ein­füh­rung von Sam­mel­kla­gen geht es damit um einen Grund­satz­ent­scheid, der ge­stützt auf eine ob­jek­ti­ve Grund­la­ge, wel­che Chan­cen und Ri­si­ken klar ab­wägt, er­fol­gen muss.

3. Die Vor­la­ge ist tech­nisch über­holt

Die Vor­la­ge ist seit bald 10 Jah­ren fak­tisch un­ver­än­dert. Die tech­no­lo­gi­schen Ent­wick­lun­gen wer­den darin nicht be­rück­sich­tigt, eben­so wenig die ne­ga­ti­ven Er­fah­run­gen, die das Aus­land mit sol­chen In­stru­men­ten ge­macht hat.

WICH­TI­GE ENT­WICK­LUN­GEN NICHT BE­RÜCK­SICH­TIGT

Die Wirt­schaft be­grüsst daher den Ent­scheid der Rechts­kom­mis­si­on des Na­tio­nal­rats. Die Vor­la­ge stammt in ihren Grund­zü­gen noch aus der Mitte des letz­ten Jahr­zehn­tes und ist of­fen­sicht­lich über­holt. Vor die­sem Hin­ter­grund ist es von grund­le­gen­der Be­deu­tung, offen und ehr­lich die Ri­si­ken, die mit der Ein­füh­rung von Sam­mel­kla­gen ein­her­ge­hen, an­zu­spre­chen.

Im EU-Aus­land er­kennt man, dass die EU-Mit­glieds­län­der, wel­che eine ent­spre­chen­de Richt­li­nie um­set­zen müs­sen, gros­se Sorg­falt und Vor­sicht wal­ten las­sen. So sehen sie zahl­rei­che In­stru­men­te vor, um den Miss­brauch die­ser neuen Kla­ge­mög­lich­kei­ten ein­zu­däm­men, dar­un­ter um­fas­sen­de Vor­prü­fungs­ver­fah­ren, das Ver­bot von Dritt­par­tei­fi­nan­zie­rung oder die Prü­fung, ob nicht al­ter­na­ti­ve Schlich­tungs­in­stru­men­te bes­ser ge­eig­net wären. Das Thema der Dritt­par­tei­en­fi­nan­zie­rung ist der­ar­tig wich­tig, dass nun auch auf Stufe EU eine Re­gu­lie­rung dis­ku­tiert wird. Alle diese Punk­te, wer­den in der Vor­la­ge des Bun­des­ra­tes nicht ein­mal im An­satz be­rück­sich­tigt.

Die Kom­mis­si­on hat nun der Ver­wal­tung den Auf­trag ge­ge­ben, diese As­pek­te ge­nau­er an­zu­schau­en. Aus Sicht der Wirt­schaft soll­te die Vor­la­ge des Bun­des­ra­tes aber nicht wei­ter­ver­folgt wer­den: denn nur ein Fest­hal­ten am Nicht­ein­tre­ten er­mög­licht es, von die­ser alten Vor­la­ge weg­zu­kom­men.