# 4 / 2021
08.03.2021

Weiterentwicklung der gymnasialen Maturität: Position der Wirtschaft

Struktur der gymnasialen Ausbildung

Das Maturitätsanerkennungsreglement (MAR) und die Maturitätsanerkennungsverordnung (MAV) bilden die Basis für die gesamtschweizerische Anerkennung der gymnasialen Maturität. Sie legen insbesondere die Bildungsziele der gymnasialen Ausbildung fest: die Hochschulvorbereitung («allgemeine Studierfähigkeit») und die Vorbereitung auf die Lösung anspruchsvoller Aufgaben in der Gesellschaft («vertiefte Gesellschaftsreife»). Obwohl die Ziele für alle gymnasialen Lehrgänge gelten, unterscheidet sich die Ausbildung an Schweizer Gymnasien stark. Die eidgenössischen Vorgaben regeln zwar Aufbau und Struktur, die Kantone geniessen innerhalb dieser Rahmenbedingungen aber eine relativ grosse Gestaltungsfreiheit. 

Der Rahmenlehrplan (RLP) von 1994 bildet die Grundlage für die kantonalen und schulischen Lehrpläne. Im RLP werden für jedes Fach allgemeine Bildungsziele sowie Richtziele formuliert. Er ist inzwischen jedoch veraltet und seine Relevanz als Referenzdokument stark eingeschränkt. In der Mehrheit der Kantone wurden die Lehrpläne seit dem Jahr 2006 teilweise stark revidiert. Gleichzeitig wurde der RLP nur bedingt angepasst. Zu den wesentlichen Änderungen gehörte die Ergänzung durch einen Anhang zu den basalen fachlichen Kompetenzen für die Studierfähigkeit in der Erstsprache und in Mathematik (2016) sowie durch den Lehrplan für das obligatorische Fach Informatik (2017). 

Maturitätsfächer

Wurde bis 1995 zwischen verschiedenen Maturitätsprofilen unterschieden, stellen sich Lernende durch die Wahl von Maturitätsfächern heute selbst ein Unterrichtsprogramm zusammen. Die Verordnung über die Anerkennung von gymnasialen Maturitätsausweisen legt in Art. 9 die Maturitätsfächer fest: Das Angebot besteht aus den obligatorischen Grundlagenfächern und je einem wählbaren Schwerpunkt- und Ergänzungsfach sowie der Maturaarbeit. Die Grundlagenfächer machen den Grossteil des Schulstoffes aus und bilden die Basis der vertieften, ausgewogenen Allgemeinbildung. Der Kanon der Fächer wurde in den letzten Jahren nicht grundlegend verändert. Die Grundlagenfächer entsprechen im Wesentlichen den traditionellen Unterrichtsfächern:
 

  • Grundlagenfächer: Nebst der Erstsprache, einer zweiten Landessprache sowie einer weiteren Fremdsprache, Mathematik, Geschichte und Geografie sowie Biologie, Chemie und Physik gehört auch ein künstlerisches Fach (Bildnerisches Gestalten und/oder Musik) zu den Grundlagenfächern.

Mit der Wahl des Schwerpunktfachs und des Ergänzungsfachs setzen die Lernenden ihre persönlichen gymnasialen Bildungsschwerpunkte. Heute kann aus acht Schwerpunkt- und vierzehn Ergänzungsfächern ausgewählt werden:

  • Schwerpunktfächer: Alte Sprache, moderne Sprache, Physik und Anwendungen der Mathematik, Biologie und Chemie, Wirtschaft und Recht, Philosophie/Pädagogik/Psychologie, Bildnerisches Gestalten oder Musik.
  • Ergänzungsfächer: Physik, Chemie, Biologie, Anwendungen der Mathematik, Informatik, Geschichte, Geografie, Philosophie, Religionslehre, Wirtschaft und Recht, Pädagogik/Psychologie, Bildnerisches Gestalten, Musik, Sport.

Insgesamt besteht somit ein relativ breites Angebot an wählbaren Fächern.

Zusätzlich sind das Fach Einführung in Wirtschaft und Recht sowie seit dem Jahr 2018 auch Informatik für alle Lernenden obligatorische Fächer, unabhängig von der Wahl des Schwerpunkt- und Ergänzungsfachs.

Gewichtung der Fächer

Der vorgeschriebene Anteil an der gesamten Unterrichtszeit für die Maturitätsfächer ist relativ «sprachenlastig» (Art. 11 MAV): Während für Sprachen ein Anteil von 30 bis 40 Prozent vorgesehen ist, liegen die Anteile für Mathematik und Naturwissenschaften (seit 2018 mit Informatik) bei 27 bis 37 Prozent, für jene der Geistes- und Sozialwissenschaften bei 10 bis 20 Prozent und für Kunst bei 5 bis 10 Prozent. Der Wahlbereich hat zusammen mit der Maturaarbeit einen relativ kleinen Anteil von 15 bis 25 Prozent. Die Bedeutung der Sprachfächer innerhalb der Grundlagenfächer wurde mit der MAR-Revision aus dem Jahr 2007 zwar etwas vermindert: Aus zwei Sammelnoten wurden sechs Einzelnoten für Biologie, Chemie, Physik und Geschichte, Geografie sowie Wirtschaft und Recht.

Die Maturitätsfächer, die im Maturazeugnis benotet werden, umfassen die Grundlagenfächer, das Schwerpunktfach, das Ergänzungsfach sowie die Maturaarbeit. Für die Maturitätsprüfung sind aber nicht alle Fächer gleich relevant: Schriftliche Prüfungen finden in mindestens fünf Maturitätsfächern statt – zusätzlich kann auch mündlich geprüft werden. Prüfungsfächer sind die Erstsprache, eine zweite Landessprache, Mathematik, das Schwerpunktfach sowie ein weiteres Fach. Die übrigen Grundlagenfächer werden nicht zusätzlich geprüft, dort gilt der Notenschnitt des letzten Jahres. Die Maturität gilt als bestanden, wenn in den Maturitätsfächern die doppelte Summe aller Notenabweichungen von 4 nach unten nicht grösser ist als die Summe aller Notenabweichungen von 4 nach oben und nicht mehr als vier Noten unter 4 vorliegen.
Neben den fachlichen werden auch die überfachlichen Kompetenzen (Art. 11 MAV) für die Erreichung der gymnasialen Bildungsziele erwähnt. Überfachliche Kompetenzen werden beispielsweise in den fünf Kompetenzbereichen des Rahmenlehrplans angesprochen (z. B. selbstständiges Urteilen, geistige Offenheit, Willenskraft, Kreativität, Neugier und Kommunikationsfähigkeit). Während die Anteile der Fächer klar geregelt werden, gibt es keine genaueren Vorgaben betreffend die fächerübergreifenden Arbeitsweisen. Untersuchungen zeigen, dass die Interdisziplinarität in den Lehrplänen in vielen Fällen nicht oder nur ungenügend berücksichtigt wird.