Fahnene Schweiz-Türkei

Gemischte Wirtschaftskommission Schweiz-Türkei: Stabile Beziehung in turbulenten Zeiten

Anlässlich der zehnten gemischten Wirtschaftskommission mit der Türkei konnte die Schweizer Wirtschaft konkrete Fortschritte erzielen. Die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen bleiben aber aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen und politischen Lage in der Türkei mit Herausforderungen behaftet.

Rund neun Monate nach dem Besuch von Staatssekretärin Ineichen-Fleisch ist vom 20. bis 22. Juni 2022 erneut eine Schweizer Delegation in die Türkei gereist. Diesmal im Rahmen einer gemischten Wirtschaftskommission (GWK), welche zwischen der Schweiz und der Türkei bereits zum zehnten Mal ausgetragen worden ist. Angeführt von Botschafter Erwin Bollinger (SECO) war neben Switzerland Global Enterprise (S-GE) und der Schweizerischen Exportrisikoversicherung (SERV) auch die Schweizer Wirtschaft vertreten. Unter der Leitung von economiesuisse konnten die Anliegen der Maschinen- und Uhrenindustrie, aber auch der Pharma- und Textilbranche bei den zuständigen Stellen des türkischen Handelsministeriums konstruktiv diskutiert werden.

Konkrete Fortschritte für den Schweizer Marktzugang

Durch den direkten Austausch mit den türkischen Behörden konnten konkrete Schritte eingeleitet werden, welche den Marktzugang von Schweizer Produkten weiter verbessern werden. So konnten etwa für die Schweizer Uhrenindustrie Fortschritte beim Abbau von Zollformalitäten erzielt werden und im Bereich der Ursprungsregeln will die Türkei künftig die überarbeiteten PEM-Regeln anwenden. Letzteres ist insbesondere für die Schweizer Textilindustrie wichtig. Schliesslich konnte auch im Bereich Engineering, Procurement & Construction (EPC) ein entscheidender Schritt gemacht werden. Die SERV und die Türk Eximbank haben im Rahmen der GWK eine gemeinsame Absichtserklärung (MoU) unterzeichnet, welche die Zusammenarbeit weiter festigen soll. Voraussichtlich noch dieses Jahr sollen ausgewählte türkische EPC-Firmen in die Schweiz eingeladen werden.

Bilaterale Beziehungen mit Potenzial

Dass die Schweiz und die Türkei ihre bilateralen Beziehungen so rege pflegen, kommt nicht von ungefähr: Aufgrund ihrer geografischen Lage dient die Türkei Schweizer Unternehmen bereits heute als wichtige Brücke zu den Märkten im Mittleren Osten, Zentralasien und Afrika. Dieser geostrategische Vorteil könnte sich angesichts der Diversifikation globaler Lieferketten in Zukunft noch verstärken – eine Chance für die Schweizer Wirtschaft. Umgekehrt ist die Schweiz aber auch eine wichtige Partnerin für die Türkei, wie sich bei den Geldflüssen zeigt: Letztes Jahr war die Schweiz die viertgrösste ausländische Direktinvestorin, im ersten Quartal dieses Jahres sogar die weltweit grösste. Dass die Handelsbeziehungen zwischen der Schweiz und der Türkei in Zukunft noch weiter ausgebaut werden sollen, zeigt der Abschluss des revidierten Freihandelsabkommens zwischen der Türkei und den EFTA-Staaten, welches am 1. Oktober des letzten Jahres in Kraft getreten ist.

Türkei mit tiefgreifenden Herausforderungen konfrontiert

Dem bilateralen Verhältnis stellen sich jedoch auch Herausforderungen, da die Türkei derzeit mit tiefgreifenden wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen konfrontiert ist: So hat einerseits eine anhaltend lockere Geldpolitik dazu geführt, dass das Land mit 70 Prozent die mit Abstand höchste Inflationsrate aller OECD-Staaten vorweist. Dies führt zu einem massiven Rückgang der Kaufkraft, besonders spürbar durch Preisanstiege für Treibstoff oder Lebensmittel. Andererseits machen die Auswirkungen des Ukraine-Konflikts der Türkei ganz speziell zu schaffen, zumal es unter normalen Umständen sowohl mit Russland wie auch mit der Ukraine enge wirtschaftliche Beziehungen unterhält. Gerade in den Bereichen Energie und Landwirtschaft ist die Türkei massgeblich auf Importe aus beiden Ländern angewiesen.

Die oben beschriebenen Verwerfungen haben in letzter Zeit zu einem zunehmend unberechenbaren Investitionsklima für Schweizer Unternehmen geführt. Es ist daher zu hoffen, dass die Türkei mittelfristig wieder zu einer soliden und vorhersehbaren Wirtschaftspolitik zurückfinden wird.